Also ich neulich hier auf FUF die Behauptung bzw. Vermutung aufstellte, auf der Plattform FUF seien die Leserzahlen dramatisch zurückgegangen, erntete ich dafür den üblichen Shitstorm: ich sei ein asozialer Nestbeschmutzer, ich würde nur miesmachen, ich würde lügen und die Fakten verdrehen, in Wirklichkeit sei FUF beliebter denn je, etc.
Allerdings gibt es zahlreiche Indizien bzw. Beweise für meine Behauptung, bzw. Vermutung.
Zum Beispiel die summierten "beliebtesten Kommentatorenzahlen", wie in den Waybackmachines aufgezeichnet:
Schenk uns bitte ein Like auf Facebook! #meinungsfreiheit #pressefreiheit
Danke!
diese Woche (5.1.2023): 315 SBKL (summierte beliebteste-Kommentatoren-Likes)
1.7.2022: 585 SBKL (summierte beliebteste-Kommentatoren-Likes)
13.6.2021: 368 SBKL
8.8.2020: 1491 SBKL
28.8.2019: 1641 SBKL
13.8.2018: 1582 SBKL
13.8. 2017: 1834 SBKL
21.10.2016: 1753 SBKL
Mit anderen Worten: heute oder in den letzten Monaten bzw. letzten anderthalb Jahren waren die summierten Likes für die drei beliebtesten Kommentatoren nur mehr ein Drittel bis ein Sechstel der entsprechenden Werte davor.
Die einzige plausible Annahme, die zur Abschätzung der Leserzahlen noch fehlt, ist, diejenige, dass die Leser(und -innen)-Zahlen mit den SBKL in einem Zusammenhang stehen.
Man kann auch vermuten, dass der Absturz bei den SBKL in VERSTÄRKTEM Maße auf einen noch krasseren Rückgang der Leserzahlen zurückgeht, weil die hauptsächlich verbliebenen rechts- (aber teilweise auch links-) -extremen Leser und Schreiber sich gegenseitig liken - das würde bedeuten, dass der Rückgang der SBKL auf ein Drittel bis ein Sechstel vermutlich in etwa einen Rückgang der Leserzahlen auf ein Fünftel oder ein Zehntel bedeuten würde.
Der Absturz auf ein Drittel bis ein Sechstel lässt sich in etwa Mitte 2020 verorten, also zu einem Zeitpunkt, wo die Covid-Debatte sehr heftig war. Und es erscheint durchaus plausibel, anzunehmen, dass die Putin-Trollerei hier auf FUF die Leserzahlen weiterschrumpfte.
Womit FUF scheinbar so eine Art Hype-and-Crash-Schicksal erleidet wie viele neue Phänomene, beispielsweise die Piratenpartei oder die "Anti-Corona-Maßnahmen-Partei" MFG: einen einzigen großen Erfolg als Reaktion auf eine kontroversielle Situation, aber danach folgend ein Absturz.
Es stellt sich natürlich auch die Frage, wohin die vielen Leserinnen und Leser geflüchtet sind, die FUF verlassen haben. Vermutlich zurück zu den etablierten Medien, was in Anbetracht der oft miserablen Qualität der Blogs und Kommentare hier auf FUF auch kein Wunder ist.
Womit wir bei den möglichen Ursachen des dramatischen Leserschwunds hier auf FUF wären. Als solche kommen in Betracht:
1.) Extremistische Thesen, egal, ob links- oder rechtsextremistisch. Eben, weil Links- und Rechtsextremisten in den etablierten Medien nichts veröffentlichen können, flüchten sie in die alternativen Medien, wo sie jede extremistische These veröffentlichen können, die sie wollen. Das mag zwar für sie persönlich befriedigend sein, für zahlreiche Vertreter der politischen Mitte ist das erstens inhaltlich widerlich und zweitens beruflich rufschädigend, auf einer weitgehend extremistischen Plattform zu publizieren oder auch nur zu kommentieren.
2.) mangelhafte journalistische Standards: Journalist ist man nicht nur deswegen, weil man Journalist sein möchte, sondern zum Journalismus zählen auch gewisse Standards, Ethiken und Methoden. Das Sigrid-Maurer-Bierwirt-Urteil erster Instanz, zu dem es keines einer höheren Instanz gibt, enthielt die Entscheidung, dass journalistische Standards auch für Blogger (und Bloggerinnen) gelten. D.h. eine Orientierung an der Wahrheit, und eine Absage an die der Verfälschung und Verbiegung der Wahrheit im Sinne der eigenen Ideologie.
3.) Lausige "Debatten"-Kultur: Extremisten, die oft mit völlig absurden Thesen und Blogs daherkommen, haben natürlich keine Chance, sich in einer zivilisierten und sachargument-orientierten Debatte durchzusetzen, weshalb sie andere Methoden verwenden, beispielsweise die Gewaltdrohung/Morddrohung oder die personalisierende und sachargumentlose Beschimpfung Andersdenkender.
Eben damit tragen die Extremisten zur Leserflucht bei und damit auch zum Absturz der Summierten Likes der "beliebtesten Kommentatoren".
