Wäre es nicht so tragisch, wäre es ja fast komisch: die neueste Version rund um den Abschuss der ukrainischen Boeing mit 176 Toten kurz nach dem Start in Teheran ist laut dem iranischen Luftwaffenchef folgende:

die abfliegende Boeing sei mit einem anfliegenden Marschflugkörper verwechselt worden.

CC / Arcturus https://de.wikipedia.org/wiki/Boeing_737#/media/Datei:Air_Berlin_B737-700_Dreamliner_D-ABBN.jpg

Boeing 737-700 und Marschflugkörper ähneln einander ja tatsächlich wie ein Ei dem Anderen ;) (Achtung, Satire!)

CC / US Navy https://de.wikipedia.org/wiki/Marschflugk%C3%B6rper#/media/Datei:Tomahawk_Block_IV_cruise_missile.jpg

Eine Boeing ist mit ca. 800 Kmh/ unterwegs, ein Marschflugkörper mit Geschwindigkeiten bis zu Mach 7, also 7000 km/h. Natürlich völlig ununterscheidbar für ein jedes Radar, das nebenbei Geschwindigkeitsmessung macht;)

Die extreme hohe Geschwindigkeit vieler Marschflugkörper führt oft dazu, dass gar nicht erst versucht wird, sie abzuschiessen, weil das in den meisten Fällen Munitionsvergeudung ist.

Wenn es ein tieffliegender Marschflugkörper gewesen wäre, der von einem US-Stützpunkt im Irak oder von einem US-Schiff im persischen Golf aus abgefeuert worden wäre, dann ist zu erwarten, dass er dem iranischen Radar irgendwo, an manchen Stellen auf seinem Flug nach Teheran, das im Landesinneren liegt, aufgefallen wäre.

Es habe genau zu dem Zeitpunkt einen Defekt im Kommunikationssystem gegeben, daher habe der befehlshabende Offizier nicht nachfragen können, so der iranische Luftabwehrchef.

Naja, das klingt für mich eher nach den absichtlichen Befehlsverweigerungen im Zweiten Weltkrieg, als viele Frontoffiziere Kommunikationsprobleme vortäuschten, um unangenehme bis blödsinnige Befehle nicht hören zu müssen.

Einem Offizier, der in Teheran Dienst tut, sollte doch eigentlich bekannt sein, dass Teheran einen ziemlich bedeutenden Zivilflughafen hat, von dem aus regelmässig Zivilflugzeuge aus starten. Daher hätte er gerade in Teheran damit rechnen müssen, dass sich auch Zivilflugzeuge am Himmel befinden und das abgeschossene Boden-Luft-Raketen auch ebendiese Zivilflugzeuge treffen können.

https://orf.at/stories/3150622/

Man kann den ORF so verstehen, dass der verantwortliche Offizier der Luftabwehr ein Mitglied der Revolutionsgarde war - im Prinzip ist vorstellbar, dass gerade Mitglieder der Revolutionsgarde es leid haben, irgendwo in fernen Auslandseinsätzen wie in Syrien in den Tod oder in lebensgefährliche Situationen geschickt zu werden.

Der Tweet von Präsident Rouhani dazu hat folgenden Inhalt: "Armed Forces’ internal investigation has concluded that regrettably missiles fired due to human error caused the horrific crash of the Ukrainian plane & death of 176 innocent people.

Investigations continue to identify & prosecute this great tragedy & unforgivable mistake. #PS752

— Hassan Rouhani (@HassanRouhani) 11. Januar 2020"

Er benutzt dabei die Fomulierung des "unforgiveable mistake", des unentschuldbaren Fehlers. Ziemlich schnell und voreilig vor einer gründlichen Untersuchung. Aber auch bei diesem Rohani-Tweet könnte es sich um einen absichtlichen Fehler handeln.

Die Mullahs können gar nicht zugeben, dass es ein absichtlicher Abschuss einer Dissidentengruppe (vielleicht innerhalb der Revolutionsgarden) war, selbst, falls es zutrifft, denn dann würden sie die völkerrechtliche Anerkennung verlieren, weil Staatsgewalt ein Kriterium derselben ist.

Aus meiner Sicht deutet das Ganze eher auf einen sich anbahnenden Konflikt zwischen großen Teilen des iranischen Militärs bzw. innerhalb der Revolutionsgarden und großen Teilen der vielleicht gerade noch herrschenden iranischen Mullahs hin als auf irgendwas sonst.

Ich finde, aussenpolitische Stellen, egal, ob national oder kontinental (auf EU-Ebene) sollten jetzt schon abklären, wie sie im Falle eines etwaigen Militärputsches in Teheran vorgehen wollen, und ob sie einer z.B. militärischen Übergangsregierung eine zeitweilige Anerkennung aussprechen wollen (ja, ich bin dafür, wie aus meinen sonstigen Blogs und Publikationen eindeutigerweise zu entnehmen ist).

Für die Europäische Politik, die jahrzehntelang auf Verhandlungen mit dem Mullah-Regime setzte, mag ein Militärputsch eine Katastrophe und Diskreditierung sein, für die sonstige Welt wäre ein Putsch wohl ein Segen.

Ein etwaiger Militärputsch gegen das Mullah-Regime in Teheran würde auch die Säkularisierungsthese wiederbeleben, also die These vom schwindenden Einfluss der Religionen weltweit.

Ich möchte betonen, dass es sich bei diesem Abschuss eher nicht um eine "Ermordung" handelt, wie so manche Blogger behaupten, sondern um eine Opferung, damit der Iran ein besseres, menschlicheres Regierungssystem bekommt.

Ich habe übrigens in der Piratenpartei vor vielen Jahren ein Meinungsbild gemacht mit der These: "Der Militärputsch in Ägypten 2013 war eine gute Sache"

https://lqfb.piratenpartei.at/index/search.html?_webmcp_csrf_secret=Mf89zPkqal4n1XaczVR5CziR1srLgzQ7&_webmcp_routing.default.mode=redirect&_webmcp_routing.default.module=index&_webmcp_routing.default.view=search&search=Milit%C3%A4rputsch

https://lqfb.piratenpartei.at/issue/show/2408.html

(Dann "i5255" anklicken, um die Detailinfos zu bekommen)

Die Fragestellung war natürlich provokant, und es war eher ein teilweiser Militärputsch mit Unterstützung weiter Teile der Bevölkerung (gegen den islamischen Fundamentalisten Mohammed Mursi, der später hingerichtet wurde).

Auch meine These vom 6.9.2019, dass der Besuch des Teheraner Bürgermeisters Hanachi so kurz vor der Nationalsratswahl in Wien ein Bitte um eine aussenpolitische Krise gewesen sein konnte, damit Teile des Militärs putschen können, ist damit wieder im Spiel.

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/teheran-bgm-besuch-bitte-um-eskalation-wegen-putsch-59252

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

19 Kommentare

Mehr von Dieter Knoflach