Handke kann sich als altem Provokateur* eines zugute halten: er ist der meistkritisierte, meistabgelehnte, meistgehasste Schriftsteller, der jemals den Literaturnobelpreis bekam (zumindest zum Zeitpunkt des Erhalts), und er hat unfreiwillig wohl mehr getan als jeder Andere, um den Kunstmissbrauch durch provokativen Kunstmissbrauch zu bekämpfen.
Insbesondere Handkes Propaganda für den früheren serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic, der in einer Gefängniszelle des Den Haager Kriegsverbrechertribunals starb und Handkes Tendenz, serbische Kriegsverbrechen in den jugoslawischen Kriegen der 1990er Jahre zu verharmlosen, zu relativieren und in Abrede zu stellen, hat zahlreiche seiner internationalen Schriftstellerkollegen zu den schärfsten Ablehnungen und Kritiken gebracht, die es jemals bei einem Literaturnobelpreisträger gab.
Salman Rushdie: "Handke ist ein Trottel". Andernorts: "Handke ist halb verrückt und halb zynisch".
PEN-Club America: "Wir sind sprachlos, dass das Nobelpreiskomitee einen Autor, nämlich Handke auszeichnete, der seine öffentliche Stimme dazu genutzt hat, geschichtliche Wahrheit zu unterwandern und Kriegsverbrechern wie Slobodan Milosevic und Radovan Karadzic Beistand geleistet hat" (Der PEN-Club ist die in vielen Ländern wichtigste Schriftsteller und -innen-Vereinigung)
Sasa Stanisic: Handke ist ein Autor, der "gegen geschichtliche Tatsachen des Genozids anschreibt, und dem dafür schöne Sprache attestiert wird"
Joyce Carol Oates über Handke: "Woher kommt diese Sympathie für Schlächter und nicht für Opfer? Normalerweise sind Schriftsteller instinktiv auf der Seite der Unterdrückten und Hilflosen."
(Auch dieses Zitat ist interessant. weil sie als Frau offen zugibt, dass da noch irgendwas ist, was sie nicht versteht, nämlich das Motiv. Als Nichtösterreicherin kann sie das Motiv allerdings auch schwer verstehen)
Alain Finkielkraut: "Handke ist ein ideologisches Monster"
Jonathan Littell: "Handke ist ein Arsch"
Insbesondere die Einschätzung von Salman Rushdie, Handke sei "halb verrückt und halb zynisch" erscheint mir interessant und treffend, auch wenn Rushdie mangels Kenntnissen des spezifischen österreichischen Hintergrunds, dass Handke so werden konnte, wie er ist, natürlich nicht wissen konnte, warum, weil Rushdie kein Österreich-Spezialist ist.
Der zynische Aspekt könnte der rein kommerzielle sein: man kann annehmen, dass die Verkaufszahlen von Handke-Büchern in Serbien durch seine proserbische Position in die Höhe geschnellt sind, und man kann annehmen, dass Handke das vorhergesehen hat und dass die Erhöhung der Verkaufszahlen in Serbien eines der Hauptmotive von Handke war.
Ich möchte der Wiener Zeitung ein ganz spezielles Dankeschön aussprechen, dafür dass sie so explizit wie wohl keine andere österreichische Zeitung die internationale Kritik an Handke auf den Punkt gebracht hat.
Gelobt wurde Handke einzig und alleine von Elfriede Jelinek, was irgendwie erwartbar war, weil beide genauso wie Milosevic Kommunisten sind bzw. waren. Und früher hat ihn auch Peter Turrini verteidigt und gelobt, aber ob er das auch diesmal tat oder tut, entzieht sich meiner momentanen Kenntnis.
Eine wichtige Rolle bei der Diskussion rund um Handke spielt auch die Frage, ob man Kunst und Ideologie, Kunst und Politik überhaupt trennen kann, speziell in diesem Fall.
