wo Trump recht hat und Kneissl und Sachs unrecht ....

Die österreichische Aussenministerin Kneissl (in der Pressestunde) und der US-Ökonom Jeffrey Sachs (im Standard) haben Stellung genommen zur Frage der sogenannten "extraterritorialen Sanktionen", die man speziell aus österreichischer Sicht verständlicher als Neutralitätsverbote bezeichnen kann: es sind Sanktionen gegen alle diejenigen Staaten, die sich nicht an Sanktionen oder Kriegen beteiligen. Unter Völkerrechtlern und -innen hat sich auch der Begriff der "Solidaritätserzwingung" oder der "Drittstaatssanktionen" eingebürgert. In der Resolution 2231 des UNO-Sicherheitsrates sind sie als "Sekundärsanktionen" ("secondary sanctions" ) erwähnt.

Somit entspricht das, was Trump vorhat, dem, was George W. Bush, laut Ex-Kanzler Schüssel ein "straight talker" (einer, der geradeheraus redet) mit den Worten "You´re either with us or with the terrorists" ("Ihr seid entweder auf unserer Seite oder auf der Seite der Terroristen" ) bezeichnete in Zusammenhang mit dem Irakkrieg von 2003, der übrigens kein reiner US-Krieg war, sondern hinter dem eine "Koalition der Willigen" stand, an der halb Europa beteiligt war. Einer der potenziell heiklen Punkte von Drittstaatensanktionen ist die Mißbrauchbarkeit für Protektionismus. Bisher haben eher die USA derartige extraterritoriale Sanktionen verwendet, aber prinzipiell kann jede Großmacht oder jede Großmächtekonstellation sie verwenden.

Das hängt auch damit zusammen, dass in der internationalen Politik eher den USA die Aufgabe des "bad cop" zufällt, während der EU eher die Aufgabe des "good cop" zufällt. Es gibt keine Judikatur internationaler Gerichtshöfe zur Frage der Drittstaatensanktionen, die alle Faktoren abwägt, sodass eigentlich nur ein Haufen Rhetorik und Vorwürfe bleiben, wie in der "geopolitischen Anarchie" (laut J.J. Mearsheimer) halt üblich.

Jetzt abgesehen von der Frage der UNO-Resolution 2231, die Sachs anspricht, möchte ich einmal die Frage der Zweckmäßigkeit thematisieren, und dabei drei Staatengruppen bzw. drei Neutralitätsgruppen unterscheiden: die informiert-wohlbegründete Neutralität, die desinteressierte Neutralität und die zwangsweise Neutralität.

Ein informiert-wohlbegründet Neutraler weiss über den Konflikt genau Bescheid und kann eine 600-seitige Abhandlung mit stimmigen Argumenten liefern, warum die verschiedenen Konfliktparteien gleich moralisch oder unmoralisch handeln.

Ein desinteressiert Neutraler ist das, was Platon und Aristoloteles "idiot" nannten: er interessiert sich nur für sein persönliches Geschäft, aber gar nicht dafür, ob er damit Kriege oder Terror gegen Dritte finanziert. Er interessiert sich auch nicht dafür, ob seine Handelspartner moralisch oder unmoralisch sind. Er interessiert sich auch nicht für die Menschenrechtslage in dem Staat, in dem er handelt; z.B. ob seine Handelspartner Tausende hinrichten, weil sie gegen schiitische Glaubensgrundsätze verstossen. Eine Spezialform dessen ist der populistisch-neutrale Staat: in ihm weiss die Elite über die Unmoral des Handelspartners bescheid, verschweigt dieses Wissen aber dem unwissenden und desinteressierten Volk aus populistischen Gründen: weil´s oft einfacher ist, Handelsgewinne unter dem unwissenden Volk zu verteilen, als ihm zu erklären, dass diese Handelsgewinne aus unmoralischen Geschäften stammen.

Ein zwangsweise Neutraler ist Einer, dessen offene Beteiligung am Krieg bzw. Sanktionen dem Kriegsziel bzw. Sanktionsziel mehr schaden als nutzen würde. In diesem Fall würde wahrscheinlich auch Trump eine Ausnahme von "extraterritorialen Sanktionen" machen.

Aber extraterritoriale Sanktionen gegen desinteressiert-Neutrale sind vielfach durchaus gerechtfertigt.

Was die angebliche Aufkündigung des Iran-Atominspektionsvertrags (bzw. des JCPOA)betrifft, so dürfte diese überflüssig sein, weil beide Seiten diesen als clausula-rebus-sic-stantibus-obsolet betrachten.

