"Noch so ein Sieg und wir sind verloren", sagte der Molosser-König Phyrrhos im Jahr 280 vor Christus, als er zwar eine Schlacht gewonnen hatte, aber dabei die halbe Armee verloren. Von diesem Ereignis leitet sich der Begriff des "Phyrrhus-Sieges" ab, eines Sieges mit einem sehr hohen Preis.
Die Spitzenkandidatin der Wiener Grünen und Ex-Vizebürgermeisterin Hebein hatte zwar bei den Wahlen gut abgeschnitten und konnte Zugewinne (von 11.8% auf 14.8%) verzeichnen, verlor aber die Regierungsbeteiligung und in der Folge auch Abstimmungen um den Clubvorsitz der Grünen im Landtagsclub.
https://www.derstandard.at/story/2000121883845/birgit-hebein-die-demontage-einer-siegerin
Seither herrscht in den sogenannten "Analysen" der Grün-affinen Zeitungen großes Wehklagen, das allerdings nicht von Fakten getragen ist und nur wenig wirkliche Analyse enthält.
Im Jahr 1962 veröffentlichte der US-amerikanische Politikwissenschafter William H. Riker in seinem Buch "A Theory of Political Coalitions" seine "minimum-winning coalition"-Theorie, die besagt, dass immer am wahrscheinlichsten die kleinstmögliche Koalition gebildet, weil Großparteien (wie die Wiener SPÖ) ihren Anteil an der Regierungsmacht und an den Regierungsposten maximieren.
Wenn die SPÖ (41.6%) mit den Grünen (14.8%) eine Koalition gebildet hätte, so hätte sie nur 41.6/(41.6+14.8), also 73.7% der Regierung ausgemacht und nur 7 von 10 Regierungsposten besetzen können.
Hingegen in einer Koalition mit den NEOS (7.5%) beträgt der Anteil der SPÖ an Macht und Posten 41.6/(41.6+7.5) = 85%, womit sie also 8 bis 9 pro 10 Regierungsposten besetzen kann.
So gesehen ist logisch, dass die SPÖ aus einer egoistischen Perspektive immer mit dem kleineren möglichen Koalitionspartner koalieren wird.
Daher ist der Wahlsieg der Grünen in Wirklichkeit eine Niederlage, weil sie dadurch zu groß wurden, um ein attraktiver Koalitionspartner für die SPÖ zu sein.
Natürlich ist der "Standard" eine Art SPÖ-Parteizeitung und darf daher die Wahrheit über diese Zusammenhänge gar nicht publizieren, ähnlich wie der "Standard" diesen Zusammenhang auch bei der rot-blauen Koalition im Burgenland in der vorigen Periode nicht thematisiert hatte bzw. nicht durfte (damals hatte die Burgenländische SPÖ aus dem selben Kalkül heraus die kleine FPÖ der größeren und mehr fordernden ÖVP als Koalitionspartner vorgezogen).
Aber linke Schreiberlinge und Schreiberlinginnen müssen halt immer auf der Ideologie herumreiten und auf die Ideologie fixiert sein, und so simple, klare und logische Zusammenhänge wie Maximierung der eigenen Macht, der eigenen Posten und des eigenen Einflusses, indem man die kleinere, aber vielleicht ideologisch problematischere Partei bevorzugt, passen eben nicht ins Analyseschema von Leuten, deren Leben darauf beruht, numerische Fakten zu ignorieren und ideologisches Gebrabbel zu publizieren und nebenbei die SPÖ faktenfrei zu glorifizieren.
Eine weitere Doppelmoral kann man darin erblicken, dass die Wiener SPÖ (insbesondere die Parteijugend) die burgenländische SPÖ damals vor 4 Jahren scharf kritisierte, weil sie dasselbe machte, wie nun die Wiener SPÖ - nämlich mit dem kleinsten möglichen Koalitionspartner zu koalieren, demgegenüber man am wenigsten Kompromisse machen muss.
Eine besondere gramsci´sche Hegemonie im roten Wien ergibt sich auch durch die Zusammenlegung der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten mit der Gewerkschaft "Kunst, Medien, freie Berufe" zur Younion, wodurch die SP-regierte Gemeinde Wien ein besonderes Druckmittel auf die meisten Wiener Journalisten hat.
Dieses Buch von William Riker ist einer der Klassiker der Politikwissenschaft, und umso erstaunlicher ist es, dass Politikwissenschafter, die in Parteien und Medien arbeiten, so tun, als würden sie dieses Buch und diesen Zusammenhang nicht kennen.