Genausowenig, wie man von einem KZ-Opfer erwarten kann, den Filmen der Hitler-Filmemacherin Leni Riefenstahl ästhetische Aspekte abzugewinnen, genauso wenig kann man von einem bosnischen Moslem oder einem Kroaten, der in den Jugoslawienkriegen Familienmitglieder verlor, vielleicht sogar durch Kriegsverbrechen, erwarten, der Sprache Handkes und ihrer Milosevic- und Tschetnik-Verharmlosung positive Aspekte abgewinnen zu können.
Vielleicht ist auch die internationale Kritik an Handke deswegen schärfer, weil Handkes Sprache in Übersetzungen an Zugkraft verliert und nur der oft obszöne und widerliche Inhalt die Übersetzung überlebt.
Weitere Punkte, die interessant sind an Handke und seiner "Serbien-Position", falls man sie überhaupt als solche bezeichnen kann:
1.) die wirklichen mildernden Umstände, die man für serbische Taten unter Umständen ins Treffen führen könnte, die erwähnt er gar nicht, einfach deswegen, weil er von der Wirklichkeit keine Ahnung hat und sich als völlig freischwebender Autor, der es gewohnt ist, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen, nach dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip "Ich mache mir die Welt, widiwidiwie sie mir gefällt." agiert. Daher bleibt sein Buchtitel "Gerchtigkeit für Serbien" reiner Buchtitel ohne Inhalt und ohne faktische Ausführung. Wenn es um sachliche Aspekte geht, neigt Handke dazu, ins Schimpfen abzugleiten, genausoso wie er auf die "europäischen Werte" angesprochen, mit "Arschlöcher reagierte.
Aber in dem Interview gibt es auch einen Moment der Ehrlichkeit, nämlich den, in dem er sagt: "Ich bin nicht auf dem Laufenden". Aber selbst wenn er auf dem Laufenden wäre, käme wahrscheinlich keine wesentlich andere Rhetorik heraus. Auch hier wieder: wo man von einem ernstzunehmenden Intellektuellen eine ernstzunehmende Antwort erwarten würde, kommt bei Handke immer nur ein pseudo-poetisches Ablenkungsmanöver. "Alle tiefen Werte der Menschheit sind überall". Auch Handkes Bemerkung über Napoleon möchte ich nicht unwidersprochen lassen: Napoleon - bei allen Fehlern und Übertreibungen - zeigte wenigstens, dass die Herrschaft der europäischen Königsdynastien nicht ewig und unveränderlich ist und das war ein wesentlicher Faktor für die Verbreitung der Demokratie. Außerdem war auch der Code Napoleon ein juristischer Klassiker ähnlich wie das Römische Recht. Wie Handke zu behaupten, Napoleon sei nur so eine Art vorteilsloser Despot gewesen, ist eine Verkennung der Wahrheit und der Geschichte, wie sie für Handke typisch ist, aber wie ein angeblicher Intellektueller sie sich eigentlich selbst verbieten sollte. Und Handke hätte auch Hegels Zitat über Napoleon kennen und zitieren können oder müssen, das besagt, Napoleon sei ein Instrument der List der Geschichte gewesen, aber dazu war er zuwenig Historiker und Philosoph. Und ob ein angeblicher oder wirklicher Poet, der zuwenig Historiker ist und zuwenig Politikwissenschafter, sich zu politischen und historischen Prozessen äußern sollte, ist fraglich. Handke machte aus Napoleons Krieg gegen die europäischen Monarchien und Königshäuser einen Krieg gegen die europäischen Völker. Es ist sehr zweifelhaft, ob Napoleon sowohl aus Frankreich heraus als auch aus anderen europäischen Ländern heraus genug Unterstützung gehabt hätte, wenn es gesamteuropäische Revolutionen gegeben hätte. Aber offensichtlich um die europäischen Werte zu diskreditieren, unterschlägt er, dass Napoleon Unterstützung von anti-monarchistischen Kräften in allen europäischen Ländern hatte.
