In Österreich ist eine Debatte rund um die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers nach deutschen Vorbild ausgebrochen.
Der ÖVP-Kanzlerkandidat Kurz sprach sich für die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers aus, ebenso wie die NEOS, die sowieso in vielerlei Hinsicht als ÖVP-Filiale erscheinen.
Skeptischer reagierten SPÖ, FPÖ und Grüne auf die Richtlinienkompetenzvorschläge.
Was keiner der österreichischen Politiker und -innen in der Debatte erwähnte, ist die tatsächliche deutsche Erfahrung mit der Richtlinienkompetenz.
Der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) sagte einmal, er habe zwar die Richtlinienkompetenz, aber er mache nie Gebrauch davon, weil er dann den Koalitionspartner verlieren würde.
Die deutsche Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers ist vielleicht maßgeschneidert für Alleinregierungen einer einziger Partei, wie zum Beispiel der CDU in der Ära Adenauer.
Selbst, wenn man eine Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers in der österreichischen Verfassung verankern würde, dann würde das realpolitisch wahrscheinlich gar nichts ändern.
So gesehen ist die ganze Debatte eine reine Scheindebatte und so gesehen typisch für Wahlkampfzeiten, die ohnehin eine "Zeit der fokussierten Unintelligenz" (Copyright Michael Häupl, Wiener Bürgermeister, SPÖ) sein könnten, eine Zeit der Wählerverarsche, nach der Alles oder Vieles sowieso ganz anders kommt.
Fraglich, Wahrscheinlich Commos CC BY SA 3.0, Herkunft Adenauer-Stiftung https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Kohl#/media/File:Helmut_Kohl_1989.jpg
Der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) 1989, der die in Österreich diskutierte Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers zwar hatte, aber nie von ihr Gebrauch machte, aus Angst, den Koalitionspartner zu verlieren oder in Zukunft keinen mehr zu bekommen.
Die Debatte rund um die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers ist vielleicht ein Zeichen dafür, dass sich Großparteien nostalgisch nach früheren Zeiten der Alleinregierung zurücksehnen und nicht realitäts-, gegenwarts- und zukunftsfähig sind.
