Wir schreiben das Jahr 2049: die Weltbevölkerung hat, durch die medizinischen Fortschritte der letzten Jahrhunderte und durch die Erhöhung der verschiedensten Produktionen, wie Nahrungsmittelproduktion, die Zahl von 16.7 Milliarden erreicht, mehr als das Doppelte des jetzigen Bevölkerungsstands.

Allerdings mehren sich bei einer derart hohen Bevölkerung die Krisensymptome, und zwar in vielerlei Hinsicht:

1.) Kriege um knappe Ressourcen: um knappe Ressourcen wie Wasser, Rohöl, Landwirtschaftliche Flächen und gefragte Rohstoffvorkommen wie seltene Erden entbrennen regelmäßig heftige Kriege.

Diese Kriege sind zwar nicht zusammenhängend und umfassen keine globalen Bündnissysteme, aber die Zahl der getöteten Menschen (sowohl Zivilisten als auch Soldaten) überschreitet die Zahl der Getöteten der beiden Weltkriege. Zumindest sind es nicht offizielle Bündnisse; die Auflösung des klassischen Kriegsrechts führt dazu, dass keine Kriegserklärungen zum Einsatz kommen, keine regulären Armeen, sondern oft Privatarmeen, Söldner, Partisanen; es gibt immer wieder Hinweise, dass Regierungen, die behaupten, nicht an den Kriegen zur Versorgung ihrer Bevölkerung beteiligt zu sein, dies doch sind, was von den Regierungen allerdings allermeistens bestritten wird.

Große Regionen der gesamten Welt sind wegen der Kriegsgefahr vom internationalen Verkehrssystem ausgeschlossen und gelten als eine Art "verlorenes Gebiet", als No-Go-Area, als Region, in die man nicht geht, wenn man nicht bereit ist, sich einem hohen Risiko, getötet zu werden, aussetzen will.

2.) Epidemien und Pandemien: durch die Überbevölkerung der Welt können sich Neumutationen extrem schnell verbreiten, insbesondere in den Millionenstädten der Welt. Diese Seuchen, die in großer Zahl auftreten, haben in den allermeisten Teilen der Welt das aufgehoben, was früher als "bürgerliche", als "demokratische Freiheiten" galt. Auch zur Seuchenbekämpfung wurden weltweit totale Überwachungsstaaten geschaffen: kein Mensch darf mehr ohne Ortungssystem, das gleichzeitig Gesundheitswerte misst, unterwegs sein. Wer ohne derartiges System angetroffen wird, bzw. nach einer Fiebermeldung dieses Systems nicht sich in einer der Quarantäne-Zentren meldet, erhält je nach Land zwischen einem und fünf Jahren Haft. Diese Überwachungsssysteme waren oft Implantate, damit die Person gut geortet werden kann und das Ortungssystem nicht "vergessen" werden kann. Operative Entfernung des Überwachungsimplantats wurde in vielen Fällen mit Verlust der Staatsbürgerschaft geahndet. Wer sich diese Ü-App operativ entfernen liess, hatte oft gar keine andere Wahl, als in eine No-Go-Area (siehe Punkt 7) zu flüchten.

3.) Lebensmittelkrisen: mit Knapperwerdung der fossilen Rohstoffe und den daraus hergestellten Düngemitteln endete auch die überreiche Versorgung an Lebensmitteln. Um Hungersnöte zu vermeiden, greifen die Regierungen dieser Welt zu harten Maßnahmen: Lebensmittelrationierung, Zwangsdiäten für Übergewichtige, Recycling Gestorbener zu Lebensmitteln, das sogenannte "Soylent", das in Erinnerung an den Film "Soylent Green" mit grüner Lebensmittelfarbe versetztes Menschenfleisch und ähnliches ist.

