Da heute FUF-Blogs auftauchten, die sich mit der EU-Wahl und der Bestellung der EU-Kommission (insbesondere der Tatsache, dass die Favoritin Von der Leyen nicht Spitzenkandidatin war) beschäftigten, und da diese keine Kommentarmöglichkeit enthielten, was die Demokratie-Ansage sehr fragwürdig macht, möchte ich hier im Zuge eines eigenen Blogs die Gegenposition vertreten: dass das Spitzenkandidatenmodell fragwürdig, gewaltenteilungswidrig, antiparlamentarisch ist, der Struktur der EU widerspricht und eine Tendenz zu Machtkonzentration im Westen hat.
1.) Gewaltenteilung: das klassische Konzept der Gewaltenteilung sieht eine Trennung in Exekutive (Regierung) und Legislative (Gesetzgebung, Parlament) vor, idealerweise in zwei verschiedenen Wahlakten, so wie z.B. in den USA Präsident, der die Regierung bestimmt, bzw. nominiert, und Kongress in zwei verschiedenen Wahlen bestimmt werden.
Das Spitzenkandidatenmodell der EU widerspricht nun diesem Konzept, weil der EU-Kommissionspräsident aus den selben Wahlen abgeleitet werden soll wie das EU-Parlament, weil die Spitzenkandidatenfrage die Parlamentsparteien und die Parlamentskandidaten in den Hintergrund drängt.
Das Spitzenkandidatenmodel scheint viel mehr eine Art Trick der beiden größten Parteien, EVP und SPE, zu sein, ihren eigenen Niedergang aufzuhalten und die kleineren Parteien zu schädigen, weil viele Wähler EVP und SPE nur wegen des Spitzenkandidatenmodells wählen und diese beiden Parteien ohne dieses Modell nicht gewählt hätten. Und eben weil das Spitzenkandidatenmodell gar nicht den Sinn hat, den EU-Kommissionspräsidenten zu bestimmen, sondern die kleineren Parteien zu schädigen, ist es auch keine Katastrophe, wenn der stimmenstärkste Spitzenkandidat gar nicht Kommissionspräsident wird oder wenn keiner von den Spitzenkandidaten Kommissionspräsident wird.
2.) Die EU ist in mancherlich Hinsicht demokratieunfähig: es fehlt eine gemeinsame Sprache, die sogenannte Sprachenunion. Da Demokratie eine gemeinsame Sprache braucht, gibt es daher auch keinen europäischen Demos, kein europäisches Volk.
3.) Betrachtet man die sogenannten "Spitzenkandidaten" 2014 und 2019, so fällt eine Westdominanz, bzw. eine Gründungsmitgliederdominanz auf: die sogenannten Spitzenkandidaten waren: Juncker (Luxemburg), Schulz (Deutschland), Keller (Deutschland), Timmermans (Niederlande), Weber (Deutschland). Obwohl die EU 28 Mitglieder hat, kamen die Spitzenkandidaten immer aus einem ganz kleinen Kreis der sechs Gründungsmitglieder.
Eben deswegen, weil es eine so extrem hohe Westdominanz, bzw. Gründungsmitgliederdominanz bei den Spitzenkandidaten gibt, wäre es auch schlecht, wenn der/ein Spitzenkandidat Kommissionspräsident würde.
4.) Man kann auch argumentieren, dass Von der Leyen als deutsche Verteidigungsministerin so katastrophal (und zwar für ganz Europa) war, dass es gut ist, dass sie nun auf den Posten des Kommissionspräsidenten weggelobt wird, damit sie im deutschen Verteidigungsministerium keinen Schaden mehr anrichten kann.
Durch ihre Weigerung, ein offensiveres Kampfflugzeug als den Eurofighter zu konzipieren und aus dem Eurofighter zumindest teilweise auszusteigen, vertrieb sie die Briten, die ein solches offensiveres Flugzeug mit Stealth-Eigenschaften wollten, aus der EU, trug zum Brexit bei und damit auch zum französischen Vetomonopol. Das Resultat war, dass die Briten immer mehr Richtung USA drifteten, inklusive der britischen Beteiligung am Joint Strike Fighter der USA (Lockheed-Martin F-35).
5.) Das einzige Argument, warum Von der Leyen nicht Kommissionspräsidentin werden sollte, ist quasi, sie dafür zu bestrafen, dass sie mit ihrer Eurofighter-Politik dazu beitrug, die Briten aus der EU zu ekeln und ein französisches Vetomonopol zu schaffen. Da GB und Frankreich die einzigen EU-Mitglieder mit ständigem Sitz und Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat sind, und nun nach dem Brexit Frankreich das einzige Land mit derartigem Veto ist, kann Frankreich praktisch imm Alleingang die EU-Aussenpolitik bestimmen, und Großbritannien kann nicht mehr wie früher mit einer Vetodrohung egoistische französische Vorschlage, die nur den nationalen Interessen Frankreichs dienen, aber den anderen europäischen Nationen schaden, vom Tisch fegen.