Der frühere grüne Sozial- und Gesundheitsminister Rudi Anschober hat wieder einmal nachgewiesen, dass der ihm von der Rechten verliehene Spitzname "Angstschober" doch zutrifft.

In einem "Krone"-Artikel meinte er, er habe "fast tausend Reaktionen mit der Forderung nach Verzicht" (auf das Silvesterknallen) erhalten.

Das ist erst einmal eine beträchtliche Verfälschung, denn Verzicht ist etwas freiwilliges, das man höchstens erbitten kann, hingegen fordern kann man nur ein Verbot der Silvesterknallerei. Aber die Grünen sind sich scheinbar bewusst, dass sie mit ihren oft totalitären Verbotsmaßnahmen sich einen schlechten Ruf in der Bevölkerung einhandeln. Die Forderung nach Verbot von Neuzulassung von Benzinmotor-Autos trug ja zum Absturz der Grünen 2017 und zu ihrem Rausfallen aus dem Parlament bei, weil sie damals die Vierprozenthürde nicht erreichten.

Aber deswegen, weil Verbote unpopulär sind, "Forderungen nach Verbot" umzutaufen in "Forderungen nach Verzicht" kann auch als problematische Verlogenheit erscheinen.

Anschober skandalisiert dann die "unzähligen Berichte(n) panischer Haustiere und Wildtiere" vertuscht aber, dass die Angst ganz normaler Bestandteil des menschlichen und tierischen Lebens ist. Tiere haben auch Angst bei Gewittern, bei Felsstürzen, bei der Möglichkeit des Auftauchens von Raubtieren, ohne dass die Grünen jemals gefordert hätten, deswegen Gewitter, Felsstürze und Raubtiere zu verbieten oder auch nur einen Finger gerührt hätten, um Gewitter, Felsstürze oder Raubtierüberfälle ein klein bisschen seltener zu machen.

Tierangst zu Silvester kann auch positive Effekte haben: die Beziehung zwischen Tier und betreuendem, beruhigenden Menschen vertiefen. Auf jeden Fall ist keine Langzeitstudie bekannt bzw. breit publiziert, dass Silvesterknallerei, die Tiere kurzzeitig irritiert, irgendwelche langfristigen negativen Auswirkungen hätte; und wenn sie es hätte, dann müsste das ja bei Gewittern, Felsstürzen, Erdbeben, Raubtiergefahren, etc. genauso oder noch eher Langzeitfolgen hervorrufen.

Auch bei der Darstellung der Gesetzeslage ist Anschober grob verfälschend: es gibt zwar ein Gesetz, das Bürgermeistern erlaubt, Ausnahmen von dem Knallereiverbot zu beschliessen, aber es ist so gehalten, dass es praktisch einen Zwang für alle Bürgermeister darstellt, keine Ausnahmen zuzulassen, selbst wenn das überwiegend schlechte Folgen hat.

Denn Bürgermeister dürfen diese Ausnahmen nur dann erlauben, wenn es garantiert Null Probleme, Belästigungen und Klagen geben wird, was naturgemäß praktisch unvorhersagbar ist. Wegen dieses pseudoföderalistischen Gesetzes, das de facto ein Verbot darstellt, aber so tut, als würde es Bürgermeistern einen Entscheidungsspielraum einräumen, sind alle Bürgermeister praktisch gezwungen, ein Totalverbot zu erlassen.

Auch die Möglichkeit, die Silvesterknallerei umzuleiten von den Regionen, in denen sie viel Schaden anrichten würde, zu den Regionen, wo sie keinen, fast keinen oder wenig Schaden anrichten würde, besteht aufgrund dieses Gesetzes nicht.

Und eben, weil die Knallerei überall im Ortsgebiet verboten ist, findet sie überall im Ortsgebiet statt und erzeugt deswegen mehr Schaden, als sie erzeugen würde, wenn sie sinnvoll gelenkt würde. Gerade weil Österreich ein katholisch geprägtes Land ist, in dem der Verstoss gegen Regeln wie das (frühere) religiöse Verbot des vorehelichen Sex oder gegen das religiöse Kondomverbot oder gegen das religiöse Pornoverbot Norm ist, laufen übertriebene Verbietereien schnell auf Totalerlaubnisse hinaus. Auch die Polizeikräfte reichen bei weitem nicht aus, um ein totales Verbot der Silvsterknallerei oder -feuerwerkerei im ganzen Ortsgebiet konsequent zu kontrollieren und zu ahnden. Und einen gewissen Kontrollmangel betrachtet die österreichische Bevölkerung (wie viele andere vielleicht auch) als de-facto-Erlaubnis. Und die Grünen als polizeifeindliche Partei waren immer dagegen, die Polizei aufzustocken, auszurüsten oder mit weitgehenderen Kompetenzen auszustatten. Laut grüner Doktrin reicht offenbar ein Appell an den freiwilligen Verzicht, wie in Anschobers Brief, Polizei ist aus dieser Sicht völlig überflüssig. Dazu passen auch die linken Träumereien von der "gefängnislosen Gesellschaft".