4.) Euthanasie: die Sterbehilfe-Entscheidungen vieler früher Regierungen und Höchstgerichte wurden durch die Krisen der 20er, 30er und 40er Jahre des 21. Jahrhunderts insofern umfunktioniert, als man nun auch dann von "selbstbestimmtem Sterben" spricht, wenn alte, kranke oder unproduktive Leute durch Gruppendruck, durch gesellschaftlichen Zwang zum angeblich "selbstbestimmten Sterben" gedrängt wurden. Allerdings wurden die Kriterien dafür in vielen Ländern mehr oder weniger demokratisch beschlossen, um Mißbrauch zur Selbstjustiz zu verhindern.

5.) Gebäreinschränkungen: die Knappheitsphänomene führten auch in fast allen Ländern der Welt zur einer strengen Geburtenkontrolle. In vielen Ländern ist es verboten, mehr als zwei Kinder zu haben, in manchen Ländern herrscht auch eine Ein-Kind-Politik wie im China der 1990er Jahre. In manchen Ländern wurde auch als gelinderes Mittel im Vergleich zu Verboten Besteuerung zur Geburteneinschränkung vorgeschlagen und durchgesetzt, zum Beispiel: mit jedem Kind steigt der Einkommenssteuersatz um 10%. Manche Leute versuchen auch, Kinder zu verheimlichen, zu verschleiern und zu vertuschen, insbesondere im ländlichen Bereich, wo das wegen der etwas dünneren Besiedlung etwas leichter möglich ist. Viele Staaten sehen harte Strafen für "Kindervertuschung" zur Umgehung von Verboten oder zur Vermeidung von höher Besteuerung bei Kinderreichtum vor. Frühere Systeme wie beispielsweise Kinderbeihilfe wurden zur Gänze abgeschafft oder zumindest stark abgemildert, zum Beispiel in der Höhe um 90% verringert.

6.) Die Frage "Demokratie oder Diktatur?" spielt in der Welt um 2050 keine besondere Rolle mehr, weil in den sogenannten Demokratien wegen der zahlreichen Krisen und wegen des hohen Energie- und Rohstoff-Verbrauchs dort die demokratischen Freiheiten sukzessive beschnitten wurden, sodass sich die Demokratien der Welt den Diktaturen annäherten. Kurioserweise oder logischerweise hatte das den Vorteil, dass Weltorganisationen wie die UNO besser funktionierten, weil der Streit zwischen Demokratien und Diktaturen, was nun das bessere System sei und welche Werte Gültigkeit, insbesondere weltweite Gültigkeit hätten, keine Rolle mehr spielte oder zumindest eine geringe als in der Vor-Krisen-Zeit. Der Datenaustausch und die Zusammenarbeit auf globaler Ebene funktionierte wegen dieser Systemkonvergenz gut. Die Demokratie klassischen Zuschnitts war mit der Bewältigung dieser Mehrfachkrise vielfach überfordert (genauso wie sie mit der Krisenvorbeugung überfordert gewesen war), bzw. wurde von großen Teilen der Bevölkerung als überfordert betrachtet, und diese Politikverdrossenheit über das Demokratieversagen bereitete der Veränderung der Demokratien hin zu Halbdiktaturen den Weg. Interessanterweise war die Grundlage der Covid-19-Infektion, die zur weltweiten Pandemie wurde, ein Aspekt der Liberalität des chinesischen Systems: die Wildtiermärkte, in denen Wildtiere verkauft wurden, die Träger von Viren waren, gegen die die Mescnhen nicht immun waren.

