Beim grünen Bundeskongress kam es zu einem relativ absurden Streit:

der Journalistin Brigitte Hamann, die nun auf der grünen Liste kandidiert, wurde von anderen Grün-Politikerinnen zum Vorwurf gemacht, dass sie vor drei Jahren sich für Wehrpflicht für Frauen eingesetzt hatte.

https://kurier.at/politik/inland/wehrpflicht-fuer-frauen-warum-denn-nicht/400546907

https://kurier.at/wirtschaft/karriere/frauen-beim-heer-eine-von-582/298.456.641

https://diepresse.com/home/meinung/quergeschrieben/sibyllehamann/5069809/Oesterreich-muss-Norwegen-werden_Wehrpflicht-fuer-alle

https://www.derstandard.de/story/2000106055671/wehrpflicht-fuer-alle-dienst-an-vielen-fronten

Der Meinungsverschiedenheit zwischen Grün-Politikerinnen rund um die Frage, ob nun Wehrpflicht auch für Frauen gelten solle oder nicht, ist auch deswegen so seltsam, weil Österreich in der gegenwärtigen geopolitischen Lage überhaupt keine Wehrpflicht braucht und weil der einzige Grund, warum Österreich in der derzeitigen Lage (Neutralität, Wehrpflicht, NATO als undurchdringlicher, um Österreich herumgewachsener Schutzschild, Abzug bei UNO-Einsätzen wie z.B. am Golan) ein Bundesheer hat, ein rechtlicher ist: weil es in der Verfassung steht, dass Österreich ein Bundesheer haben muss, auch wenn es militärisch gesehen keines braucht, und schon gar kein auf der Wehrpflicht beruhendes Bundesheer.

Der einzige wesentliche militärische Vorteil von Wehrpflichtigen (wenn man jetzt einmal von politischen und wirtschaftlichen Vorteilen absieht) ist die Ortskenntnis.

Und diese lokale Ortskenntnis ist eigentlich sinnlos in der EU, wo es darum geht, die EU an ihren Aussengrenzen zu verteidigen und die Wehrpflichtigen von derselben eine schlechte Ortskenntnis haben.

Weiters spricht gegen die Wehrpflicht, dass moderne, komplexe Waffensysteme eine Kenntnis und Spezialisierung erfordern, die eigentlich nur mit einem Berufsheer erfüllbar ist.

Die Zeiten, in denen das Standard-Gewehr die Kriegsführung bestimmte und die Wehrpflicht dem adäquat war, sind vorbei.

Brigitte Hamanns Vergleich von Österreich mit Norwegen war auch deswegen so unangebracht, weil Österreich EU-Mitglied ist, aber Norwegen nicht. Die Frage, ob Wehrpflichtige dazu taugen, an den EU-Aussengrenzen eingesetzt zu werden, hat Brigitte Hamann offensichtlich übersehen, weil es ihr nur um Gleichstellungsfragen ging, aber nicht um militärische, und im neutralitätsverwöhnt-militärisch-untergebildeten Österreich gab es nicht einmal eine kritische Reaktion auf ihren Artikel, IIRC, wahrscheinlich auch deswegen, weil sehr oft als Sexist geshitstormt wird, wer Frauen kritisiert.

Und ich hatte, nachdem Texte von mir von der "Presse" abgelehnt wurden, aufgegeben, sie anzuschreiben. Das von Hamann angesprochene Norwegen hat übrigens anders als sie behauptet, gar keine richtige Wehrpflicht, sondern nur eine teilweise Wehrpflicht: nur ca. 20% der Wehrpflichtigen werden eingezogen. Innerhalb Europas ist die Wehrpflicht ein anachronistisches Auslaufmodell: nur mehr Schweiz, Österreich, Griechenland und Finnland halten daran fest, mit vielen Problematiken wie den gekauften Gutachten, um sie zu umgehen; bei Finnland und Griechenland kann man einen Zusammenhang zum griechisch-türkischen Konflikt sowie zum finnisch-russischen Konflikt sehen, aber Österreich hat keinen vergleichbaren Konflikt mit einem Nachbarland, sodass die Wehrpflicht im Falle Österreichs nicht gerechtfertigt erscheint. Wir Österreicher befinden uns mit der Wehrpflicht in Gesellschaft von Militärdiktaturen, theokratischen Diktaturen, Polizeistaaten und autoritären Regimen wie Ägypten, Türkei, Iran, Syrien, Nordkorea, etc.

CC / Mysid https://de.wikipedia.org/wiki/Wehrpflicht#/media/Datei:Conscription_map_of_the_world.svg

Rot: volle Wehrpflicht; Dunkelblau: weniger als 20% der Wehrpflichtigen eingezogen; Hellblau: de facto keine Wehrpflicht (z.B. Bedarf völlig durch Freiwillige/Berufssoldaten gedeckt); Orange: Wehrpflicht existiert, aber Ausstieg in den nächsten Jahren beschlossen; Grün: keine Armee.