2.) Handkes durchgeknalltes Antifaschismus-Zerrbild könnte ihn ins Gravitationsfeld der Milosevic-Propaganda gebracht haben, die mit genau dieser propagandistischen Methode, alle anderen als "Faschisten" zu bezeichnen, jede Art der Grausamkeit gegen angebliche Faschisten "rechtfertigte". Was bei Handke als "Sprachkritik" gepriesen wird, ist keine allgemeine Sprachkritik, sondern nur eine Kritik an Milosevic-kritischer Sprache und eines der wesentlichen Motive dürfte sein, dass beide, Handke und Milosevic Linksextremisten sind bzw. waren. Die Ablehnung des Westens (vielleicht Deutschlands und Österreichs im Besonderen), der USA und der EU und der europäischen Werte und eine schräge Form von Antiamerikanismus und Antikapitalismus hat Handke offensichtlich nach der verrückten Logik "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" zu einer Solidarisierung mit Milosevic und den serbischen Kriegsverbrechern geführt. Mag eine solche Realpolitik für Politiker manchmal nötig sein, so ist sie dennoch auf dem Feld der Kunst oder der sogenannten "Kunst" nur noch verabscheuungswürdig und sonst gar nichts. Für die "Trottel"-These spräche auch die These, Handke wäre von der Idealisierung des "antifaschistischen" Jugoslawien nicht losgekommen. Für Handke als Kind einer reinen Arbeiterfamilie spielte Jugoslawien als das Land der angeblichen Arbeiterselbstverwaltung immer eine hohe Rolle. Dass dieses System in den 1980er Jahren in eine schwere Wirtschafts-Krise, die zu den kommenden Kriegen beitrug, driftete, schien Handke geleugnet zu haben, und um seinen Glauben an seine Herkunft und sein Milieu nicht zu verlieren, scheint er Jugoslawien idealisiert zu haben, über das Maß des Vertretbaren hinaus. AUch die übertriebene Ablehnung der eigenen Heimat, für die Handke lange nur die Bezeichnung "Herkunftsort" aufbringen konnte, und die übertriebene Glorifizierung der jugoslwischen bzw. serbischen Alternative gehen bei Handke Hand in Hand. Wenn von Verschiedenen Handkes angebliche Sprachkritik und Propagandakritik gelobt wird, so wird übersehen, dass Handke die serbische, jugoslawische und Milosevic-Propaganda nie kritisierte, obwohl er sprachlich dazu in der Lage gewesen wäre. Seine Praxis ist daher eine extrem selektive und einseitige Sprachkritik, die keineswegs als allgemeine mißdeutet werden sollte. Hier dazu ein älteres Handke-Interview, indem der politische Mensch Handke zum Vorschein kommt, der im Widerspruch zu dem angeblich reinen Poeten und Sprachkritiker steht, als den Literaturkritiker, Germanisten und -innen und die Literaturwissenschafter ihn uns verkaufen wollen:
CC / Wild + Team Agentur - UNI Salzburg https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Handke#/media/Datei:Peter-handke.jpg
"Zwei mal drei macht vier, widiwidiwitt, und drei macht neune, ich mache mir die Welt, widiwidiwie sie mir gefällt."
"Hey, Pippi Langstrumpf, die macht, was ihr gefällt"
Besser könnte man das Peter-Handke-Prinzip nicht beschreiben. Genau diese totale Freiheit, die Wirklichkeit leugnen zu können, kann man je nach Sicht entweder als Narrenfreiheit oder als Künstlerfreiheit oder als beides betrachten. In der Phantasie, der Leugnung der Welt und der Realitäten besteht auch der Zusammenhang zwischen Linksextremismus und Kunst. Und Österreich als Land des Austromarxismus mit der traditionell am weitesten links stehenden Sozialdemokratie, die auch aus parteitaktischen Gründen linksextreme Kunst insbesondere in Österreich förderte, ist möglicherweise auch das Land mit der weltweit linksextremsten Künstlerszene.
Wir Österreicher sollten endlich aufhören, unsere sogenannten Künstler als unkritisierbare Götter zu betrachten, denn dann besteht die Gefahr, dass sie diese Macht, jede Propaganda, und sei sie noch so verrückt, machen zu dürfen, mißbrauchen und diese verrückte Propaganda tatsächlich machen.
Und dann besteht die Gefahr, dass wir Österreicher und -innen uns international völlig lächerlich machen, weil wir eine Kritik nicht üben, die international üblich ist.
