Soweit ich das überblicken kann, hat kein österreichisches Medium und keine österreichische Partei im Graz-Gemeinderats-Wahlkampf das Argument gebracht, dass Elke Kahr bzw. die Grazer KPÖ im Sozialbereich gar nicht so viel bewegen kann, weil zahlreiche Materien gar keine Gemeindesache, sondern Bundessache sind.
Beispielsweise die Frage der Wohnungsmindestgröße ist eine Bundessache, hier kann Elke Kahr bzw. die Grazer KPÖ nichts bzw. wenig bewirken, weil sie keine Bundespartei im Parlament hat, und weil auch in Zukunft die KPÖ wahrscheinlich sehr schlechte Chancen hat, in den Nationalrat einzuziehen.
Da stellt sich die Frage, warum - zumindest meiner Beobachtung nach - kein Medium bzw. keine Partei dieses Argument im Wahlkampf gebracht hat.
Man kann es auch als ein bisschen unehrlich betrachten, dass Elke Kahr im Wahlkampf selbst nie betont hat, dass mangels Vertretung im Nationalrat viele Projekte und Wahlmotive für die KPÖ schlechte Umsetzungschancen haben, aber wie schon der Wiener Bürgermeister Michael Häupl sagte "Wahlkampf ist die Zeit der fokussierten Unintelligenz".
Bei SPÖ oder Grünen kann man mutmaßen, dass es der Gedanke war, dass man sich durch dieses Argument einen potenziellen künftigen Koalitionspartner vergraulen könnte, und dass sie das deswegen verschwiegen haben. Oder weil die KPÖ ja doch irgendwie eine ideologische Verwandte wäre, oder weil man in puncto Frauenpolitik ähnlich liegt.
Aber gänzlich rätselhaft bleibt, wieso ÖVP, FPÖ und die ihnen nahestehenden Medien - zumindest meiner Beobachtung nach - dieses Argument nicht brachten.
Vielleicht dachten ÖVP und FPÖ, ihre Kandidaten seien einfach so zugkräftig, oder die Angst vor dem Kommunismus sei so groß, dass man andere sachliche Argumente als "Pöserpöser Kommunismus" gar nicht zu bringen braucht.
Und bei den ÖVP-nahen, bzw. kirchennahen Medien kann man vermuten, dass der Konflikt zwischen ÖVP und katholischer Kirche z.B. in dieser ÖVP-Schmid-Drohung, die auch von Kanzler Kurz in den öffentlich gewordenen Chats gutgeheissen wurde, der katholischen Kirche die Subventionen und Steuerbefreiungen zu entziehen, so massiv gewesen sein könnte, dass die kirchennahen Medien, die eigentlich traditionellerweise der ÖVP nahestehen, die ÖVP diesmal fallen liessen. Die Kleine Zeitung Graz war es auch gewesen, die drei Wochen vor der Wahl eine sehr irreführende Umfrage des OGM-Instituts brachte, die die ÖVP bei ca. 35% prognostizierte, also ca. 10% höher, als sie dann am Wahltag erreichte, was vermutlich zahlreiche ÖVP-Wähler und -innen zum Nichtwählen brachte; das SORA-Wählerstromanalyse bezifferte die Wanderung von der ÖVP zu den Nichtwählern mit 7000, was 5.8% der Gesamtwähler entspricht.
Beim Verhältnis zwischen Kirche (katholischer Kirche) und Kommunismus spielt auch der Papstwechsel eine große Rolle: Benedikt/Ratzinger war ein strikter Antikommunist aus einem reichen europäischen Land (Deutschland), hingegen Franziskus/Bergoglio näherte sich stark der kommunistisch beeinflussten südamerikanischen Befreiungstheologie an, und er kommt auch selbst aus einem vergleichsweise ärmeren südamerikanischen Land (Argentinien). Das kaufkraftbereinigte Pro-Kopf-BNP von Deutschland ist mit 54.000 USD mehr als doppelt so hoch wie das von Argentinien mit 24.000 USD, beim realen Pro-Kopf-BNP ist der Unterschied noch größer.
Eine weitere mögliche Erklärung, warum ÖVP und FPÖ dieses Argument nicht gebracht haben könnten, ist das, dass es einen Landtagseinzug oder Parlamentseinzug der KPÖ wahrscheinlicher machen könnte.
Eine weitere mögliche Erklärung wäre absichtliches Verlieren: die ÖVP oder manche Teile von ihr könnte die Wahl in Graz absichtlich verloren haben, damit mehr Aufmerksamkeit auf die KPÖ und ihre Vertreter gerichtet wird. Was in der Folge auch dazu führen kann, dass die KPÖ ihre Landtagsvertretung und ihre Gemeinderatsvertetung bzw. große Teile derselben wieder verliert.
Wie seht Ihr das ?
Und wisst Ihr was davon, dass eine Partei oder ein Medium dieses Argument gebracht hätte ? (vorzugsweise mit Quellenangabe)
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