Der Westen betrachtet diesen Vertrag als hinfällig, weil seiner Meinung nach ein etwaiger iranischer Beitrag zu einem gerechten Frieden in Syrien ein impliziter Vertragsbestandteil des Atominspektionsabkommens gewesen wäre, der Iran aber diesen verletzte.

Und der Iran betrachtet das Abkommen wahrscheinlich als hinfällig, weil seiner Meinung nach die Aufnahme von intensiven Geschäften impliziter Vertragsbestandteil war und dieser Vertragsbestandteil vom Westen aus Sicht des Iran verletzt wurde, weshalb der Iran aus Sicht des Iran auch zum Besitz von Atomwaffen berechtigt ist (womit man davon ausgehen kann, dass der Iran bereits ein weitgediehenes Atomwaffenprogramm hat, das aus Sicht des Iran nur dann gegen den Vertrag verstossen würde, wenn der Westen großzügige Geschäfte eingegangen wäre).

Was sowohl Kneissl als auch Sachs außer Acht lassen, ist die Veränderung der Lage am Golf: mit dem Sieg der russisch-iranischen-alawitischen Allianz in Syrien und mit dem Wahlsieg des südirakischen Schiitenführers Al-Sadr, dessen Wahlsieg man als Verstoss gegen die föderalistische Verfassung des Irak betrachten kann und dem mutmaßlichen Atomprogramm des Iran entsteht ein Staat, der eine Bedrohung des regionalen Gleichgewichts ist und damit auch eine Bedrohung des Weltfriedens wäre, den zu sichern der UNO-Sicherheitsrat eigentlich verpflichtet wären, wenn nicht Vetorechtinhaber immer wieder dieses Vetorecht dazu mißbrauchen würden, eigene Vasallen zu erzeugen, wurauf die USA-amerikanische UNO-Botschafterin Nikki Haley schon hinwies.

Sachs vermischt unzulässigerweise zwei Themen: die des mutmaßlich kommenden Irankrieges mit der der Handelswährung. Und Sachs übersieht auch die Möglichkeit, dass sich extraterritoriale Sanktionen, die in diesem Fall von den USA ausgehen, in einem anderen Fall, beispielsweise des Paris-Abkommens und des Klimawandels, auch gegen die USA richten können.

Und Sachs macht auch den Fehler, die Resolution 2231 mit der UNO-Charta in Sachen Gültigkeit gleichzusetzen: man kann argumentieren, die Resolution 2231 sei rebus-sic-stantibus-obsolet, ohne dass diese Obsoletheit auf die gesamte UNO-Charta abfärbt.

Präzedenzfälle sind irgendwie sehr unberechenbar: wer sie schafft und von ihnen beim ersten Mal profitiert, kann bei nächster Gelegenheit ihr Opfer sein.

Und Sachs übersieht auch die Frage des "falschen Krieges": es gibt speziell im Nahen Osten viele Leute, die den Standpunkt vertreten, man hätte statt des "kleinen Satan" Saddam Hussein/Irak gleich den "großen Satan" Mullah-Regime/Iran stürzen sollen, vielleicht sogar im Bündnis mit dem "kleinen Satan". Auch deswegen, wei der Iran den Terror im Irak anheizte, auch um zu verhindern, dass das passiert, was die Neocons wollten: eine Ausstrahlung von Demokratie und Föderalismus vom Irak in den Iran.

Mit anderen Worten: wenn der Iran nicht wäre, wäre der Irakkrieg wahrscheinlich ein voller Erfolg geworden.

(Erfinder der Rhetorik der "beiden Satane" ist übrigens der Iran: mit dem großen sind die USA gemeint, mit dem kleinen Israel. Sich allerdings mit dem kleinen Satan gegen den großen Satan zu verbünden, ist eine Denkweise, die im Iran verboten ist, und nicht vorkommt, vielleicht wegen der drohenden Todesstrafe).

Ich habe mir gestern einen uralten Club 2 aus dem Jahr 1979 angeschaut:

Henry Kissinger meinte darin, man hätte der Sowjetunion nicht erlauben dürfen, durch aussenpolitische Erfolge wie den Putsch/Machtwechsel in Kabul 1979 von den eigenen Widersprüchen und der Mißwirtschaft abzulenken, eine Argumentation, die sich Eins-Zu-Eins übertragen lässt auf den Iran von heute und seine Siege in Syrien und dem Irak bei gleichzeitiger Mehrfachkrise und innerer Revolte (insbesondere der Frauen). Weitere potenzielle Expansionsziele des Iran sind der Libanon und Saudi-Arabien wegen der schiitischen Minderheit / regionalen mehrheit an der Ostküste. Auch aus Marokko kommen heute Meldungen von angeblichem Iranischen Einfluss, für die ich aber auf die Schnelle keine Bestätigung erhalten konnte.