"Macht tendiert dazu, zu korrumpieren, und absolute Macht tendiert dazu, absolut zu korrumpieren"
In Österreich ist die Kunst zusammen mit dem Skisport eine Art Kompensation für untergegangene Bedeutung und die untergegangene K.u.K.-Monarchie.
Künstler und Skisportler sind in Österreich diejenigen zwei Personengruppen, die am nächsten am Gott-Status und an der Unkritisierbarkeit sind. Und diese Unkritisierbakreit ist auch eine Art Macht, und diese Macht kann mißbraucht werden.
Der Kindesmißbrauchsskandal durch den "Künstler" Otto Muehl, der durch das Künstler-Star-Pathos zu so einer Art Sektenführer und totalitärem Herrscher wurde, ist ein ähnlicher Fall des österreichischen Kunstmissbrauchs.
*) Bezieht sich insbesondere auf die "Publikumsbeschimpfung".
P.S.: der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sagte einmal: "In deutschsprachigen Landen neigt man dazu, trübe Wasser automatisch für tief zu halten". Und das könnte auch für Handke in besonderem Maße zutreffen. Reich-Ranicki fehlt mir allgemein sehr: die Art und Weise wie er Bücher von Elfriede Jelinek als letztklassig bezeichnete, obwohl österreichische Verleger ihm ständig in den Ohren lagen, wie wichtig ihre Bücher für die Steiermark seien, war großartig. Und dasselbe gilt jetzt auch hier wieder bei Handke und Kärnten und Griffen. Handke-Bücher und Handke-Positionen können Schrott sein, auch wenn sie aus Österreich kommen. AUch Reich-Ranickis Methode, politische Autoren daran zu messen, ob sie ihre politischen Ziele erreichen, und oft zum Schluss zu kommen, ihre Bücher seien solcher Schrott, dass sie niemanden politisch bekehren, fand ich großartig. Sein Tod hinterleiss eine Riesenlücke.
P.P.S.: es geht bei Handke natürlich nicht nur um Kriegsverbrechenverharmlosung, sondern auch potenziell um eine Mitschuld an Kriegen. Sein Buch "Gerechtigkeit für Serbien", das 1996 erschienen war, bestärkte viele Serben im Glauben, im Recht zu sein, und dass der Westen sich verbrecherisch gegen Serbien verschworen habe, was einer der Gründe für den nächsten Krieg, den Kosovokrieg 1999 war. Ob diese Wegbereiterschaft Handkes ind en nächsten Krieg, den Kosovokrieg absichtlich-wissentlich oder aus Dummheit erfolgte, bleibt offen, aber ich schätze eher, es war Dummheit und Trottelei, wie Salman Rushdie das nannte.
Die extrem scharfe Kritik, die Handke entgegenschlägt, auch z.B. aus Albanien und Bosnien, zeigt, dass die Serbientexte von Handke keineswegs Friedens- und Versöhnungstexte sind, wie der Handke-Freund-Turrini behauptete, sondern Kriegstexte.
P.S.3: ich habe in manchen Browser-Konstellationen extreme Probleme, FUF-Texte zu editieren und kleine Korrekturen oder Ergänzungen vorzunehmen. Manche Software liefern Malware-Alarme.
Vielleicht wurde ich Opfer einer Hacker-Attacke wegen meiner kritischen Texte.
P.S.4: auch ziemlich absurd: die Berichterstattung österreichischer Medien zum Thema Handke und Nobelpreis:
"Literaturkritiker" der SPÖ-nahen Tageszeitung "Österreich", die in gewaltenteilungswidriger Weise gleichzeitig im Stab des Wiener SPÖ-Bürgermeisters arbeiten, preisen Handke mit Erscheinungsmetaphern, so als wäre er eine Art Marienerscheinung, eine Art Gott, und gemeinsam mit Jelinek und Turrini Teil der österreichischen Literaten-Dreifaltigkeit, die man nicht kritisieren darf, weil diese Kritik eine Herabwürdigung religiöser Leeren, pardon, Lehren wäre (laut Strafgesetzbuch §188).