Die FPÖ war früher die Partei mit dem höchsten Anteil an Evangelischen, die ÖVP die mit dem höchsten Anteil an Katholiken und die SPÖ die mit dem höchsten Anteil an Juden und Atheisten.
Umso erstaunlicher, dass die FPÖ nun ihre frühere bzw. heutige Klientel, aus der sich auch viele Funktionäre rekrutier(t)en, abstösst, indem sie den Karfreitag nicht zum Feiertag macht.
Nun kann man sagen, die Zeiten ändern sich, die FPÖ hat ihre Wählerstruktur schon öfter geändert, beispielsweise unter Jörg Haider von der Honoratiorenpartei (der Notare und Rechtsanwälte) eher hin zu einer Arbeiterpartei.
Die Art und Weise, wie Vizekanzler Strache in der Karfreitags-Sache argumentiert, zeigt seine juristischen Mängel: "Wir wollen keinen muslimischen Feiertag, daher sagen wir auch zum evangelischen Karfreitag ´Nein´ ".
Natürlich gilt der Gleichheitsgrundsatz der Verfassung, d.h. wenn der Karfreitag als wichtigster Feiertag der Evangelischen wesentlich schlechter behandelt wird als katholische Feiertage, dann kann das u.U. durch Verfassungsklage gekippt werden, unabhängig davon, was die Regierung tut oder will.
Und Strache, bei dessen später Taufe (nach dem vierzigsten Lebensjahr, als er schon Politiker war) eher Populismus als wirklich religiöses Interesse eine Rolle gespielt haben dürfte, übersieht einen ganz wesentlichen Aspekt: Martin Luther, der Religionsgründer des Augsburger Bekenntnisses (der Evangelischen), war ein Reformator, ein Religionsänderer, und diese Funktion könnte eine ganz wichtige Vorbildrolle spielen in Bezug auf eine Reform des Islam. Und alleine schon deswegen haben die Evangelischen und Martin Luther eine Aufwertung (zum Beispiel durch Aufwertung des Karfreitag) verdient.
Genauso wie Martin Luther ganze Bücher (wie Jesus Sirach) aus dem Alten Testament und damit der Bibel entfernte, bzw. als Apokryphe, als zweitrangige Bibelteile einstufte (in manchen Bibelausgaben wurden diese zu Apokryphen abgewerteten Bücher nicht abgedruckt), könnte ein muslimischer Religionsreformer problematische Passagen (wie z.B. gewaltbefürwortende oder frauenschlechterstellende) aus dem Koran entfernen oder als zweitrangig einstufen, was den Islam zu einer weit besseren Religion machen könnte, als er derzeit ist.
Und genau der Unterschied in den Religionen zeigt auch, dass Strache juristisch irrt: Jesus Christus war ein Pazifist, Mohammed ziemlich genau das Gegenteil, ein Kriegsherr.
Und dieser Unterschied könnte der Grund sein, warum die Anerkennung evangelischer Feiertage oder eines evangelischen Feiertags (dem Karfreitag) kein Präzedenzfall für die Anerkennung muslimischer Feiertage sein könnte. Man nennt das "sachlich gerechtfertigte Diskriminierung".
Als eine reform-islamische Strömung wäre wohl Seyran Ates´s Ibn-Ruschd-Goethe-Moschee einzustufen: was ist, wenn diese eine vom traditionellen Islam abweichende Feiertagsforderung entwickelt und die Republik Österreich diesen zum Feiertag erklärt ?
(Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ates den Jahrestag der Schlacht der Kerbala z.B. so wie Schiiten als feiertagswürdig einstuft)
Wäre das dann auch ein Feiertag, den "wir" laut Strache nicht wollen ?
Alles in Allem (auch wegen des Bruches mit der eigenen evangelischen Geschichte) sieht die FPÖ und Vizekanzler Strache im Besonderen in der Religions- und Karfreitagsfrage ziemlich schlecht aus.
Ich komme übrigens selbst aus einer Familie, die einen recht großen, sowohl FPÖ- als auch Protestantismus-affinen Flügel hat.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Linie der FPÖ dort gutgeheissen wird.
CC / z.g. Gregor Tatschl https://de.wikipedia.org/wiki/Heinz-Christian_Strache#/media/File:2013_Heinz-Christian_Strache_(10008576264).jpg
H.C. Strache: Karfreitagsablehnung erstens Bruch mit FPÖ-Geschichte und -Milieus, zweitens kontraproduktiv in Hinsicht auf Islam-Reform und drittens juristisch unbegründet ?
Ein H.C.-Hattrick: drei Fehler in einer einzigen Entscheidung ?
Eine Fehlentscheidung, die würdig ist für die Aufnahme in das Buch "Die Torheit der Regierenden" von Barbara Tuchman ?
Siehe auch:
Ich kann das Facebook-Video nicht copypasten, auch die Html-Adresse nicht, daher probier ich´s so, mit Ausschreiben:
https://www.facebook.com/HCStrache/videos/2290316641255358/
Strache empfängt die Reform-Muslima Seyran Ates, spricht ihren Namen falsch aus ("Ates" statt "Atesch" ), und findet jeden islamischen Feiertag, auch einen reformislamischen als ganzganzböse ...