In der Schweiz gab es 2013 eine Volksabstimmung, die mit 73% für die Wehrpflicht ausging, allerdings wurde die wehrpflicht-abschaffen-wollende Initiative von der pazifistischen Gruppe "Schweiz ohne Armee" eingebracht, sodass möglich erscheint, dass mit dem Votum der Pazifismus und die pazifismus-gebundenen Gründe abgelehnt wurde.

Aber die Abschaffung der Wehrpflicht macht in vielerlei HInsicht durchaus Sinn: man leistet mehr, wenn man freiwillig mitarbeitet, nicht durch Konskriptionszwang gezwungen ist. Gerade junge Leute brauchen Einkommen für Haushaltsgründung und/oder Familiengründung und genau in dieser Phase nimmt der Staat oihnen ein wertvolles Jahr weg. Ich war ja selbst Wehrpflichtiger, und in diesem Zusammenhang habe ich viel sinnlose Arbeiten machen müssen (z.B. vormittag Rechen des Sportplatzes von Norden nach Süden, Nachmittags Rechen des Sportplatzes von Süden nach Norden).

Der letzte Politiker, der in Sachen Wehrpflicht vernünftige Positionen vertrat, war der frühere Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP, 2000-2006) gewesen: "Die Europäisierung und die Komplexität moderner Waffensysteme erfordert ein Berufsheer".

Seither und insbesondere seit der vermutlich verfassungswidrigen Berufsheer-Volksbefragung von 2013 ist die Debatte rund um Armeefragen auf einem Niveau angelangt, das eigentlich eher zu einem Schildbürgerstaat passt als zu einer Demokratie. Man diskutiert militärische Fragen aus allen möglichen Perspektiven, nur nicht aus militärischen: Humanitäres, Katastrophenschutz, Sport, Grenzschutz, nur kein militärischer Einsatz im engeren Sinn.

Auch die permanente Verkürzung und Wiederverkürzung der Wehrpflicht von 9 Monate auf 8 und letztlich auf 6 hat die Wehrpflicht soweit ausgehöhlt, dass sie - wie vieles in Österreich - eigentlich nur mehr formal besteht, aber nicht mehr real, nur mehr als potemkinsches Dorf, als Fassade, nicht als wirkliche Substanz. Der Hauptzweck der sechsmonatigen Wehrpflicht scheint - neben dem Assistenzeinsatz an der Grenze und vielleicht dem Katastrophenschutz (beides keine militärischen Aufgaben im engeren Sinn) - zu sein, den 9-monatigen Zivildienst zu legitimieren.

Auch die Möglichkeiten, mithilfe eines gekauften ärztlichen Gutachtens oder eines Gefälligkeitsgutachtens sich als "wehruntauglich" einstufen zu lassen und somit der Wehrpflicht zu entgehen, sind in Österreich so verbreitet und aufgrund des in Österreich grassierenden Pazifismus so gesellschaftlich akzeptiert, dass die sogenannte Wehrpflicht eigentlich eh nur mehr von Idealisten, Beziehungslosen oder Dummköpfen eingehalten wird, bzw. eingehalten werden muss.

Dieses Messen mit zweierlei Maß "Wer Beziehungen oder Geld hat, kann die Wehrpflicht umgehen, wer keine Beziehungen hat, nicht" beschädigt den Glauben an Rechtsstaat und Gleichheitsprinzip. Und es stärkt staatsfeindliche Tendenzen, egal, ob linksextreme Anarchos oder rechtsextreme Reichsbürger.

Ein weiterer heikler Umstand ist in vielen Fällen, dass die Stellung ca. anderthalb Jahre vor dem 18-ten Lebensjahr stattfindet, sodass ein junger Mann, der erst mit 18 Gewissengründe gegen das Soldatenwesen entwickelt, aufgrund der früheren Stellung eingezogen wird, während er nicht eingezogen worden wäre, wenn er die Gewissensgründe anderthalb Jahre früher empfunden hätte.

CC / Stefan Kühn https://de.wikipedia.org/wiki/Hinterlader#/media/Datei:Gewehr-Buegelverschluss.png

Lefaucheux-Hinterlader-Gewehr (damals fortgeschrittenste Waffe) aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals machte Wehrpflicht noch Sinn, heute nicht.

Diese eingeschränkt-sinnvolle Debatte zwischen grünen Damen und auch die Fehler von Von der Leyen im deutschen Verteidigungsministerium bestätigen scheinbar, dass Frauen für Militärfragen nicht taugen - wenn da nicht Margaret Thatcher wäre, die den Falkland-Krieg 1982 gegen Argentinien und die dadurch verursachte Demokratisierung Argentiniens auf sehr entschlossene Art und Weise durchzog.