Konsequentes Containment (Eindämmung/Nichtexpansionserlaubnis bis zum Systemkollaps) ist in der Tat eine geniale Strategie, um eine sowohl aggressive als auch inkompetente Ideologie zum Scheitern zu bringen, oft ohne militärisch aktiv zu werden; im Kernland schon gar nicht, und auch bei den Aggressionszielen reicht oft Drohung zur Abwehr. Und das wäre es wohl auch im Falle des Iran gewesen. Schon Reichsführer-SS Heinrich Himmler, sagte in Anbetracht der bosnisch-muslimischen SS-Division "Handschar", der Islam sei eine für einen Soldaten brauchbare und sympathische Religion.

Sehnsüchtig und wehmütig kann oder muss man heute zurückdenken an die Zeit der Pahlavis, des jüngeren und des älteren Schah von Persien, die zwar zumindest teilweise einen dekadenten Lebensstil hatten, aber keinerlei Expansionsbestrebungen nach aussen.

Kissinger kritisierte in diesem Club 2 die Jimmy-Carter-Administration (1976-1980) dafür, dass sie das Containment unterlassen habe. In dieser Form möchte ich dies mit der Obama-Administration nicht machen. Für die US-Demokraten gilt vielleicht dasselbe, was General, Bürgermeister und Bundespräsident Theodor Körner über seine Partei, die SPÖ sagte: sie sei eine Partei von Pazifisten, mit der man keinen Krieg führen könne. Das gilt für Obama und die US-Demokraten umso mehr: man kann nur extrem schwer Muslime als Wählende ansprechen und gleichzeitig Krieg gegen islamische Länder führen. Was auch Sachs´ Behauptung widerlegt, Obama habe durch einen gescheiterten Regime-Change-Versuch in Syrien Schuld an der Katastrophe im Land. Obamas "Assad hat eine Rote Linie überschritten"-Rede war weit von einem ernstzunehmenden Regime-Change-Versuch entfernt, gerade weil er im Wahlkampf Rückzug aus dem nahen Osten versprochen hatte.

Dennoch oder gerade deswegen hat Obama vielleicht das in seinen Möglichkeiten stehende getan: hinter Obamas Regionalmacht-Rede aus dem Jahr 2012 stand möglicherweise die Absicht, Russland und den Iran zu genau dem Syrien-Abenteuer zu provozieren, das seinem etwaigen republikanischen Nachfolger das Führen notwendiger Kriege ermöglicht (dass Trump es sein würde, war damals nicht absehbar, und wenn es absehbar gewesen wäre, hätte Obama vielleicht anders gehandelt bzw. gesprochen).

Auch Obamas "Hallmark of democracy"-Rede (der gewaltlose Wechsel von einer Partei zur anderen sei der Inbegriff der Demokratie) war keineswegs antitrumpistisch, sondern im Gegenteil.

In den angelsächsischen Ländern ist die Bildung großer Koalitionen (als der linken und der rechten Großpartei) in großen Kriegen gute Tradition. Manchmal erfolgen diese große Koalitionen offener, manchmal verdeckter. Gerade die offenen oder verdeckten großen Koalitionen in Kriegen zeigen, dass das ORF-Im-Zentrum-Thema "Wer kann Opposition ?" eigentlich völlig falsch gewählt ist. "Wer kann kriegsnotwendigen Konsens ?" wäre in Anbetracht der Weltlage das richtige Thema gewesen, frei nach Kaiser Wilhelms "Ich kenne keine Parteien mehr" aus der Beginnphase des ersten Weltkriegs.

Für die Friedensprojekt-Gerede-verwöhnte EU wäre eine Kriegsteilnahme natürlich ein Kulturschock: von der Totalüberwachung von Millionenstädten ähnlich wie Tony Blair das London wegen des Irakkriegs verordnete, bis hin zu Überprüfungs- und Aussschlussverfahren für (nicht-100%-zuverlässige) Schiiten in und aus Armeen reichte die Palette. Ein etwaiger Irankrieg könnte Flüchtlingswellen auslösen, die um ein Vielfaches größer wären, als die Flüchtlingswellen aus dem auch bevölkerungsmäßig relativ kleinen Syrien.

Apropos Großbritannien: der Brexit des militärisch fähigsten Mitglieds trifft die EU zum falschest-möglichen Zeitpunkt.

