Autoren behaupten immer wieder, das mit der Flüchtlingsproblematik habe 2015 begonnen.

Aber in Wirklichkeit begann der Syrienkrieg im Jahr 2011, und zahlreiche westliche Politiker, auch der jetzige Bundeskanzler Sebastian Kurz, waren daran mitbeteiligt, indem sie die syrischen Sunniten zum Bürgerkrieg gegen Staatschef Assad und seinen seit vielen Jahrzehnten herrschenden Familienclan aufstachelten.

Der damalige US-Präsident Obama sagte in Hinblick auf mutmaßliche Giftgaseinsätze durch die Assad-Truppen "Assad has crossed a red line", was man als Freibrief zum Sturz und als Versprechung von Unterstützung beim Assad-Sturz betrachten kann. Es gab sogar US-Vorbereitungen zu einem Sturz des Assad-Regimes, aber im letzten Moment überlegte Obama es sich anders, und stürzte doch nicht direkt.

Und damit vollzogen auch die Politiker der westlichen Welt einen Kurswechsel, weg von Aussagen, dass man die Zukunft Syriens ohne Assad gestalten müsse, hin zu einem Schweigen bzgl. Syrien.

Dass es eine Flüchtlingswelle aus Syrien geben könne, war allen Experten seit 2011 klar, nur keiner der Politiker und Politikerinnen traute sich, diese Wahrheit auszusprechen, und keiner der einfachen Bürger war intelligent genug, diese Wahrheit zu verstehen.

Und es gibt auch eine Verantwortung derer, die zum Krieg und zum Assad-Sturz aufstachelten, die Leute, die im Vertrauen auf westliche Unterstützung diesen Assad-Sturz dann tatsächlich versuchen, aufzunehmen.

Die "Wir schaffen das"-Politik von Merkel ist auch verstehbar als eine Position mit einem gewissen Anstand: "Wenn wir die sunnitischen Syrer schon zum Assad-Sturz aufstacheln und dieser dann scheitert, dann haben wir auch die Verantwortung, diese Leute aufzunehmen, wenn sie von Assad und Putin vertrieben werden".

Wenn die Rhetorik von westlichen Politikern in Bezug auf Assad eine andere gewesen wäre, dann hätte diese moralische Verpflichtung natürlich nicht bestanden.

Und damals zwischen 2011 und 2015 hat keine einzige österreichische Partei die sinngemäße "Assad muss weg"-Rhetorik kritisiert, IIRC. Und so gesehen sind natürlich alle österreichischen Parteien mitschuld an der Flüchtlingskrise, und auch alle einfachen Bürger und Bürgerinnen, wobei man bei den einfachen Bürgern und Bürgerinnen als Milderungsgrund gelten lassen kann, dass ihnen die Aussenpolitik viel zu kompliziert war, und dass sie mit anderen Dingen beschäftigt waren als mit Politik.

Zugunsten der Merkel-Entscheidung zur Grenzöffnung bzw. Grenznichtschliessung wird auch immer wieder die "Entlastung des Balkans" von Experten als Argument genannt. Die südosteuropäischen Länder wären mit der Flüchtlingswelle überfordert gewesen, und es bestand die Gefahr, dass die Flüchtlingswelle aus Syrien diese Länder destabilisiert, bis hin zu einem Wiederaufleben des Balkankriegs der 1990er Jahre. Die Aufnahmefähigkeit Deutschlands war einfach größer als die der Balkanländer.

(Bei der Betrachtung der Verbündeten Östereichs bzw. Wiens zu Zeiten der Zweiten Türkenbelagerung fällt auf, dass es eher die näheren Nachbarn waren, nicht alle Europäer: Polen, Litauen, Deutschland, Norditalien.

Nicht dabei: Skandinavien, Frankreich, Großbritannien, die iberische Halbinsel (mit Portugal und Spanien).

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