Unbemerkt von den politischen Parteien, den allermeisten Analysten und Kommentatoren und den Medien steuert Österreich möglicherweise auf eine schwere politische Krise zu:

der Ausgangspunkt dafür könnte die hohe Zahl an Listen, die Parteienzersplitterung, der zu erwartende hohe Anteil an unwirksamen Stimmen sein, die wegen der Vierprozenthürde den Einzug nicht schaffen.

Solche Prozesse werden von Historikern oft als Weimarisierung bezeichnet, als Parteienzersplitterung, die zum Untergang der Weimarer Republik und zum Aufstieg des Nationalsozialismus führte.

Bei der letzten deutschen Bundestagswahl 2013 gab es einen rekordhaften hohen Anteil von unwirksamen Stimmen von 17%, weil FDP, AfD, Piratenpartei etc. die Fünfprozenthürde nur knapp verfehlten.

Eine schwere politische Krise und die schlimmsten Bürgerkriegsphänomene konnten damals in Deutschland nur dadurch verhindert werden, dass das deutsche Bundesverfassungsagericht in Karlsruhe die Fünfprozenthürde für EU-Wahlen aufhob, sodass auch bei hoher Parteienzersplitterung parlamentarische Vertretung gewährleistet ist.

Wenn hohe Anteile an Bürgern und Wählern nicht im Parlament vertreten sind, kann eine kritische Masse für einen Bürgerkrieg entstehen.

Die politische Auseinandersetzung findet dann nicht mehr rhetorisch im Parlament, sondern unter Bedingungen auch durch Strassenschlachten zwischen verschiedenen außerparlamenarischen Parteien von in Summe beträchtlicher Größe statt.

Der Hauptunterschied zwischen Deutschland und Österreich ist die Größe: Deutschland hat zehnmal soviele Einwohner woe Österreich und ca. achtmal soviele EU-Abgeordnete.

Das heisst: im Falle Deutschlands konnte das Karlsruher Bundesverfassungsgericht wegen der Größe Deutschlands die Bürgerkriegsgefahr durch Aufhebung der Fünfprozenthürde im EU-Parlament bannen bzw. verringern.

Im Falle des österreichischen Verfassungsgerichtshof würde ein gleichartiges Vorgehen zur Verhinderung der Bürgerkriegsgefahr nichts bringen, weil Österreich viel kleiner (bevölkerungsmäßig kleiner) ist, und im Unterschied zu Deutschland im Falle Österreichs die Ein-Mandats-Hürde im EU-Parlament höher ist als die Fünfprozenthürde.

D.h.: zur Verhinderung bzw. Verringerung der Bürgerkriegsgefahr und der Weimarisierung als Folge der Parteienzersplitterung kann der österreichische Verfassungsgerichtshof nicht dem Vorbild des deutschen Bundesverfassungsgerichts folgen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Parteienzersplitterung

https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerkrieg

Ich hatte ja im Vorfeld der Wahl Wahlbündnisse verschiedener Parteien vorgeschlagen, damit mehrere Kleinparteien gemeinsam Vierprozenthürden durch Wahlbündnisse überschreiten können, parlamentarische Vertretung erlangen und Bürgerkriegsgefahr durch einen hohen Anteil außerparlamentarischer Parteien sowohl der extremen Linken als auch der extremen Rechten vermieden werden kann.

Ich bin mit diesen Vorschlag aber bedauerlicherweise gescheitert.

Vielleicht sind viele Kleinst- und Kleinparteienkandidaturen reine Rachekandidaturen, bei denen gar nicht eigene parlamentarische Vertretung das Ziel ist, sondern Schädigung der ehemaligen Herkunftspartei (Grüne im Falle von Pilz; FPÖ im Falle von Stadler, Schnell und Rosenkranz; ÖVP im Falle von Franz).

Auf jeden Fall gibt es - erzeugt durch das bisherige politische System - viele Einzelkämpfer mit geringer Teamfähigkeit, die erfolgversprechende Wahlbündnisse ablehnen und lieber aussichtslose bzw. relativ chancenarme Alleinkandidaturen bzw. Wahlbündnisablehnungen unternehmen, die voraussehbar die Vierprozenthürde nicht erreichen werden.

Diese Parteienzersplitterung und Chaotisierung der Parteienlandschaft wird paradoxerweise dadurch begünstigt, dass viele politische Einzelkämpfer eine gesicherte berufliche Existenz haben (Schnell und Franz als Ärzte, Stadler als Rechtsanwalt, etc.), sodass sie es sich leisten können, sinnlose und chancenlose Alleinantritte zu machen, die hohe Zahlen an Frustrierten, außerparlamenarischen Wählern erzeugen, die langfristig eine gewisse Instabilitäts- und Bürgerkriegsgefahr wie in vielen Fällen der Vergagenheit bergen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenschlacht

Auch die gewalttätigen, bürgerkriegsähnlichen Strassenschlachtsausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg können als eine Folge der Parteienzersplitterung der Bundestagswahl 2013 mit seinem extrem hohen Anteil an aus dem Parlament ausgegrenzten Wählern betrachtet werden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Bundestagswahl_2013

https://de.wikipedia.org/wiki/G20-Gipfel_in_Hamburg_2017

Jouwatch CC-BY SA 2.0 https://www.flickr.com/photos/95213174@N08/34992701134/

Brennende Barrikade bei Strassenschlachten beim G20-Gipfel in Hamburg eine Folge der Bundestagswahl 2013 mit dem extrem hohen Anteil an unwirksamen Stimmen ?

Eine Menetekel für ähnliche kommende Phänomene in Österreich ?

Frank Schwichtenberg CC-BY SA 4.0 https://de.wikipedia.org/wiki/G20-Gipfel_in_Hamburg_2017#/media/File:Block_G20_%E2%80%93_colour_the_red_zone_03.jpg

Ausgebranntes Auto nach Strassenschlachten beim G20-Gipfel in Hamburg eine Folge des hohen Anteils an aus dem Parlament ausgegrenzten Wählern bei der Bundestagswahl 2013 ?

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