Die AfD ist in Deutschland Gesprächsstoff, scheint die Debatten völlig zu dominieren, so als gäbe es kein anderes Thema.
Höcke und seine Rede sind ein Beispiel dafür.
Das hat damit zu tun, dass Deutschland sozusagen eine "zu spät gekommene Nation" ist. (In der Geschichtswissenschaft versteht man unter dem Begriff eigentlich was ganz anderes, aber egal)
Deutschland ist dasjenige durch Verhältniswahlrecht geprägte Land in Europa, das als letztes eine rechtspopulistische Partei erhielt, in Form der AfD.
Hollands "Rechtspopulist" Pim Fortuyn wurde 2002 erschossen, lange bevor die AfD gegründet wurde.
In Österreich landete Jörg Haider in den 1980er und 1990er Jahren Erdrutschwahlsiege, lange bevor es in Deutschland die AfD gab.
Bei Gesprächen vor ca. 2 oder 3 Jahren mit deutschen Kollegen meinte ich einmal in etwa, Deutschland sei eine Art verrücktes Land, weil es als einziges Land in Europa KEINE rechtspopulistische Partei habe.
Das hängt möglicherweise mit dem Nationalsozialismus als "historische Last" zusammen: eben, weil Deutschland der Nachfolgestaat von Nazi-Deutschland sei, müsse das ganz normale Entstehen einer rechtspopulistischen Partei wie überall anders in Europa (mit Ausnahme von Großbritannien, wo durch das Mehrheitswahlrecht völlig andere Bedingungen herrschen), verhindert werden, war wohl der Konsens deutscher politischer und medialer Eliten.
Nur wurde dieses Argument mit steigendem zeitlichen Abstand zum Nationalsozialismus und mit steigendem Erfolg "rechtspopulistischer" Parteien praktisch überall anders in Europa immer unglaubwürdiger.
Ausserdem liess der "Linksruck" von Angela Merkel bzw. der CDU sehr viel Platz für "rechtspopulistische" Parteien wie die AfD.
Die AfD macht Wahlkämpfe mit Parolen und Wahlkampfplakaten, wie sie die CDU vor ca. 10 Jahren verwendete.
So gesehen ist das Entstehen der AfD eine Art Normalisierungsprozess: Deutschland ist kein abnormales land mehr, Deutschland ist nicht mehr das einzige oder praktisch einzige Land in Europa, in dem sowohl Verhältniswahlrecht gilt, als auch keine "rechtspopulistische" Partei existiert.
Und wie klein die AfD ist, verglichen mit anderen internationalen "rechtspopulistischen" Parteien.
Die Deutschen machen um diese 10%-Partei AfD einen Wirbel, wie er in anderen europäischen Ländern um "rechtspopulistische" Parteien der Größenordnung 30% nicht gemacht wird.
Das muß wohl der Neuigkeitseffekt sein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Pim_Fortuyn
https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%B6rg_Haider