Ich sehe mir gerade Katja Wagners Krone-Debatte zu Christian Kern an:
Die Debatte ist interessant, aber sehr tagesaktuell.
Der Hintergrund der derzeitigen Turbulenzen ist eine Art Krieg zwischen der SPÖ Wien und den SPÖ-Landesorganisationen der Bundesländer.
Um einen privilegierten Zugang der SPÖ Wien zum Kanzleramt und in Folge auch zum Bundes-Finanzausgleich zu erhalten, war der ehemalige Wiener Bürgermeister Häupl immer bestrebt, zu verhindern, dass ein Nicht-Wiener oder eine Nicht-Wienerin Parteivorsitzender wird.
Das führte zu einem Konflikt zwischen SPÖ Wien und speziell SPÖ Steiermark, dessen Gipfel war, dass Häupl den steirischen Landeshauptmann Voves mit Pegida-Vergleichen unter die 30%-Rücktrittsmarke drückte.
Um sich an der SPÖ Wien zu rächen, verzichtete die SPÖ Steiermark auf den Landeshauptmannposten, obwohl Voves stimmenstärkster geworden war. Dieser Verzicht führt zum Verlust eines ORF-Stiftungsrats (nämlich des steirischen) für die SPÖ, und bedeutete eine Verschiebung der Macht.
Der Kriegszustand zwischen SPÖ Wien und SPÖ Steiermark ermutigte auch die SPÖ Burgenland, den Bundesparteitagsbeschluss der SPÖ, auf keiner Ebene mit der FPÖ zu koalieren, zu ignorieren. Die treibende Kraft hinter diesem Bundes-Beschluss war die SPÖ Wien gewesen, weil Häupl glaubte, ein pseudo-faschistisches Feindbild (nämlich die FPÖ) für die Wien-Wahl zu brauchen. Allerdings konnte sich die SPÖ Wien diesen Luxus nur deswegen leisten, weil sie bessere Koalitionsoptionen hatte und hat als alle anderen SPÖ-Landesparteiorganisationen. Wenn die SPÖ Burgenland diesen Bundesparteitagsbeschluss eingehalten hätte, hätte sie mit der ÖVP koalieren müssen, egal, wieviel die ÖVP fordert, oder sonst in Opposition gehen.
Kern nutzte diesen SPÖ-internen Krieg, um Faymann zu stürzen, mit Hilfe des von Häupl gestürzten Voves.
Allerdings gilt in der Geschichte: der Königsmörder kann niemals König werden.
Bei einem ähnlichen Personenwechsel, nämlich den von Pittermann zu Kreisky in den späten 1960er Jahren, war nicht Kreisky der Königsmörder gewesen, sondern der Linzer Bürgermeister Koref (SPÖ) und der Burgenländische SPÖ-Historiker Norbert Leser.
Die Intrigen, die Kern das Handeln erschwerten und das Regieren verunmöglichten, z.B. das voreilige Hinausspielen des Rücktritts, sind auch und sehr wesentlich Racheakte dafür, dass Kern Faymann stürzte.
Mit Rendi-Wagner könnte die SPÖ wieder in ein insofern ruhigeres Fahrwasser kommen, als die Faymann-Königsmord-Frage erledigt ist.
Außerdem haben Frauen nicht so sehr das Königsmörder-Image (das alleine schon aufgrund der Begrifflichkeit).
Allerdings hat Rendi-Wagner das Manko, selbst wieder eine Wienerin zu sein (womit die einzigartige 100%-Wien-Quote bei SPÖ-Vorsitz und -Kanzlerkandidatur erhalten bliebe). Und sie ersetzte den Steirer Lercher durch die Wiener Drozda in der Bundesparteigeschäftsführung.
Interessanterweise sprach Pelinka, der normalerweise immer die SPÖ gesundredet, nach Kerns Abgang von Kerns Eitelkeit, etc.
Das hätte man allerdings schon vorher wissen und sagen können.
Und es spricht irgendwie gegen die SPÖ, dass ihre Anhänger und medialen Verteidiger erst nachher Kern kritisieren, auch wenn sie ihn vorher gelobt haben.
Dass der Königsmörder niemals König werden kann, hätte man auch schon vorher wissen können, aber Geschichtskenntnisse sind unter österreichischen Politikern, vielleicht insbesondere unter SPÖ-Politikern, mangelhaft.