"Journalisten sind Gfraster!" meinte der "Dokterdokter" Günther Nenning, inzwischen verstorbener Doyen des österreichischen Journalismus einmal.

(Für unsere bundesdeutschen oder auch Schweizer LeserInnen: ein "Gfrast" ist im Wiener Dialekt ein "Schlimmes Kind" ).

Wie zum Beweis dieser Nenning-These, dass Journalisten schlimme Kinder seien, veröffentlichte die Wiener Stadtzeitung "Der Falter" in gewohnt anti-militaristischem und anti-faschistischem Extremismus ein Video und eine Story, das ehemalige österreichische UNO-Soldaten in Todesgefahr bringt. Der Fall ist so krass, dass sich die Frage stellt, ob nicht das Medienrecht verschärft werden muss.

Das Video zeigt eine Sequenz auf dem Jahr 2012, in der laut Medienberichten syrische Geheimdienstmitarbeiter von Rebellen bzw. Schmugglern erschossen werden, nachdem sie auf den Golan-Höhen einen Checkpoint mit österreichischen UNO-Blauhelmen passiert haben.

Da es sich um eine militärische Angelegenheit handelt und das Zivilrecht in vielen derartigen Fragen Nachrang hat, hätte der Falter vielleicht gar nicht berichten dürfen. Es gibt ein eigenes Militärstrafgesetz.

In übelster Verhetzungjournalismus- und Vorverurteilung-Manier schreibt der vielleicht militärisch völlig ahnungslose "Falter", bzw. Florian Klenk von einem "Verbrechen", von einem "Massaker", von "Mord am Golan", bevor überhaupt Details feststehen:

Hatten die österreichischen UNO-Blauhelme gewarnt, aber die syrischen Geheimdienstleute Befehl, sowieso zu fahren, auch wenn die Ö-Blauhelme abraten ? Der im Video vorkommende Begriff "Himmelfahrtskommando" bedeutet eigentlich in den meisten Fällen, dass man Befehl hat, etwas Hochriskantes zu tun. Die syrischen Geheimdienstler zeigten mit der Frage an die Österreicher, ob die Österreicher etwas Verdächtiges gesehen hätten, eigentlich, dass sie von den Österreichern Neutralitätsverletzung erwarten, was entgegen der Einigung auf eine neutrale, friedenserhaltende Truppe war. Mit anderen Worten, die syrischen Geheimdienstler behandelten die neutral-sein-sollenden Österreicher so, als wären sie Verbündete.

Derartige Fakten sind für das, was der verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider die "linke Jagdgesellschaft" nannte, natürlich völlig unbedeutend: Hauptsache, man kann gegen Schwarz-Blau und gegen das Militär Stimmung machen, und sich als heroischer Antifaschist und Antimilitarist fühlen bzw. inszenieren.

Was den Fall besonders heikel macht:

gerade die Kurdenmorde in Wien 1989 (auch an Ghassemlou) hätten den geschichtsvergessenen "Falter" lehren sollen, dass mit schiitischen Geheimdiensten nicht zu spassen ist: als Folge des einseitigen und kampagnenjournalistisch-übertreibenden Falter-Artikels ist es durchaus möglich, dass der syrische Geheimdienst oder Familienangehörige der 2012 Getöteten sich irrtümlich an den damaligen österreichischen UNO-Blauhelmen "rächen" und diese auf österreichischem Gebiet töten. Das österreichische Bundesheer schirmt laut Medienberichten einzelne der beteiligten Soldaten ab, vielleicht eine Art Schutzhaft in Hinblick auf etwaige Attentate.

Zu den damaligen Ereignissen:

die österreichischen UNO-Blauhelme am Golan hatten eine sogenannt "friedenserhaltende" Aufgabe: das bedeutet nicht mehr oder weniger, als dass die österreichischen UNO-Blauhelme eine Pufferzone bilden sollen zwischen den Konfliktparteien; die entsprechenden UNO-Mandate sind meistens nicht-robust; d.h. nur leichte Bewaffnung, und Waffeneinsatz nur zur Selbstverteidigung erlaubt.

Die Möglichkeit, die syrischen Geheimdienstleute durch Waffengewaltandrohung davon abzuhalten, ins Kriegsgebiet zu fahren und dort erschossen zu werden, fällt auch aus.

Wo der Falter ein erwiesenes "Verbrechen" der österreichischen UNO-Blauhelme sehen will, bleibt rätselhaft.

Aber wen kümmert schon die Wahrheit, wenn man mit FakeNews viel mehr Leser, viel höhere Clickrates und viel höhere Verkauszahlen erreichen kann ?

https://www.falter.at/archiv/wp/massaker-am-golan

https://derstandard.at/2000078802190/Bundesheer-Soldaten-liessen-Syrer-am-Golan-in-den-Tod-fahren

Während zahlreiche angebliche Experten der Meinung sind, die österreichischen Soldaten hätten neutralitätswidrig gehandelt, finde ich die umgekehrte These vertretbar: es war aus realpolitischer Sicht, die militärische Gleichgewichte als Voraussetzung für gerechte Friedensschlüsse betrachtet, neutralitätskonform und friedenschlussfördernd, in dieser Situation für die schwächere Seite Partei zu ergreifen. Bzw. es wäre es gewesen.

Auch der vom Falter verwendete skandalsierende Begriff des "Massakers" erscheint mir völlig falsch: Angehörige des syrischen Geheimdiensts können insbesondere im Kriegszustand durchaus als "Kombattanten" betrachtet werden, womit es sich nicht um ein "Massaker an Zivilisten" handelt.