Siehe auch:

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/brexit-verursacherin-von-der-leyen-neue-eu-kommissionspraesidentin-57742

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/eurofighter-dem-joint-strike-fighter-hoffnungslos-unterlegen-57693

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/mein-plan-zur-demokratisierung-oesterreichs-57894

(Beschäftigt sich auch mit der Frage der Verfassungswidrigkeit der Berufsheer-Volksbefragung von 2013)

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/oesterreich-braucht-berufsheer-fuer-auslandseinsaetze-volksbefragung-2013-ungueltig-24673

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/aleppo-luftbruecke-oder-totalevakuierung-24379

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/bevoelkerungswachstum-als-massstab-von-islamisierung-und-kriegsintensitaet-in-islamischen-staaten-57772

CC / BMEIA https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Sch%C3%BCssel#/media/Datei:2017_Wolfgang_Sch%C3%BCssel_%2827413571839%29.jpg

Damals, vor der Infantilisierung* und Verkurzung der österreichischen Politik, als erwachsene Debatten noch möglich waren und die sehr jungen Männer noch nicht Kanzler waren und zusammen mit Pazifistinnen die Politik und den medialen Diskurs bestimmten: Wolfgang Schüssel (ÖVP, Kanzler 2000-2006). Man kann auch vermuten, dass Van der Bellen, der Pazifist als Bundespräsident und damit Oberbefehlshaber des Bundesheeres, ungeeignet ist, um den Österreichern und -innen militärische Realpolitik nahezubringen.

Und der große Knoflach-Preis für die Demokratisierung Argentiniens durch entschlossenen Falkland-Krieg gegen die argentinische Militärdiktatur (mit Berufsheer natürlich, nicht mit Wehrpflicht) geht an: Margaret Thatcher, die "Eiserne Lady", britische Premierministerin 1979-1990:

CC / Chir Collins / Thatcher Foundation https://de.wikipedia.org/wiki/Margaret_Thatcher#/media/Datei:Margaret_Thatcher_portrait.jpg

( "*": die Formulierung der "Infantilisierung der österreichischen Politik" stammt vom früheren ORF-Generaldirektor Gerd Bacher, der die Wahlaltersenkung auf 16 im Jahr 2007 durch die SPÖ-ÖVP-Koalition Gusenbauer-Molterer scharf kritisierte und dadurch eine Verdummung der politisch-medialen Debatte befürchtete, eine Befürchtung, die man als berechtigt betrachten kann)

P.S.: ja, ich habe aus Verärgerung heraus möglicherweise manches scharf formuliert.

P.S.2: im übrigen hatte Gerhard Schröder, der frühere deutsche Bundeskanzler (SPD) meiner Meinung nach recht.

Der Klimawandel ist derzeit absolut überthematisiert; Medien und Politik drehen sich fast nur mehr um Klimawandel, alle anderen Themen und Dinge gehen unter; mit den Fehlern und Problemen, die daraus folgen.

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/gerhard-schroeder-findet-die-debatte-ums-klima-uebertrieben-a-1276134.html

P.S.3: im Übrigen sind auch die Eurofighter als defensive reine Jagdflugzeuge ohne Stealth-Qualitäten, die maßgeschneidert waren für den Kalten Krieg und dafür, große Bomber- und Jägerflotten der Sowjetunion und des Warschauer Paktes abzuwehren, ziemlich unnötig (nicht zuletzt deswegen, weil SU und WaPa untergegangen sind), was aber auch kaum jemand äußerte, die einen Parteien nicht, weil sie in einem wirtschaftlichen Naheverhältnis zur Rüstungsindstrie stehen könnten, die Anderen, weil sie auf Neutralität setzen und den Bürgern lieber vorgaukeln, die österreichische Diplomatie könne alle Probleme lösen.

P.S.4: sind Frauen ungeeignet oder weniger geeignet für Krieg ? Als kleinen Exkurs dazu die Kriegselefanten: bei Kriegselefanten wurden immer nur männliche Tiere verwendet; durch das männliche Sexualhormon Testosteron sind sie aggressiver, sie sind größer und im Falle der asiatischen Elefanten haben nur die Männchen Stosszähne, die aufspiessen können.

Auch wenn die Unterschiede zwischen Mensch und Elefant groß sind, so bleibt Testosteron, Geschlecht, Größe als Ähnlichkeiten.

CC / Werner / Tsui https://de.wikipedia.org/wiki/Kriegselefant#/media/Datei:Bayon_Angkor_Relief1.jpg

Kriegselefanten der Khmer, Angkor, 12. Jahrhundert

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