Die europäischen Medien fällen über den österreichischen Kanzler Kurz bzw. über die Alpenrepublik wegen des Skitourismusstreits, in dem letztlich Österreich nachgab, ziemlich vernichtende Urteile, so a la verrückte Republik der Alpentrottel, regiert von einem populistischen kleinen Kind, das Profit über Gesundheit stellt, solange man es lässt:
"ARD-Tagesthemen"
"Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet. So lassen sich aus meiner Sicht die heutigen Beschlüsse der österreichischen Regierung zum Skifahren in der Alpenrepublik kommentieren. Was waren das für kraftstrotzende Töne, die wir da in den vergangenen Tagen aus Wien zu hören bekommen haben. Man lasse sich von keinem anderen Land vorschreiben, wann was zu öffnen sei. Man würde ja Deutschland auch nicht vorschlagen, die Frisöre zu schließen. Richtig. Die haben aber im Februar, März auch nicht halb Europa mit dem Coronavirus infiziert. Sei's drum. Heute also der geordnete Rückzug der Regierung Kurz. Die Vernunft hat sich durchgesetzt."
"Bild" (Berlin):
"Hier sagt Kanzler Kurz unsere Ski-Ferien ab! Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (34) machte gestern klar: Bis zum 10. Januar wird es KEINEN Ski-Urlaub in seinem Land geben. (...) Damit gibt Österreich im Ski-Streit mit Bayern auf ganzer Linie nach. Ein Sieg für Ministerpräsident Markus Söder (53)! Er hatte massiv dafür geworben, die Pisten geschlossen zu halten, einen 'Akt europäischer Solidarität' in der Corona-Krise verlangt. Söders Vorstöße sorgten in Österreich für Ärger, Österreich mehrfach verbat sich das Ski-Land eine Einmischung von deutscher Seite."
"Süddeutsche Zeitung" (München):
"Österreichs Kanzler Sebastian Kurz setzt in der Ski-Debatte auf die berühmte österreichische Zwischenlösung: geöffnete Skipisten ja, geöffnete Hotels und Restaurants hingegen nein. (...) Skifahren auf österreichischen Pisten bleibt damit vorerst den dort Lebenden vorbehalten. Fragt sich nur, warum Österreich vergangene Woche eine europaweite Debatte über den heimischen Skiurlaub ausgefochten hat. Vermutlich zur Ablenkung. Denn die Corona-Zahlen und Todesfälle sind weiterhin dramatisch hoch. Der Ski-Streit kam wohl gerade recht, österreichische Politiker konnten sich öffentlichkeitswirksam über die Bevormundung durch die Nachbarländer aufregen, die eine europaweite Schließung der Skigebiete und Verzicht auf den Winterurlaub forderten. Als Feindbild wurde auch schnell die EU auserkoren, die zwar gar nicht zuständig wäre für solch ein Verbot, aber von Wien sogleich zu Kompensationszahlungen aufgefordert wurde. Nun zeigt sich: Die Aufregung war mehr als umsonst."
"tz" (München):
"Das Land, das den Takt angibt im Skibetrieb, wird kurzfristig Hunderte Millionen Euro Verluste erleiden. Mittelfristig kann Kurz' Vorgehen aber das ruinierte Vertrauen ins Winterziel Österreich wieder erneuern. Das Infektions-Drama von Ischgl mit Dutzenden Toten in ganz Europa gründete in der fatalen Fehlentscheidung der regionalen Politik, Kommerz über Schutz zu stellen. An Ischgl wird diese Schmach noch Jahre kleben. Und auch die Bilder vom Saisonstart heuer, dichte Warteschlangen am Skilift, wirkten verstörend. Kurz lässt mit seiner Urlauber-Quarantäne ein Hintertürchen offen - falls die Inzidenz unter 100 sinkt. Wichtiger ist aber das Signal: Wir haben verstanden, wir stellen die Gesundheit über den Umsatz. Auf Druck der Nachbarländer, sicherlich. Aber der unpopuläre Beschluss schickt auch die Botschaft nach Bayern: Lasst uns wieder stärker gemeinsam agieren."