7.) Staatenzerfall: in zahlreichen Staaten entwickeln sich durch diese mehrfachen Krisenphänomene No-Go-Areas, in denen der Staat sein Gewaltmonopol verliert und Desperados (vom spanischen Wort "desesperado", verzweifelt, hoffnungslos) oder Mafia de facto die Macht übernehmen, oft Leute, die zum Beispiel mit einer schweren Seuche infiziert sind und nichts mehr zu verlieren haben und wegen des kurzen Rests ihres Lebens sehr radikal und gewalttätig darin werden, diesen kurzen Rests ihres Lebens so angenehm und luxuriös wie möglich zu gestalten. Anfangs versuchten viele Polizeien, Armeen und Regierungen, diese No-Go-Areas unter Kontrolle zu bekommen, aber der Widerstand war zu stark, so dass nach einigen Jahren des Krieges zwischen offiziellem Staat und No-Go-Area sich de facto oft eine Art Normalität in den Beziehungen entwickelte und dass die beiden Regierungen dieser beiden De-Facto-Staaten mehr oder weniger offizielle und reguläre Beziehungen miteinander aufnahmen, um Fragen des Zusammenlebens zu regeln. Das funktionierte natürlich nicht immer, bei manchen strittigen Fragen, die beiden Seiten wichtig waren, flammten die Kriege aus der Entstehung der Desperado-Staaten wieder auf, ohne jedoch mit einem eindeutigen Sieg der einen oder anderen Partei zu enden. Oft begannen diese Desperado-Staaten mit Supermarkt-Plünderungen nach neuen Lebensmitteleinschränkungen oder mit Besetzung von Gastro- oder Hotelerie-Immobilien nach einer neuen Schliessung von Hotels oder Gastronomiebetrieben wegen Seuchengefahr.

Alle diese Veränderung gingen mehr oder weniger unwidersprochen vor sich, sowohl in den sogenannten Demokratien als auch in den sogenannten Diktaturen: schrittweise nahm die Menschheit Abstand von früheren Konzepten wie den Menschenrechten gemäß der New Yorker Deklaration.

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Je dichter die Menschen zusammenleben, umso strenger mussten die Regeln werden, um dieses Zusammenleben zu gewährleisten, auch wegen der zahlreichen damit einhergehenden Krisen: Lebensmittelknappheit, Rohstoffknappheit, Seuchenausbreitung, Kriminalität, Kriege.

All das führte auch zu einer Art neuem Biedermeier: die Häuser wurden schrittweise zu Burgen, abgesichert durch Alarmanlagen und Sicherheitssysteme wie Selbstschussanlagen. Das eigene Haus wurde zur Festung, in der eine Familie oder eine kleine Gruppe von vertraglich oft eng aneinander gebundenen Familien zu einer Art von Kleinstaat wurde, der sich immer stärker vom Rest der Welt abschottete.

Denn der Versuch, die Revolten von Teilen der Bevölkerung gegen die neuen krisenbedingten Einschränkungen unter Kontrolle zu bringen, endet oft in der Zerstörung großer Stadtteile, was - zynisch betrachtet - den Vorteil hatte, die Bevölkerung zu senken und damit auch die Nahrungsmittel-, Rohstoff-, Energie- und Seuchen-Krisengefahr.

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Zum neuen Song des Jahrzehnts wurde in den 2040er Jahren ein Oldie gewählt "End of the world as we know it", REM:

P.S.: unter "Dystopie" (wörtlich "Schlecht-Ort" ) versteht man das Gegenteil der "Utopie" (wörtlich "Gut-Ort" ). Eine Zukunftsvision, die die dunklen, unangenehmen Aspekte von möglichen Entwicklungen abzuschätzen versucht.

P.S.2: dies ist auch gemeint als Gegenbild zu Silvias Optimismus-Artikel in der heutigen Krone: Optimusmus führt allzuoft dazu, dass man zuwenig auf kommende Probleme vorbereitet ist, dass man zuviel vertraut, dass man vertrauensselig ist und vor lauter Optimismus und Zuversicht blind in die nächste Krise taumelt.

Siehe auch:

der Vergleich von Philadelphia und St. Louis bei der spansichen Grippe von 1918/1919. Philadelphia und seine Behörden machte praktisch nichts.

St. Louis machte dasselbe wie die meisten Regierungen heute, beginnend mit Schulschliessungen.

Die Kurve von St. Louis ist länger und flacher, selbst nach Aufhebung der drastischsten Maßnahmen ergibt sich ein Anstieg, der dennoch in der Höhe weniger hoch ist als in Philadelphia.

https://kontrast.at/coronavirus-massnahmen-2/

Und die Anzahl der momentanen Intensivpatienten ist eine Grenze, die ein Gesundheitssystem handhaben kann.

Hatchett / Mecher / Lipsitch https://kontrast.at/coronavirus-massnahmen-2/

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