In Bezug auf die Tötung des als "Terror-General" bezeichneten iranischen Militärs Ghassem Soleimani sprach ein Völkerrechtler in einem Standard-Interview von "höchst problematisch" und so.
Das ganze Interview erscheint mir in vielen Punkten sehr zweifelhaft.
Erst einmal ist der Vergleich mit dem Nicaragua-Fall von 1984/1986 insofern hinkend, als es sich damals um eine viel größere Sache handelte als um die Tötung einer einzelnen Person, nämlich um die Unterstützung des Contra-Krieges, die Verminung von nicaraguanischen Häfen, etc., also um eine viel weitergehende Aktion.
Auch die Sache mit der "Unmittelbarkeit" ist nicht überzeugend.
In manchen völkerrechtlichen Aspekten ist das Unmittelbarkeits-Kriterium durchaus vertretbar, beispielsweise bei der Forderung von Reparationen.
Aber gerade bei langanhaltenden militärisch-politischen Konflikten (und die USA und der Iran befinden sich seit 1979 in einem solchen) ist das Unmittelbarkeitskriterium nicht nur nicht zielführend, sondern kann sogar kontraproduktiv sein.
Friedensverhandlungen und Ähnliches erfordern nämlich viel Zeit; und die Aussetzung einer unmittelbaren Reaktion, um Friedenverhandlungen abzuwickeln, ist prinzipiell ein positiver diplomatischer Akt.
Das Wiener Atomabkommen von 2014, das auch von den USA getragen war, war prinzipiell ein solcher Versuch, auf diplomatischem Wege zu einem Modus vivendi mit dem Iran zu kommen. Allerdings haben sich die mit diesem Abkommen verbundenen Hoffnungen, der Iran würde Assad mäßigen und zu einer konstruktiven, langfristig friedensorientierten Lösung beitragen, nicht erfüllt.
Weder hat der Iran den schiitischen Glaubens- und Waffenbruder Assad davon abgehalten, syrische Sunniten zu enteignen oder/und zu vertreiben noch hat der Iran Assad öffentlich dafür kritisiert, syrische Sunniten zu enteignen bzw. zu vertreiben. (Zumindest ist mir keine öffentliche Kritik einer bedeutenden politischen Persönlichkeit des Iran an Assad deswegen bekannt).
Und auch wenn ein derartiges Verhalten des Iran nicht explizit im Vertrag enthalten war, so war dennoch klar, dass genau das ähnlich der clausula-rebus-sic-stantibus eine implizite Vertragsgrundlage des Wiener Atomabkommens war.
Und eben wegen der sehr langfristigen Sache der Überprüfung der Glaubwürdigkeit und der Worttreue eines Staates müssen meiner Meinung auch sehr langfristige militärische Schläge, die nur deswegen nicht unmittelbar stattfanden, um Friedenverhandlungen eine Chance zu geben, möglich sein.
Alles andere wäre eine Ermutigung für Schurkenstaaten weltweit, Scheinverhandlungen zu führen, wäre eine Ermutigung für Schurkenstaaten, zu lügen und zu betrügen, weil man damit einer unmittelbaren Reaktion und damit jeder Reaktion entgehen kann.
Das mag nun auch eine Beziehung zur islamischen Taqqiya haben, aber alles in Allem halte ich eigentlich nichts davon.