Kanzler Kurz schlug vor, angeblich aus Kostengründen die Anzahl der EU-Kommissare und -innen reduzieren zu wollen, und eine "faire Rotation" einführen zu wollen.
Ich halte nicht unbedingt viel vom Sparen auf höchster Ebene, weil damit auch ein Pluralitätsverlust verbunden sein kann.
Die Gehälter für die EU-Kommissare machen nur einen verschwindenden Anteil der gesamten EU-Ausgaben aus.
Bei der Auswahl der Kommissare und -innen sollten auch Kriterien der Qualität eine Rolle spielen.
Und es gibt natürlich Einarbeitungsphasen, die manchmal sehr lang sein können. Schnelle Rotation läuft daher Gefahr, Einarbeitung und damit gutes Arbeiten zu verhindern.
Und es stellt sich natürlich die Frage, nach welchen Kriterien rotiert werden soll. Sind es nationale Kriterien, sind es Parteienkritierien, sind es berufliche Kriterien, die die Grundlage und den Hauptaspekt der Rotation bilden sollen ?
Es gibt Amtszeitbegrenzungen, die ich befürworte, beispielsweise beim US-Präsidenten, beim österreichischen Bundespräsidenten.
Wenn man davon ausgeht, dass Amtszeitbegrenzungen hauptsächlich dazu dienen, Machtkonzentrationen zu verhindern, dann schiene es eher angebracht, eine Amtszeitbegrenzung beim EU-Kommissionspräsidenten einzuführen (und weniger bei den Kommissaren).
Und da in der Vergangenheit eher eine Dominanz des Westens beim EU-Kommissionspräsidenten festzustellen war, scheint eher hier ein Rotationsprinzip angebracht.
Es kann ja auch passieren, dass langfristig die EVP stimmenstärkste Partei bleibt und damit automatisch einen Anspruch auf den Kommissionspräsidenten hat, und eine starke mediale Präsenz, während die anderen Kommissare und -innen so schnell rotiert werden, dass sie keine vergleichbare Möglichkeit haben, Bekanntheit aufzubauen.
Zusätzlich stellt sich die Geschlechterfrage: bisher waren immer Männer Kommissionspräsidenten.
Auch bei Wahlen (in Einerwahlkreissystemen) scheinen vielfach Männer im Vorteil zu sein, Frauen im Nachteil. Vielleicht aber deswegen, weil Männer konfliktorientierter sind und Konfliktorientierung medientaktisch erfolgreicher, hingegen Frauen konsensorientierter, was medienstrategisch ein Nachteil sein kann.
Wenn der männliche Kommissionspräsident nicht rotiert wird, aber die weiblichen Kommissarinnen schon, dann kann das den Eindruck vermitteln, die Frauen würden rausrotiert, weil sie schlechter seien.
Auch was die Frage "Strassburg oder Brüssel ?" als Tagungsort des EU-Parlaments betrifft, so stellt sich die Frage, ob das nicht sehr konservativ ist, und ob man nicht eine weitergehende Rotation auch hier vornehmen sollte, beispielsweise nach Prag: Prag ist mitteleuropäisch, und es würde mit einer Verlegung nach Prag der Tatsache Rechnung getragen, dass sich der Schwerpunkt der EU durch verschiedene Osterweiterungen nach Osten verlagert hat.