Dornbirn-Mord-Widerspruch Gastarbeiter/ Aufenthaltsverfestigung

Franz Grillparzer schrieb in einem seiner Werke (Bruderzwist im Hause Habsburg): "Das ist der Fluch von unserm edeln Haus (Österreich): Auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben."

Und ähnliches gilt auch für die Zuwanderungspolitik.

In den 1950er und 1960er Jahren gab es wegen des sogenannten Wirtschaftswunders und des damit zusammenhängenden Arbeitskräftemangels die Konzeption der "Gastarbeiter": die dahinter stehende Idee war, dass hauptsächlich aus der Türkei für einige Jahre Arbeitskräfte kommen, die dann wieder gehen, nachdem das Wirtschaftswunder abgeebbt ist.

Aber es kam so, wie´s in Österreich immer kommt, eine als Provisorium gedachte eher schlechte "Lösung" wurde zur noch schlechteren Dauer-"Lösung": "Wir wollten Arbeitskräfte, aber es kamen Menschen".

Ein weiterer Gedanke war: da die Gastarbeiter sowieso nur ein paar Jahre bleiben, braucht man auch keine Integrationspolitik. Und weil es praktisch keine Integrationspolitik gab, hatten viele Gastarbeiterkinder Sprachprobleme und in weiterer Folge keine Schulabschlüsse, was sie dann auf die falsche, kriminelle Bahn brachte.

Das trug natürlich bei zur Entwicklung der "Parallelgesellschaften", die heute beklagt werden.

Diese Frage hat auch einen Bezug zum sogenannten "Dornbirn-Mord": die Medienberichte deuten darauf hin, dass ein in Österreich geborener Kurde (also ein Aufenthaltsverfestigter; die Aufenthaltsverfestigung verhindert laut Judikatur eine Abschiebung) in die Türkei abgeschoben wurde, was besonders heikel ist in Bezug auf den türkisch-kurdischen Konflikt: viele Kurden fordern einen unabhängigen kurdischen Staat oder mehr Autonomie, aber die Türkei mag das gar nicht; in dem Zusammenhang steht auch der PKK-Terror. Und dass dieser in Österreich geborene Kurde dann nach der Abschiebung in die Türkei und der Verfolgung dort nach Österreich zurückkehrte und wegen der legal zumindest dubiosen Abschiebung einen Beamten ermordete (das soll keine Rechtfertigung sein, sondern allenfalls ein mildernder Umstand).

Dieser türkisch-kurdische Konflikt schwappte auch nach Syrien über, wo es auch eine kurdische Minderheit gibt, die mit den türkischen Kurden sympathisiert und PKK-Aktionen in der Türkei, die man als Terroraktionen bezeichnen kann, unterstützt. Die türkischen Militäroffensiven in Syrien können auch als völkerrechtlich legitime Nacheile zur Bekämpfung von Aktionen, die als kurdischer Terror in der Türkei betrachtet werden können, gesehen werden.

Der Nahe Osten ist das, was er immer war: ein Pulverfass.

Aber die österreichischen Gesetze und die österreichische Judikatur gehen vielfach gleichsam davon aus, dass die Türkei ein homogener kurdenloser Nationalstaat sei, in den problemlos abgeschoben werden könne, ohne Lebensgefahr für den Betreffenden, was in Anbetracht des gewalttätig ausgetragenen türkisch-kurdischen Konflikts alles andere als plausibel ist.

Manche Judikatur in diesem Zusammenhang betrachtet ein Land als gefahrlos, wenn irgendwo darin eine Zone existiert, in der der Abgeschobene gefahrlos leben kann. Aber was ist, wenn der Abgeschobene nur in gefährlichen Gebieten Beziehungen hat, z.B. familiäre, z.B. Landbesitz, z.B. Arbeitsplatz ?

Und daher bin ich der Meinung, im Falle der Tat in Dornbirn liegt nicht - wie von Vielen behauptet - Behördenversagen vor, sondern ein Systemversagen.

Pixabay-Licence; Geralt https://pixabay.com/de/photos/system-netz-netzwerk-verbindung-2660914/

Systemversagen: jeder Knotenpunkt hat eine klitzekleine Mitschuld. In Österreich macht man wahrscheinlich deswegen Kinder wie Kurz und Gamon zu Kanzler und Spitzenkandidatin, weil sie so jung sind, dass sie mit diesem Systemversagen am wenigsten zu tun haben. Obwohl Kurz als ehemaliger Integrationsminister, der dieses Problem nie erwähnte, eigentlich eine ziemlich hohe Mitschuld hat, die die Medien nicht thematisieren.

Neben dem Widerspruch, der Gastarbeiter, die von selbst wieder gehen und den Gastarbeiterkindern, die man nicht abschieben kann, weil sie in Österreich geboren und aufenthaltsverfestigt sind, gibt es noch einen weiteren Widerspruch: die Neutralität hindert Österreich daran, z.B. zur Militärischen Sicherung einer Kurdenzone im Noridirak beizutragen, in die man Kurden wie den Betreffenden hätte abschieben können.

Aber um unsere klitzekleine Mitschuld leugnen zu können, schieben wir nach der "Sündenbock"-Methode die angebliche Alleinschuld auf den Betreffenden oder auf einen kleinen Beamten, der angeblich an Allem schuld sein soll.

CC z.g. William Holden Holt https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCndenbock#/media/File:William_Holman_Hunt_-_The_Scapegoat.jpg

Er war´s, der Sündenbock ! Lasst ihn uns steinigen, damit wir einen Scheinschuldigen zur Rechenschaft ziehen können, und über unsere eigene klitzekleine Mitschuld nicht reden müssen!

Die ganze Debatte rund um das angebliche Behördenversagen ist in Wirklichkeit eine Kramp-Karrenbauer´sche Phantomdebatte.

(Sündenbock, Scapegoat, William Holman Holt, 1854)

Meine Mitschuld an dem Systemversagen ist zweifach:

1.) Ich habe früher über die Frage ius sanguinis oder ius soli kaum nachgedacht: also über die Frage, ob man durch Geburt oder durch Abstammung Staatsbürger sein sollte. Erst in Anbetracht des Dornbirn-Mords bin ich zur Erkenntnis gekommen, dass am ius soli (also der Staatsbürgerschaft durch Geburt) doch mehr dran ist, als ich früher dachte.

2.) in dem kleinen Ort, in dem ich vor vielen Jahrzehnten als kleiner Bub lebte, gab es so eine Art Apartheid: da war einerseits die Einheimischen-Siedlungen, und andererseits die Gastarbeiter-Siedlungen. Ich als kleiner Bub dachte mir damals schon: "Das ist eigentlich seltsam, dass das so getrennt ist. Wo wird denn das hinführen ?"

Aber weiter habe ich darüber nicht nachgedacht ...

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Dieter Knoflach

Dieter Knoflach bewertete diesen Eintrag 08.03.2019 16:06:06

thurnhoferCC

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