"Frankfurter Rundschau":
"Österreich hat sich dazu entschlossen, auf der Schussfahrt in Richtung Skisaison doch noch einmal zu wenden. Hotels und Gaststätten in dem Land müssen bis zum 10. Januar geschlossen bleiben und für einreisende Tourist:innen aus Risikogebieten - also beinahe aus ganz Europa - wird eine zehntägige Quarantäne verhängt, teilte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz am Mittwoch mit. (...) Diese Wende des österreichischen Bundeskanzlers kommt überraschend. Hatte er doch vergangene Woche gegen Italien, Frankreich und Deutschland dafür getrommelt, den grenzüberschreitenden Skitourismus am Laufen zu halten. Das wäre allerdings fahrlässig gewesen - insbesondere vor dem Hintergrund, dass das österreichische Ischgl im vergangenen Winter zum Symbol eines viel zu leichtsinnigen Umgangs mit dem Coronavirus geworden war."
"Frankfurter Allgemeine Zeitung":
"Der (Skiurlaub) ist für die Weihnachtsferien gestrichen - nicht so sehr wegen der Einreiseregeln, sondern weil Hotels und andere Ferienquartiere geschlossen bleiben. Damit kommt Wien den Forderungen faktisch aus Rom, Paris, Berlin und nicht zuletzt München nach. Wobei Kurz ausführlich darlegte, dass man sich in keiner Weise an Wünschen aus dem Ausland orientiert habe, sondern ausschließlich an den gesundheitlichen Notwendigkeiten im Inland. (...) Wie um die Tantalusqualen in den Nachbarländern noch zu erhöhen, werden allerdings schon vor Weihnachten die Skipisten geöffnet. Auch Lifte und Seilbahnen dürfen dann in Betrieb genommen werden. Denn - so die Begründung - gegen Individualsport an der freien Luft sei ja nichts einzuwenden. Und Gondeln seien im Grunde öffentliche Massenbeförderungsmittel wie U-Bahnen, und dafür gebe es geeignete Konzepte. Für die Tourismusindustrie mag das ein Trost sein, wenn auch ein schwacher."
"Blick"(Zürich):
"Kurz knickt ein. (...) Eigentlich wollte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz über die Feiertage wieder Wintersportler empfangen. Doch seit gestern ist alles anders. Kurz hielt dem Druck von Deutschland, Frankreich und Italien nicht stand, die ihre Skigebiete erst im Januar öffnen. Sie wollen so eine dritte Corona-Welle verhindern."
"Luzerner Zeitung":
"Im europäischen Skistreit schafft Wien vollendete Tatsachen. Es ist ein Kompromiss, wie er österreichischer kaum sein könnte: Skifahren, ja; Bewirtung und Beherbergung, nein. Die Skigebiete dürfen also öffnen, die Gastronomie, vor allem aber Hotels und Pensionen bleiben über Weihnachten zu. Der Skibetrieb wird damit in erster Linie Tagestouristen aus dem eigenen Land anlocken."
Was die europäischen Medien weniger thematisieren, ist der Widerspruch, den sich Kanzler Kurz bzw. der ÖVP-Wirtschaftsflügel mit seinem Widerspruch zwischen Innenpolitik und Aussenpolitik einhandeln: wenn gegen das rote Wien geht, möglichst harte Corona-Politik fordern, hingegen, wenn´s um ganz Österreich geht, das genaue Gegenteil tun und der EU zu große Härte vorwerfen.
Auch, dass ein Rückgang der Skiliftnutzer von 90% zu erwarten ist, wenn es keinen Skitourismus mehr gibt, ist eher kein Kompromiss, sondern eine De-Facto-Niederlage mit einem klitzekleinen Trostpflaster.
Und es stellt sich auch die Frage, ob Kanzler Kurz mit seinen ständigen Maximalforderungen an alle Anderen und folgendem Einlenken und Umschwenken nicht jeder Glaubwürdigkeit verliert.
Aber nationalistische Politik in der heutigen EU hat eben kaum Durchsetzungschancen: so gesehen war die Einbläuung der ÖVP (von Schwarz auf Türkis) letztlich nur ein Beweis, dass eine heutige Regierung ein gewisses Mindestmaß an europäischem Denken braucht und dass man mit Anti-EU-Populismus zwar Wahlen gewinnen kann, aber keine Politik machen kann.