SPÖ-Kanzlerkandidatin Rendi-Wagner behauptete es, zahlreiche SPÖ-nahe Journalistinnen und Politikwissenschafterinnen behaupteten es: es sei trotz massiver SPÖ-Niederlage alles in Ordnung, nur die Grünen Leihstimmen, die die SPÖ 2017 erhalten hatten, seien zu den Grünen zurückgekehrt.
Ist es das ? Machen wir einen kleinen Faktencheck, der darin besteht, die rot-grüne Summe bei österreichischen Nationalratswahlen im Laufe der Jahrzehnte zusammenzurechnen:
1995: 80 Mandate
1999: 79 Mandate
2002: 86 Mandate
2006: 89 Mandate
2009: 77 Mandate
2013: 76 Mandate (SPÖ + Grün)
2017: 62 Mandate (SPÖ + Liste Pilz)
2019: 66 Mandate (SPÖ + Grün)
Die rot-grüne Summe ist insofern interessant, als in ihr WählerInnenwanderungen zwischen SPÖ und Grün keine Rolle spielen.
Dennoch ist auch aus Sicht des rot-grünen Mandatsstands das Wahlergebnis von 2019 das zweitschlechteste der Geschichte. Und wenn man den Sonderfall Rausfallen der Grünen aus dem Parlament 2017 rausrechnet, sogar das mit Abstand schlechteste; die rot-grüne Summe ist nun um ca. 10 bis 20 Mandate kleiner als vor zehn oder 20 Jahren.
So gesehen ist die Behauptung der diesmal gescheiterten Kanzlerkandidatin und ihrer Freundinnen in Journalismus und Politikwissenschaft, es sei alles in Ordnung, die Richtung stimme, und es seien nur die Grün-Leihstimmen von der letzten Wahl zurückgewandert, falsch.
Auch, was die Quantität betrifft, stimmt die Aussage nicht: Wählerstromanalysen zufolge haben 2017 161.000 Grünwählende SPÖ gewählt, während 2019 193.000 SPÖ-Wähler zu den Grünen gewechselt sind.
Die Frage ist, ob man mit einer derart leicht durchschaubaren und widerlegbaren Behauptung nicht diejenigen Reformen verhindert, die nötig wären, um die Lage grundlegend zu verbessern.
CC / SPÖ Presse und Kommuniaktion https://de.wikipedia.org/wiki/Pamela_Rendi-Wagner#/media/Datei:2019_Pamela_Rendi-Wagner_(32995117698)_(cropped).jpg
SPÖ-Kanzlerkandidatin Rendi-Wagner: Machterhalt und Reformverhinderung durch die Fake-News, es sei alles in Ordnung und nur die Grün-Leihstimmen seien zurückgewandert ?
Aber auch ÖVP-nahe bzw. weniger SPÖ-nahe Politologen wie Plasser und Sommer können irren oder Fake-News verbreiten:
man kann zum Beispiel die These vertreten, dass nicht das Stimmverhalten der SPÖ beim Misstrauensvotum gegen Kanzler Kurz den starken Rückgang der Zustimmung zur SPÖ verursachte, sondern das völlig falsche Wording in diesem Zusammmenhang: ich als rein theoretischer SPÖ-Chef hätte wahrscheinlich gleich gestimmt, aber völlig anders begründet, z.B. dass Kurz trotz Misstrauensvotum gute Chancen hat, wieder Kanzler zu werden, z.B., das Misstrauensvotum sei eine Art Memento Mori wie bei den den altrömischen Triumphzügen: bei diesen begleitete immer ein Sprecher den Triumphator und flüsterte ihm ins Ohr: "Bedenke, dass Du sterblich bist".