Ein FUF-Blogger behauptet (ohne Links übrigens!, vielleicht damit niemand seine Fehlinterpretationen schnell überprüfen kann), der Standard habe behauptet, eine Princeton-Studie habe bewiesen, dass die Sozialleistungen ausschlaggebend seien für Flüchtlingsströme.
In Wirklichkeit hat dieser Standard-Artikel (im Gegensatz zum FUF-Blogger verlinke ich ihn:
diese Studie nicht kritiklos zitiert, sondern auf ihre zahlreichen Schwächen aufmerksam gemacht:
.) wenn Sozialleistungen wirklich ausschlaggebend und der Hauptfaktor wären, dann müsste die Flüchtlingsbewegung eigentlich schon viel früher eingesetzt haben, weil die Sozialleistungen schon viel früher diese oder eine ähnliche Höhe hatten.
.) es wurden gleichzeitig mit den Sozialleistungskürzungen zahlreiche andere Gesetzesänderungen gemacht, zum Beispiel Änderungen im Aufenthaltsrecht.
.) der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang könnte andersrum sein: nicht die Sozialleistungskürzungen verursachen Flüchtlingswellenbeendigung, sondern eine Flüchtlingswellenspitze verursacht einen Rechtsruck, der Sozialleistungen kürzt.
.) nachdem alle Emigrationswilligen eines Landes emigriert sind, können keine mehr emigrieren, egal wie verlockend die Sozialleistungen im Zielland sind.
Dies gilt insbesondere für ethnische Säuberungen: nachdem alle oder fast alle syrischen Sunniten Syrien verlassen hatten, bzw. aus Syrien vertrieben wurden, konnten keine weiteren syrischen Sunniten mehr flüchten bzw. vertrieben werden, egal, wie attraktiv das Sozialsystem des potenziellen Ziellands ist.
.) ein wesentlicher Pull-Faktor sind die Qualität und die Kosten von Schulen und Universitäten, nicht die Sozialleistungen im engeren Sinne.
Hier ein Zitat aus dem Standard-Artikel (der FUF-Blogger bringt übrigens kein einziges Zitat aus dem Standard-Artikel, obwohl er nach so einer Art "Wenn sogar der Standard es unterstützt, dann muss es ja stimmen"-Logik argumentiert):
´Einwände kommen auch von Thomas Liebig, Migrationsexperte der Industriestaatenorganisation OECD. Er verweist darauf, dass die erwähnten Kürzungen bei der Sozialhilfe in Dänemark parallel zu einer Reihe anderer Regeländerungen stattgefunden haben. 2015 wurde das Aufenthaltsrecht verschärft, Dänemark erkennt Flüchtlinge seither nur noch für begrenzte Zeit an. Die Regeln für Familienzusammenführung seien verschärft worden. Auch 2002 ging eine Kürzung der Sozialhilfe mit weiteren solchen Verschärfungen einher: Dieser Faktor werde in der Studie aber nicht berücksichtigt. "Was der reine Effekt der Kürzung der Sozialhilfe ist, lässt sich damit nicht sauber feststellen", so Liebig. Die Wiener Migrationsforscherin Judith Kohlenberger sieht das ähnlich: "Monokausale Erklärungen, das zeigen inzwischen viele Studien, greifen immer zu kurz." ´
Hier die Originalstudie, die im Standard kritisiert, nicht gelobt wurde, bzw. kritiklos zitiert wurde, wie der FUF-Blogger behauptet:
Die Überschrift lautet übrigens "The Welfare-Magnet-Hypothesis", die Wohlfahrtsmegnet-Hypothese. Die Studie untersucht also eine Theorie, und behauptet keinen Beweis, wie der FUF-Blogger behauptet.
Hier der Blog:
der unter den meistgelesenen und meist geliketen ist.
Der einzige Satz in diesem Blog, der stimmen dürfte, ist: "Bislang haben wissenschaftliche Untersuchungen nur einen schwachen Effekt von Sozialtransfers auf die Bereitschaft zuzuwandern nachgewiesen."
Allerdings verschweigt der Blog, dass es auch so bleibt: jeder Zuwanderer ist ja in irgendeinem anderen Land der Auswanderer, und schlechte Zustände dort wie Kriege oder ethnische Säuberungen oder Hungersnöte und Dürren oder hohe Arbeitslosigkeit oder diktatorische Regime sind die Push-Faktoren im Herkunftsland, denen die zahlreichen Pullfaktoren im Zielland (Frieden, Stabilität, Arbeitsplatzchancen, Lohnniveau, Sozialleistungen, Schulsystemqualität, etc.) gegenüberstehen. Die Kombination dieser multifaktoriellen Pull- und Push-Faktoren in Summe macht dann Wanderungsbewegungen aus.
Einer der wesentlichen Pull-Faktoren ist auch regionale und sprachliche Kompatibilität: genau deswegen sind viele Syrienkreigsflüchtlinge in die Türkei oder in den Libanon geflohen, also in Länder, die von Glaubensbrüdern dominiert werden.
AUch ein Effekt, der in der erwähnten Studie völlig fehlt.
Migrationen auf einen einzigen Faktor zu reduzieren, nämlich die Sozialleistungen, so wie der Blogger das macht, ist Unsinn.
Diese "schrecklichen Vereinfachungen" ("terriblen Simplifikationen", wie Kreisky das nannte), führen auch oft zu den falschen "Lösungen".
Und sie lassen andere Ansätze als falsch erscheinen, zum Beispiel die Fluchtursachen in den herkunftsländern zu bekämpfen.
Wenn der Blogger behauptet, die Sozialleistungen seien der einzige Faktor bei Flüchtlingswellen, dann will er wohl damit auch zum Ausdruck bringen, dass man die Entwicklungshilfe einstellen soll und ausländische Diktatoren und Völkermörder nicht bekämpfen soll, weil ja laut Blogger einzig und alleine das Sozialsystem ausschlaggebend sei. Dahinter steckt möglicherweise eine massiv rassistische Einstellung, denn Völkermörder gewähren zu lassen und zu verhindern, dass Leute vor Völkermördern flüchten, mit dem Argument, dass einzig und alleine das Sozialsystem ausschlaggebend sei, führt ja dazu, dass Völkermörder mehr Opfer bekommen.
Im Übrigen sollte man sich über den Blogger nicht wundern, für ihn ist fast jeder Andersdenkende ein "Sozialschmarotzer", auch dann, wenn dieser gar keine Sozialleistungen bezieht.