Auf der anderen Seite ist der russisch-iranische Unilateralismus in Syrien eine Rechtfertigung für einen westlichen Unilateralismus zum Sturz des Mullah-Regimes. Und der Mullah-Dissident Montazeri, der sich vom Mitstreiter zum Gegner Khomeinis wandelte, hätte sich vielleicht über den Sturz des Mullah-Regimes gefreut, wenn er noch leben würde.

Ich bin übrigens ledig, und manche Perserinnen bzw. Österreicherinnen mit persischem Migrationshintergrund, von der Supermarktkassiererin bis zur Farsi-Translationswissenschafterin, sind ja absolut bezaubernd, was allerdings in Anbetracht des oft tragischen Vertreibungsschicksals und des Zwangs, vor der Khomeini-Revolution flüchten zu müssen, als unanständige Betrachtungsweise erscheinen kann. Schon Alexander, der Große, praktizierte vor zweieinhalbtausend Jahren die Massenhochzeit von Susa zur Beendigung von zwei Jahrhunderten europäisch-persischer Kriege und zur europäisch-persischen Versöhnung. Europäisch-persische Hochzeiten könnten natürlich rein theoretisch auch notwendige Kriege gegen das Mullah-Regime im Iran unblutiger und kürzer machen, und Versöhnungsprozesse erleichtern.

Ich stimme übrigens George Soros nicht zu, der in einem Interview meinte, die der Brexit würde Großbritannien großen Schaden zufügen. Ich sehe den Brexit-Schaden eher bei der EU, die dadurch ihr militärisch fähigstes Mitglied verliert.

Heute sass übrigens eine Muslima im selben Arbeitsraum, ob schiitisch oder sunnitisch, konnte ich nicht feststellen, fast so, als wollte sie mich dazu ermuntern, diesen Text fertigzustellen.

Public Domain / zug. gem. US Embassy to the UN https://en.wikipedia.org/wiki/Nikki_Haley#/media/File:Nikki_Haley_official_photo.jpg

US-Botschafterin bei der UNO, Nikki Haley. Sie wies in Zusammenhang mit der Skripal-Affäre darauf hin, dass das Vetorecht (sie meinte insbesondere das russische) im UNO-Sicherheitsrat mißbrauchbar ist.

Wenn Staaten, die das Vetorecht innehaben, es nicht im Sinne der UN-Charta verwenden, also um den Weltfrieden zu sichern, sondern nur einzelgängerisch, um einen Schurkenstaat vor Regime Change zu beschützen, dann kann man das in der Tat als "Missbrauch des Vetorechts" betrachten.

Allerdings gibt es keine Judikatur eines internationalen Gerichtshofs, der eine Kriterienliste und Judikaturlinien dafür ausgearbeitet hätte, wann denn nun "Missbrauch des Vetorechts" vorliegt und wann nicht.

Man kann davon ausgehen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass einer der fünf Vetomächte ein Veto gegen einen militärischen Regime Change im iran einlegen würde, relativ hoch ist (es würden wohl am wahrscheinlichsten entweder Russland oder China sein)

Im Übrigen kann ich der Aussage des US-Botschafters in Wien, Traina, Sebastian Kurz sei die Zukunft der europäischen Politik und in Zukunft sollten nur mehr Kinderkanzler wie Kurz die Politik dominieren, absolut nicht zustimmen.

Das ist genau die Einmischung in innere Angelegenheiten, die die USA bzw. die US-Demokraten Russland in Zusammenhang mit der Trump-Wahl vorwerfen.

Die Stelle ist bei 1:09:00. Hier beginnen Kissinger und Sik zu streiten, was Entspannungspolitik ist: Kissinger meinte, Entspannungspolitik heisst, die Sowjetunion eindämmen und am Expandieren hindern (wahrscheinlich with all necessary means / mit allen notwendigen Mitteln), bis zu ihrem völligen Zusammenbruch, der dann 1991, also 12 Jahre später kam. Das Hauptziel dieses Expansionsverbots ist, zu verhindern, dass eine kriegsfähige, aber wirtschaftsinkompetente und ansonsten repressive Ideologie durch aussenpolitische-militärische Erfolge vom inneren Versagen (Korruption, Wirtschaftskrise, Proteste unterdrückter Frauen ...) ablenkt.

Diese Denkweise ist von der Sowjetunion sehr gut auf das Mullah-Regime im Iran übertragbar ...

Dem Neutralitätsverbot entspricht auch die Idee der globalen Gültigkeit von Rechtsnormen: wenn z.B. Folter im vergangenen Syrienkrieg weltweit geahndet wird, dann sind alle Staaten verpflichtet, sich an der Strafverfolgung zu beteiligen.

Gewaltsamen Regime-Sturz könnte man auch sprichwörtlich so wie der Volksmund "Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil" beschreiben.

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