Es besteht in der Tat ein gewisser Widerspruch dazu, dass UNO-Blauhelme von allen Konfliktparteien akzeptiert werden müssen. Allerdings stellt sich die Frage, wieso syrische Geheimdienstleute bewaffnet in eine offiziell entmilitarisierte Zone fahren (ein Punkt, den Klenk übrigens verschweigt, was die Vermutung nahelegt, Klenk sympathisiere mit Assad und assad-loyalen Truppen).

Auch die Behauptung, die österreichischen Blauhelme hätten eine falsche Auskunft gegeben, erscheint fragwürdig; viel eher haben sie keine Auskunft gegeben. Die Frage ist, ob sie eine Auskunft hätten geben müssen. Kontakte zwischen den UNO-Soldaten und dem befehlshabenden Offizier kommen im Video nicht vor. Und das wäre ein interessanter Aspekt.

Auch die Einstufung als "Beihilfe zum Mord" nach österreichischem Recht halte ich für fragwürdig.

Im Kriegszustand muss vieles anders bewertet werden, was im Friedenszustand "Beihilfe zum Mord" wäre.

Die ausschliessliche Einstufung von Israel und Syrien als "Kriegsparteien", die von zahlreichen Juristen vorgenommen wurde, halte ich für fragwürdig. Das Völkerrecht in Form der UN-Charta spricht von "individueller oder kollektiver Selbstverteidigung" als einer der Ausnahmen vom Gewaltverbot, wobei in diesem Fall die Kollektive nicht genau definiert sind; d.h. es können u.U. auch Oppositionsgruppen oder Schmugglergruppen als zur Selbstverteidigung berechtigte Kollektive betrachtet werden.

Auch die Rebellen (innersyrische Opposition gegen Assad und ihm loyale Truppen) sowie Schmuggler können unter Umständen als Kriegsparteien betrachtet werden.

Eine Informationserteilung durch die österreichischen UNO-Soldaten hätte als umgekehrte Parteinahme, als Parteinahme für die andere Kriegspartei betrachtet werden können.

Wenn die österreichischen UNO-Blauhelme die Informationen an die syrischen Geheimdienstleute erteilt hätten, hätten die syrischen Geheimdienstleute ihrerseits einen militärischen Überraschungsvorteil gehabt und die Schmuggler töten bzw. in der Falter-Sprache "massakrieren" können.

Wenn die Österreichischen UNO-Blauhelme anders gehandelt hätten, dann hätte man ihnen den umgekehrten Vorwurf gemacht, nämlich für die andere Seite, für den syrischen Geheimdienst, neutralitätswidrig Partei ergriffen zu haben.

http://orf.at/stories/2435994/2435993/

http://www.vol.at/falter-bundesheer-blauhelme-liessen-syrer-in-tod-fahren/5765174

Dass Klenk von Vornherein von einem "Verbrechen" spricht, obwohl Tötung von Kombattanten im Krieg anders zu bewerten ist als in Frieden, zeugt von einer extremen Unkenntnis des Kriegsrechts oder von einer manipulativen Absicht, wider besseres Wissen als "Verbrechen" zu bezeichnen, was offensichtlich eine kriegsrechtkonforme Tötung war.

Der Fall erregte auch internationale Aufmerksamkeit:

https://www.nytimes.com/aponline/2018/04/27/world/europe/ap-eu-austria-un-peacekeepers.html

Eine offensichtliche Stellungnahme eines UN-Mitarbeiters spricht von "armed members of the opposition", nicht von Schmugglern.

P.S.: manchmal habe ich den Eindruck, der Spruch "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" könnte auch für insbesondere österreichische Journalisten und -innen bzw. eine große Gruppe derselben gelten. Florian Klenk meint, dieser Fall sei ein Grund, warum das österreichische Bundesheer vom Golan zurückgezogen wurde. Ich würde eher schätzen, eine durchgeknallte, realpolitikunfähige und nur zu Kampagnenjournalismus fähige Gruppe im österreichischen Journalismus ist der Grund, warum die Österreichischen UN-Blauhelme im Jahr 2013 vom Golan zurückgezogen wurden bzw. zurückgezogen werden mussten.

http://tvthek.orf.at/profile/ZIB-2/1211

Entscheidend in diesen Fragen ist immer die Art und Weise, wie man Neutralität definiert in einem asymmetrischen Konflikt:

die einfache Definition der Neutralität als "Gleichbehandlung aller Konfliktparteien" ist nur friedensfördernd bei symmetrischen Konflikten.

Bei asymmetrischen Konflikten zwischen einem hochbewaffneten Aggressor und einem unbewaffneten Opfer ergibt sich immer die Frage: "Wie behandelt man Ungleiches gleich ?"

In asymmetrischen Konflikten an beide Seiten zu appellieren, sie sollen doch lieb zueinander sein, wird im Normalfall nichts bringen, außer, dass der Aggressor seine Aggression fortsetzt.

Damals, im Jahr 2012 war Norbert Darabos Verteidigungsminister. Eben der Norbert Darabos, der sich durch seine Beteiligung an Niessls Coup, im Burgenland entgegen dem SPÖ-Bundesparteitagsbeschluss mit der FPÖ zu koalieren, im linken, bzw. links-extremen Wien viele Feinde machte.

Das eigentliche Ziel dieses Kampagnenjournalismus von Falter und Klenk könnte daher Darabos sein, als eine Art Bestrafungsaktion für das, was der linkslinke Flügel in der Wiener SPÖ und im Wiener Journalismus als "Tabubruch" betrachtet.

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