Neulich erschien ein Artikel in der "Kleinen Zeitung", der den Grazer KPÖ-Gemeinderat Kurt Luttenberger am Grab des pro-russisch-ostukrainischen Milizenführer Sachartschenko fahnenschwingend bzw. fahnentragend zeigt. (KPÖ ist die kommunistische Partei Österreichs)

Sachartschenko werden zahlreiche Kriegsverbrechen vorgeworfen, aber wegen seines Todes werden diese Vorwürfe wohl nun nicht mehr in einem Prozess genauer untersucht werden. (Kriegsverbrechen kann zum Beispiel absichtliche Tötung von Zivilisten sein)

Der Besuch von Luttenberger erfolgte angeblich aufgrund einer Koordination der "anti-imperialistischen Koordination". Welchen Sinn es macht, an einer Vergrößerung des Putin-Imperiums mitzuarbeiten und das "Anti-Imperialismus" zu nennen, müsste Luttenberger wohl noch erklären. Dass Linksextremisten eben immer nur in den USA den Imperialismus sehen oder im Westen, aber zum Beispiel das Sowjetimperium verharmlosen, das auch Ungarn, Polen, DDR, Tschechoslowakei umfasste, und dort zahlreiche Streiks, Aufstände gewalttätig niederschlug, vom Volksaufstand in Ungarn 1956 über den Prager Frühling 1968 bis hin zur Verhängung des Kriegsrechts in Polen 1980, kann man auch als Beweis dafür sehen, dass sie in den letzten 40 Jahren nichts dazugelernt haben.

Luttenberger meinte dazu "In einem Krieg passieren Grausamkeiten", was man auch als Verharmlosung des Krieges sehen kann, interessant für einen angeblichen Vertreter der "Friedensbewegung".

https://steiermark.orf.at/stories/3143956/

Auch Luttenbergers Behauptung, Sachartschenko sei positiv zu bewerten, weil er zum Minsk-Abkommen beigetragen habe, ist sehr fragwürdig, aus vielen Gründen.

Erstens ist das Minsk-Abkommen ziemlich tot, nachdem Putin das Minsk-Abkommen einseitig für ungültig erklärt hat. (Ein Militärputsch gegen Putin wäre zum Beispiel u.U. eine Möglichkeit, das Friedensabkommen von Minsk wiederzubeleben)

Zweitens müsste man erst klären, WAS Sachartschenko im Rahmen der Verhandlungen gefordert, bzw. eingebracht hat, und wie er sich verhalten hat. Die reine Tatsache, dass er dabei war, heisst noch lange nicht, dass er eine positive Rolle spielte. Es kann ja auch sein, dass er extremistische oder unsinnige Forderungen stellte, die dann von anderen Beteiligten (u.U. auch der pro-russischen bzw. russischen Seite) abgelehnt wurden.

Drittens darf man das nicht reduzieren auf die Verhandlung des Minsk-Abkommens, sondern man muss auch die Umsetzung des Minsk-Abkommens und die Einhaltung des Minsk-Abkommens betrachten.

Falls Sachartschenko sich nicht an der Umsetzung des Minsk-Abkommens beteiligt haben sollte, sondern an der Sabotage desselben, falls Sachartschenko das Minsk-Abkommen nicht eingehalten haben sollte, sondern zahlreiche Mal gebrochen (und seinen Tod bei einer Bombenexplosion kann man als Indiz für diesen Minsk-Abkommens-Bruch sehen), so wäre das natürlich negativ zu sehen, und nicht positiv, wie Luttenberger das mit seinem Focus auf die Minsk-Verhandlungen bei gleichzeitigem Verschweigen der Minsk-Abkommens-Umsetzung und der Minsk-Abkommens-Einhaltung darstellt.

Die KPÖ Graz ist seit der letzten Grazer Gemeinderatswahl stimmenstärkste und mandats-stärkste Partei und stellt die Bürgermeisterin, nämlich Elke Kahr.

Auch sie fiel schon mit Kommunismusverharmlosungen auf.