Dieses Gesetz scheint außerdem eher für kleine Gemeinden gedacht, in denen man leicht aufs Freiland ausweichen kann, das juristisch kein Gemeindegebiet ist. Aber gerade in Wien als der größten Gemeinde ist dieses Ausweichen schwierig bis unmöglich, weshalb es eben oft nicht stattfindet. So kann man die extrem weit gehende Absicht auch als kontraproduktiv sehen: weil in der Praxis in allen Gemeindeteilen die Silvesterknallerei verboten ist, in denen, wo sie große Belästigung verursacht, genauso wie in denen, wo sie kleine oder keine Belästigung verursacht, findet sie eben in allen Teilen des Gemeinde gleichermaßen statt. Womit in Summe eine viel größere Belästigung entsteht, als wenn man verantwortungsbewusst lenken würde. Man kann das auch sehen als Max-Weber´schen Konflikt zwischen (eher katholischer) "Gesinnungsethik" und (eher protestantischer) "Verantwortungsethik": in Österreich dominiert das Predigen der absolutistischen Moral die Politik, und die realpolitische, verantwortungsbewusste Lenkung hin zum Harmloseren findet nicht oder zuwenig statt. Etwas vereinfachend gesagt: für den Gesinnungsethiker zählt eher das ferne Ziel, für den Verantwortungsethiker eher die konkreten Folgen des nächsten, kleinen Schritts. Religionsübergreifend (also katholisch-protestantisch) wäre Römerbrief 13, der in seiner Einführungspassage nur zu Gehorsam gegen der staatlichen Regierung aufruft, aber keine religiösen Gebote vorgibt.

Dass dieses de-facto-Verbot der Knallerei den Grünen und Anschober noch zuwenig verbotsorientiert ist, zeigt einmal mehr den Verbotsfetischismus der Grünen, der noch dazu ohne Sinn und Verstand ist, und die Lenkungsmöglichkeiten und Steuerungsmöglichkeiten hin zu einer weniger schädlichen Knallerei völlig negiert.

Die entscheidende Stelle ist Pyrotechnikgesetz §38(1) (aus dem Jahr 2010, also von einer rot-schwarzen Regierung):

".... Der Bürgermeister kann mit Verordnung bestimmte Teile des Ortsgebietes von diesem Verbot ausnehmen, sofern nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten durch die Verwendung Gefährdungen von Leben, Gesundheit und Eigentum von Menschen oder der öffentlichen Sicherheit sowie unzumutbare Lärmbelästigungen nicht zu besorgen sind."

Dabei ist der Begriff des "Besorgen"s erstaunlich unklar und wird auch in allen Erläuterungen von oesterreich.gv.at, BMI, etc., als "Befürchten" übersetzt. Klar, Sorge ist Furcht, so gesehen müsste "besorgen" "befürchten" heissen, aber "besorgen" kann auch z.B. "einkaufen" heissen. Diese ständige Orientierung an der "Sorge", an der "Furcht", und nicht an den Fakten, ist auch ein Teil dessen, was Burger als "Hysterie" bezeichnete, siehe unten.

Meiner Meinung nach sollte dieses Gesetz geändert werden zu

"Der Bürgermeister kann mit Verordnung bestimmte Teile des Ortsgebietes von diesem Verbot ausnehmen, sofern nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten dadurch auf das gesamte Ortsgebiet bezogen in Summe die Verringerung von einerseits Gefährdungen von Leben, Gesundheit und Eigentum von Menschen oder der öffentlichen Sicherheit sowie andererseits unzumutbaren Lärmbelästigungen zu erwarten ist."

Das würde den praktischen Verbotszwang für Bürgermeister beseitigen (weil sich immer irgendwer belästigt oder geschädigt fühlt, was dem Bürgermeister schaden würde, wenn er was erlauben würde), und ihnen die wirkliche Wahlfreiheit einräumen, die ihnen als Experten für lokale Gegebenheiten zusteht.

Auch Anschobers Behauptung bzw., in Österreich sei der Verkauf aller Knallkörper erlaubt, hingegen die Verwendung verboten, ist unrichtig. (Aber mit seiner Behauptung, in Ö sei die Verwendung von Knallkörpern bestätigt er wenigstens unfreiwillig meine obige Behauptung, die Erlaubnis für Bürgermeister, Ausnahmen zu beschliessen, sei in Wirklichkeit ein Totalverbot)

