EU-Verlogenheit: durch punktuelles Waffenembargo von Waffenexporten ablenken

Bei der sogenannten Libyen-Konferenz haben sich verschiedene Staaten auf ein Waffenembargo bzgl Libyen "geeinigt".

https://www.vol.at/eu-aussenminister-beraten-ueber-waffenembargo-gegen-libyen/6521534

Allerdings hat die Sache einige sehr erhebliche "Schönheitsfehler":

1.) Dieses punktuelle Embargo ändert überhaupt nichts an der Tatsache, dass zahlreiche europäische Länder zu den größten Waffenexporteuren, zumindest gerechnet am Anteil am BIP zählen. Besonders hoch ist der Waffenexportanteil in der mit der EU praktisch-verbündeten Ukraine, die sich gerade in einem Krieg mit Russland wegen Krim und Ostukraine befindet und daher Geld zur Kriegsfinanzierung dringend braucht, vielleicht auch durch Embargobruch. Wenn man den Waffenexport-Anteil im BIP betrachtet, dann sind Belgien, Holland, Großbritannien, Frankreich und Italien größere Waffenexporteure als Deutschland.

2.) Derartige Waffenembargos sind praktisch immer löchrig und leicht zu umgehen, egal, ob mit UNO-Überwachung oder ohne. Und wirklichen hohen Aufwand zur Überwachung des Embargos und zur Verhinderung der eigenen Geschäfte will kein Staat betreiben. Daher schiebt man die Aufgabe vielleicht auch ab an die UNO, weil man weiß, dass sie damit überfordert und unterfinanziert ist.

3.) Es ist auch fraglich, ob und unter welchen Bedingungen solche Embargos moralisch und rechtfertigbar sind. Oft war es so, dass erst nach Kriegsausbruch, also nachdem der militärisch überlegene Angreifer seinen militärischen Vorteil ausspielte, ein Waffenembargo über beide Kriegsparteien verhängt wurde, wodurch das Opfer und der Verteidiger eben daran gehindert wurde, sich zu verteidigen.

So gesehen kann man diese Waffenembargos, die von der europäischen Lückenpresse überschwänglich gelobt und gefeiert wurden (auch als großer Erfolg des "europäischen Lebensstils" ), auch als Verstoss gegen das in der UNO-Charta (Artikel 51) verankerte Prinzip auf "kollektive und individuelle Selbstverteidigung" sehen, was es in vielen Fällen ja auch war. Oft wurden derartige Embargos verhängt und ein paar Jahre später wieder zurückgezogen oder bekämpft, mit dem Argument, dass sie dem Falschen, nämlich dem Aggressor, genutzt hätten.

https://orf.at/stories/3154548/

Besonders groß ist die Verlogenheit möglicherweise in Deutschland, wo sich Kanzlerin Merkel und Aussenminister Maas feiern lassen für eine Politik, von der in fünf oder zehn Jahren ihre Nachfolger vielleicht sagen werden, dass es die falscheste war, die man betreiben konnte.

https://www.tagesschau.de/ausland/libyen-waffenembargo-verstoss-103.html

4.) Eine Waffenruhe wie die derartige wird oft als "Repair and Refit"-Phase bezeichnet, eine Phase, in der die Armeen sich erholen können, ihre Waffen oder sonstiges Gerät reparieren können und sich auch über Schleichwege zur Embargoumgehung wiederbewaffnen oder Munitionsnachschub besorgen können, um wenig später umso schwungvoller wieder zuschlagen zu können.

5.) Ein Waffenembargo ist so gesehen eine Symptomkur, die oft den eigentlichen Konflikt unberührt lässt. Gerade die kriegerische islamische Kultur (bzw. die kriegerische Kultur der dominierenden Islaminterpretationen), die Libyen prägte und prägt, blieb auf dieser Konferenz völlig unberührt und unthematisiert.

6.) Töten kann man sich auch ohne Dinge, die offiziell als "Kriegswaffen" eingestuft werden, zum Beispiel durch Messer oder Macheten (das meistverwendete Mordwerkzeug im Völkermord in Ruanda in den 1990er Jahren war die Machete, die offiziell gar nicht als Waffe eingestuft war), mit bloßen Händen oder mit (Tier)Jagdgewehren, die nicht als Kriegsmaterial eingestuft sind.

7.) Nicht zu unterschätzen ist die eigene Waffenproduktion: Waffenembargos, die mit großem Klimbim verhängt werden, bewirken oft, dass kriegsführende Staaten ihre eigene Waffenproduktion aufziehen, um von den Embargos nicht betroffen zu werden. Derartige friedenspolitisch argumentierte Waffenembargos befördern also die autochtone Waffen- und Rüstungsindustrie.

CC / Dana60Cummins https://de.wikipedia.org/wiki/Machete#/media/Datei:Gerber_Machete.jpg

Machete (oben) und Tierjagdgewehr (unten): nicht als Kriegsmaterial eingestuft, trotzdem oder gerade deswegen bei Kriegsmaterial-Embargos besonders häufig in Kriegen und Völkermorden eingesetzt und gekauft bzw. verkauft.

CC / R. Kjeldsen https://de.wikipedia.org/wiki/Gewehr#/media/Datei:Hunting_rifle_02.png

Die Verlogenheit der Politik in der Frage der Waffenembargos passt auch sehr gut zum Buch des US-amerikanischen Politikwissenschafters J.J. Mearsheimer von der Universität Chicago mit dem Titel "Why Leaders lie - The Truth about Lying in International Politics" (wörtlich: "Warum politische Führer lügen - die Wahrheit über das Lügen in der internationalen Politik"; deutscher Titel: "Lüge - Vom Wert der Unwahrheit" ).

In der US-Universitätsszene gibt es wenigstens ein paar Realisten wie Mearsheimer, während in Europa und insbesondere im deutschsprachigen Raum eine extreme Verödung der Universitätsszene gerade auf dem Gebiet der Kriegsgeschichte besteht.

Als einen der Gründe, warum demokratische Politiker insbesondere in aussenpolitischen Fragen ihre Wähler und Wählerinnen so oft belügen, gab Mearsheimer an: "Weil es so leicht ist". Weil man einfache Bürger und Wähler so leicht belügen kann über internationale Zusammenhänge. Weil die Bürger und die Medien im Durchschnitt keine bzw. kaum eine Ahnung von internationaler Politik haben.

https://unric.org/de/charta/

Zitat: "Artikel 51

Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält."

Es stellt sich die Frage, ob Waffenembargos, die sich wiederholt als ungeeignete Mittel zur Wahrung des Friedens herausgestellt haben, als geeignete Mittel zur Wahrung des Friedens im Sinne der obigen Charta interpretiert werden können.

Außer freilich man interpretiert die UN-Charta so, dass das angeblich naturgegebene Recht zur Selbstverteidigung verfällt, wenn der UN-Sicherheitsrat ungeeignete Mittel, die aber nur aus Gründen der Weltbelügung "erforderlich" sind, zur Wahrung des Weltfriedens und der Sicherheit beschliesst, was im gegenständlichen Fall vielleicht der Fall war.

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