Auf jeden Fall muss man (insbesondere, wenn man einen Bezug zu Graz hat wie ich) sagen, dass Graz nicht so ist, und dass die letzte Grazer Gemeinderatswahl äußerst problematisch war, insofern als es sich vermutlich um Wahlmanipulation handelte: ein Meinungsforschungsinstitut hatte relativ kurz vor der Wahl der ÖVP 38% prognostiziert und der KPÖ 20%, mit der Folge, dass viele potenzielle ÖVP-Wähler und -innen wegen des vermeintlich sicheren Sieges zuhause blieben und nicht-wählten, während sie wahrscheinlich ÖVP gewählt hätten, wenn eine Kopf-an-Kopf-Prognose erfolgt wäre, also z.B. ÖVP29, KPÖ29.

So gesehen kann man die relative KPÖ-Mehrheit im Gemeinderat als illegitim und gesetzeswidrig oder gesetzlich problematisch empfinden, als Verstoss oder problematische Nähe zum Verstoss gegen die Strafgesetzbuchparagraphen 263 und 264:

"§263 Täuschung bei einer Wahl oder Volksabstimmung

§ 263. (1) Wer durch Täuschung über Tatsachen bewirkt oder zu bewirken versucht, daß ein anderer bei der Stimmabgabe über den Inhalt seiner Erklärung irrt oder gegen seinen Willen eine ungültige Stimme abgibt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer durch Täuschung über einen die Durchführung der Wahl oder Volksabstimmung betreffenden Umstand bewirkt oder zu bewirken versucht, daß ein anderer die Stimmabgabe unterläßt.

§ 264 Verbreitung falscher Nachrichten bei einer Wahl oder Volksabstimmung

§ 264. (1) Wer öffentlich eine falsche Nachricht über einen Umstand, der geeignet ist, Wahl- oder Stimmberechtigte von der Stimmabgabe abzuhalten oder zur Ausübung des Wahl- oder Stimmrechts in einem bestimmten Sinn zu veranlassen, zu einer Zeit verbreitet, da eine Gegenäußerung nicht mehr wirksam verbreitet werden kann, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Wer sich dabei einer falschen oder verfälschten Urkunde bedient, um die falsche Nachricht glaubwürdig erscheinen zu lassen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen."

Ein interessanter Faktor bei der Frage der Illegalität der Graz-Wahl wäre, ob eine Gegenäußerung noch wirksam hätte verbreitet werden können: die Wahlsystemfragen sind oft sehr kompliziert, und es dauert länger als eine Woche, um es den Wählerinnen und Wählern zu erklären.

Weiters ist die Frage, ob die ÖVP es überhaupt erklären wollte. Ohne Zweifel war sie die Hauptbenachteiligte, und hätte daher normalerweise interessiert sein müssen, diese Problematik zu erhellen, hat aber nichts in dieser Hinsicht getan. Vielleicht deswegen, weil bei der Bundespräsidentenwahl eine ähnliche Problematik bestand (im ersten Wahlgang), aber ein Kandidat gewann, mit dem die ÖVP leben konnte und kann, nämlich Van der Bellen, mit dessen Partei (den Grünen) sie jetzt auf Bundesebene koaliert. Wenn die Zeit noch ausreichend gewesen wäre, es zu erklären, aber diejenigen, die es erklären hätten können, nicht erklären wollten, dann wird diese (Quasi-)Illegalität nur durch dieses Nicht-Erklären-Wollen legal, was auch irgendwie seltsam ist, so als würde ein Mord durch das Nicht-vor-der-Mordgefahr-Warnen oder durch das Nicht-vor-der-Mordgefahr-Warnen-Wollen legal.

In anderen, wirklich demokratischen Ländern ist es übrigens verboten, kurz vor der Wahl noch manipulative Prognosen zu veröffentlichen.

Bzw. es existieren andere Wahlsysteme, die Wahlmanipulation durch manipulative Umfragen erschweren oder ihre Möglichkeiten begrenzen, wie zum Beispiel Reihungswahlsysteme, die das taktische Wählen verhindern oder stark verringern, und eben mit diesem taktischen Wählen gehen Wahlmanipulationsmöglichkeiten einher.

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