Diese Shitstorm-"Kultur" oder -unkultur dürfte übrigens auch eine Ursache für den Untergang der Piratenpartei gewesen sein. "Neu" heisst allzuoft, dass Leute, die keine Erfahrung und Ahnung im politischen Austausch haben, ihre Meinung oft mit sehr brutalen Methoden durchzusetzen versuchen. Weiters gibt es die Theorie von Psychologen, dass das Internet und die Internetkommunikation entmenschlicht und brutalisiert, weil man die Mimik des "Debatten"-Gegners nicht sehen kann und nicht erkennt, wann man die Grenzen des Anderen überschreitet. Generell fallen alle Regularien weg, die zivilisierten Diskurs ausmachen: im Internet braucht man zumindest mit anonymem Nickname keine Sanktionen oder keine Reaktionen für totalitäres Verhalten zu befürchten. Und der oft brutalisierte "Diskurs" der anonymen Nicknames, um ihre Ideologie durchzusetzen und Andersdenkende zu vertreiben, färbt bis zu einem gewissen Grad auch auf die Klarnamensverwender ab.
4.) Moderationsmangel: wenn jeder Unsinnskommentar durchkommt, selbst wenn er illegal, offtopic, reine Beleidigung von Andersdenkenden ist, dann macht das nicht nur einen miserablen Eindruck, sondern es vertreibt auch haufenweise Leute, und hält Interessenten ab, einzusteigen. Man schaut nur einmal, sieht den miesen Stil und flüchtet wieder. Der Geldmangel ist hier wohl nur graduell eine Rechtfertigung: Das britische Sprichwort "If you pay peanuts, you get monkeys" (Auf Deutsch in etwa "Wenn Du nichts bezahlst, bekommst DU Affen" ) bestätigt sich auch hier.
Qualitätskontrolle kostet Geld, und eine Plattform, die dieses Geld nicht hat, ist zum Scheitern und zum Leserschwund praktisch verurteilt.
5.) Mängel in der Netiquette: es mag ja nett klingen, zu schreiben "Wir bitten um einen freundlichen Umgangston", aber Extremisten lesen das so: "Ein unfreundlicher und illegaler Umgangston wird geduldet", und so eine Netiquette ist praktisch ein Aufruf zum Gesetzesbruch und zur Schimpf- und Beleidigungstirade.
Die ca. 100 Likes, die gegenwärtig zum Platz des "beliebtesten Kommentators" reichen, hätten vor 2 Jahren nicht einmal zu einem Platz unter den ersten 10 "beliebtesten Kommentatoren" gereicht.
So gesehen haben die Extremisten mit ihren Morddrohungen, Gewaltdrohungen und sachargumentfreien, personalisierenden Schimpftiraden ihr "Ziel" ja erreicht: einmal ganz vorne stehen auf der Liste der "beliebtesten Kommentatoren", wenn auch mit äußerst problematischen Methoden. Aber man dafür auch Verständnis und Mitleid empfinden: das Leben eines Extremisten ist ja fürchterlich trist und arm an Erfolgserlebnissen. Eine frühere verbreitete und zentristische Plattform zu kapern, und sie auf Extremismus umzufärben, mag ja durchaus einen kathartischen Effekt haben und könnte Extremisten davon abhalten, Terrorakte zu begehen, und vergleichsweise "harmlos" durch verbalen Terror eie Internetplattform zu kapern. Terror sei die Sprache der Sprachlosen und der Sprachrohrlosen, heisst es ja, und der verbale Terror in Internetforen ist wirklichem Terror durchaus vorzuziehen.
Und die strafrechtliche Problematik interessiert ja niemanden, speziell in kaum gelesenen, extremistischen Internetforen, die sozusagen unterhalb des Radar der Strafrechtsbehörden agieren.
Außerdem gibt es zahlreiche Judikatur zum Thema "milieubedingte Unmutsäußerung": das, was normalerweise als Lüge, üble Nachrede, Kreditschädigung, Rufschädigung oder Verhetzung eingestuft werden müsste, wird von den Strafrechtsbehörden bei Vertretern des "unmutsgeprägten Milieus" vielfach als gerade noch legal eingestuft - was nichts daran ändert, dass Extremisten sich zum Opfer stilisieren und und eine eintägige Sperre hochspielen, die im Vergleich zu den lebenslänglichen Sperren, die Andere treffen, geradezu harmlos ist. Auch, dass die Klagen und Prozesse wegen Bildrechten oft Zentristen treffen, deren Blogs oft schon vorauseilend wegen möglicher Verletzung der Bildrechte gelöscht werden, ist den Extremisten egal, weil es sich eben um zentristische Positionen handelt, und um Löschung wegen Bildrechten, nicht wegen extremistischen Inhalten, oder "Vergehen gegen die Ehre" wie üble Nachrede oder Verhetzung.
Und man kann es auch als amüsant betrachten, dass in extremistischen Plattformen mit minimalen und stark schrumpfenden Leserzahlen, bzw. SBKL-Zahlen, sie seien "das Volk", das ganze Volk, während alle Andersdenkenden eine Minderheit seien, ein falscher Eindruck, den man durchaus gewinnen kann, wenn es den Extremisten ermöglicht, alle Andersdenkenden zu vertreiben.
Genau das ist die Blasenbildung und die damit verbundene Radikalisierung kleiner Internetforen, in denen sich die Teilnehmer gegenseitig immer weiter hineinsteigern in Extremismus und manchmal auch in Terrorismus. Hier ähneln die Rechtsextremisten übrigens den von ihnen kritisierten Islamisten .....
"Pay peanuts, get monkeys": warum die Idee des Bürger-Journalisten fürchterlich scheitern muss ....