Facebook wegen Hasspostings gegen Ex-Grünen-Chefin Glawischnig verurteilt

Wie FUF-User wissen, sind die "sozialen Netze", die in Wirklichkeit oft "asoziale Netze" sind, vielfach ein Hort der Lüge, der üblen Nachrede, der Hassrede, der Beleidigung, des Rassismus und der Verhetzung, und das oft genug unter dem Schutz eines praktisch unrückverfolgbaren Pseudonyms.

Ein Gegengewicht dazu bildete nun ein Urteil des obstersten Gerichtshofs in der Sache "Glawischnig gegen Facebook", das der ehemaligen Grünen-Sprecherin recht gab und ihr Schadenersatz in Höhe 4000 Euro für Facebook-Postings, die sie als "Volksverräterin", "korrupten Trampel", etc. bezeichneten, zusprach.

Des weiteren muss Facebook nun Daten über die User/Poster bekannt geben.

Und das Urteil auf seiner Startseite veröffentlichen.

Des weiteren wurde Facebook verpflichtet, alle "sinngleichen" Postings weltweit zu löschen.

Ein weiterer Nachteil dieses Urteil ist, dass es sich vordergründig nur um Lügen bzw. Hassreden dreht, die lebende Einzel-Personen zum Gegenstand haben und daher von diesen lebenden Personen geklagt werden können.

Gegen viele andere Formen der Lügen bzw. Hassreden im Internet, z.B., die Kollektive betreffen, die Tote betreffen, liefert dieses Urteil keine direkte Handhabe.

Ob diese Löschungsverpflichtung überhaupt möglich ist (und das ist wohl der einzige potenziell kritikwürdige Punkt des Urteils), hängt wohl auch davon ab, wie man "Sinngleichheit" definiert.

Ob nun ein Posting der Form "E.G. ist ein korrupter Trampel" sinngleich oder sinnähnlich ist wie ein Posting "Eva Glawischnig ist ein korrupter Trampel", und ähnliche Fragen werden sicher noch weitere Prozesse zu klären haben.

Das wird vielfach auch vom Kontext abhängen.

Auch ob es eine Ausweichbewegung geben wird hin zu z.B. "Glawischnig ist ein potenziell korrupter Trampel" oder zu "Glawischnig zeigt Tendenzen dazu, ein korrupter Trampel zu sein" oder zu "So mancher stuft Glawischnig als korrupten Trampel ein", oder ähnlichem, wird man vielleicht sehen.

Ebenso, ob diese Äußerungen dann als sinngleich und löschungswürdig eingestuft werden.

Auf jeden Fall ist dem Gericht recht zu geben, dass Lügen und Hassrede im Internet ein ernsthaftes Problem sind.

Auch die These, dass derartige Lügen und derartige Hassrede im Internet legitimer Frustabbau oder "milieubedingte Unmutsäußerung" sei, ist nicht wirklich tragbar, auch wegen der Reichweite des Internets, und weil man oft den Eindruck hat, es handle sich hier eben nicht um verständlichen momentanen Frust, sondern um gezielte dauerhafte Strategie.

Und diese Urteile (das Künast-Urteil in Deutschland passt dazu) stehen in einem gewissen Spannungsverhältnis zu einem früheren EuGH-Urteile, das festlegte, dass Facebook kein Mehraufwand, bzw. kein großer Mehraufwand bei der Prüfung entstehen dürfe.

Generell wäre es vielleicht besser, klare Grenzen zu ziehen und unmoderierte Foren generell zu verbieten, was aber in einem gewissen Widerspruch zur glorifizierten "Freiheit" bzw. deren Exzess in unserer Kultur darstellt.

Auch die Abschwächung der Anonymität im Internet durch dieses Urteil ist zu begrüßen, auch wenn es sich nicht um eine Klarnamenspflicht handelt.

https://www.derstandard.at/story/2000132131748/hasspostings-gegen-glawischnig-facebook-muss-urteil-weltweit-auf-startseite-veroeffentlichen

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Bösmenschen

Bösmenschen bewertete diesen Eintrag 04.02.2022 15:20:46

Aron Sperber

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