Österreich ist - im Gegensatz zu den Behauptungen von Anschober - das Land mit den weitgehendsten Knallkörperverkaufsverboten in der ganzen EU, und deswegen entsteht der österreichische Knallkörperverkaufstourismus, z.B. nach Tschechien. Diese Situation schadet der österreichischen Wirtschaft massiv und nutzt der tschechischen, womit sie die Grünen wieder mal als Inländerfeinde und Ausländerfreunde erwiesen haben, wie in zahlreichen anderen Fragen. Die aus grünem Fundamentalismus heraus betriebenen "Vorreiterrollen" Österreichs in vielen Bereichen sind in Wirklichkeit oft nur eine Vorreiterrolle in Sachen Österreichschädigung und Wirtschaftsschädigung ohne irgendeinen positiven Effekt. Eine gewisse Verkaufseinschränkung ist durchaus vertretbar im Sinne des oben beschriebenen Lenkungseffekt, z.B. weg von gefährlichen, lärmorientierten Knallkörpern hin zu wenig gefährlichen oder gar nicht gefährlichen optisch schönen Feuerwerkskörpern. Dass Anschober hier kaum gefährliche Feuerwerkskörper, die primär schöne Feuerwerke erzeugen, als "Knallkörper" bezeichnet, obwohl sie eher ein leises Zischen und kein lautes Knallen erzeugen (und den eher leisen "Knall" am Ende hoch in der Luft), ist stark verfälschend. Ähnlich verfälschend wie die Praxis von Rechtsextremisten, von Ausländern oder Migranten abgefeuerte Feuerwerkskörper als "terroristische Brandsätze" zu bezeichnen. Hier betreibt Anschober wohl unabsichtlich das Geschäft des Rechtsextremismus und des Ausländerhasses.

Auch der Vergleich von Silvesterknallkörpern mit dem Krieg, den Anschober bringt, ist absurd. Auch Popcornerzeugung, Fehlzündungen in Automotoren und Motorradmotoren, Gewitter, Presslufthämmer, Abrissbirnen im Baugewerbe, die kanonengleich Gebäude in Schutt und Asche legen, ähneln dem Krieg bzw. können an den Krieg erinnern, ohne dass die Grünen jemals ein Totalverbot gefordert hätten (obwohl so manche Grüne es sich im Falle des Autos wohl insgeheim wünschen).

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Feuerwerke sind wegen ihrer Schönheit und Farbigkeit weltweit beliebt. Gerade im tristen Winter liefern sie eine eine willkommene Abwechslung zum tristen, kalten, dunklen Alltag und sind daher auch psychologisch wertvoll.

Aber der Grüne Verbotsfanatismus will uns diese Freude rauben.

Auch die übrige "Berichterstattung" der "Krone" zu diesem Thema ist ähnlich fragwürdig wie der Anschober-Artikel in der "Krone". Den Eindruck nahezulegen, Silvesterknallerei sei die Hauptquelle der Feinstauberzeugung, hingegen der österreichische Autoverkehr oder die österreichischen Heizungen seien "neben"-sächlich bei Feinstauberzeugung, ist grob irreführend.

Ähnlich absurd wäre es wohl, zu behaupten, wenn ich 10 Minuten lang mit einem Schmirgelpapier (Schleifpapier für Bundesdeutsche) Holz bearbeite, würde das mehr Feinstaub erzeugen als der österreichische Autoverkehr und die österreichischen Heizungen.

Auch die Lärmbelästigung durch Silvesterknallerei hochzuspielen, hingegen die Lärmbelästigung durch radikalisierte Anti-Covid-Maßnahmen-Demonstranten z.B. in Bahnhofshallen mit Trillerpfeiffen, Wuwuzelas und Tröten zu verschweigen, ist stark von Doppelmoral geprägt.

Und die Möglichkeit, die Gefährlichkeit durch Lenkung zu verringern, wird gar nicht erwähnt, was man als "Lückenpresse" bezeichnen kann, als Journalismus, der wichtige Aspekte der Wahrheit vertuscht und weglässt.

Der im Vorjahr verstorbene österreichische Philosoph Rudolf Burger meinte einmal, Österreich sei ein hysterisches Land (das war anläßlich der rot-grünen Proteste gegen die schwarz-blaue Regierung im Jahr 2000, bei der der "linke" "Widerstand" in Schwarz-Blau den "Faschismus" zu erkennen glaubte, oder zumindest so tat). Auch in der Silvesterknallereifrage, bzw. Silvesterfeuerwerksfrage kann man das mit der Neigung zur Hysterie als bestätigt sehen.

P.S.: der Hashtag-Begriff der "Verbieteritis" ist angelehnt an Jörg Haiders Begriff der "Ausschliesseritis", also dass speziell SPÖ und Grüne Koalitionen mit der (damaligen) FPÖ kategorisch ausschlossen, egal, auf welches Regierungsprogramm man sich einigt, und egal, ob Österreich dadurch unregierbar wird, und auch egal, wie dominant und korrupt die ÖVP dadurch wird. Paradoxerweise oder logischerweise schloss sich auch Haider-Nachfolger Strache mit seinem "Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht" als Ablehnung von Koalitionen der FPÖ mit Grünen und/oder SPÖ dieser "Ausschliesseritis" an.

Die Verbieteritis und die Ausschliesseritis gehören so gesehen zu den leicht humoristischen Bezeichnungen für politische Krankheiten.

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