Der französische Präsident Macron hat nun, mitten in der deutschen Regierungslosigkeit wegen der schwierigen Regierungsbildungsverhandlungen, seine Vorschläge gemacht, wie er sich die Zukunft der EU vorstellt:
auch wenn die verschiedenen Medienberichte darüber widersprüchlich sind, so scheinen sich einige Tendenzen herauszukristalliseren:
ein EU-Finanzminister.
eine Verteidigungs- und Interventionsunion mit einer einheitlichen Verteidigungsdoktrin.
eine Finanztransaktionssteuer.
eine Besteuerung von Internetkonzernen.
Begleitet hat er das mit der üblichen antifaschistischen, antinationalistischen Rhetorik Marke "Wer dagegen ist, ist ein Nazi !", mit der er schon im französischen Präsidentschaftswahlkampf Erfolg hatte.
Auch wenn ich Gefahr laufe, von Macronisten als Nazi oder Le-Penist eingestuft zu werden, möchte ich mir erlauben, eine abweichende Meinung zu vertreten.
Und die würde eine europäische Interventionspflicht vorsehen ohne eine einheitliche Interventionsdoktrin, die Möglichkeit von Koalitionen der Willigen und der Pflicht, an solchen teilzunehmen, in einer gewissen Häufigkeit, aber nicht zwangsweise und immer.
Es besteht Gefahr, dass eine einheitliche EU-Militärdoktrin zu sehr französisch geprägt ist, weil Frankreich zum Beispiel nach dem BREXIT das einzige Land mit Atomwaffen, das Land mit meisten Interventionserfahrung, etc. ist.
Der deutschsprachige Raum hat auch aufgrund der Folgewirkungen des Nationalsozialismus einen Rückstand in Sachen militärische Kompetenz bzw. Akzeptanz, und kann wegen der militärischen Unerfahrenheit auch und insbesondere Merkels bzw. ihrer Zurückhaltung vielleicht leicht über den Tisch gezogen werden, und zu schlechten Einigungen genötigt und überrumpelt werden.
Irgendwer sagte einmal, Politik sei die Kunst, das Eigeninteresse als das Interesse der Allgemeinheit zu kostümieren.
Oder um auf den Spezialfall zu kommen, könnte man das vielleicht paraphrasieren: Politik ist die Kunst, das nationale Interesse Frankreichs als das europäische Interesse zu kostümieren.
Bei aller Wertschätzung Frankreichs und mancher seiner Tendenzen und Traditionen:
Die dominante Rolle, die Frankreich und Macron insbesondere nach dem BREXIT, insbesondere nach der Wahlschlappe der CDU in Deutschland spielen, verdienen er bzw. es wahrscheinlich nicht.
Im Gegensatz zu einer einheitlichen Interventionsdoktrin stünde eine flexible Struktur mit allgemeiner Interventionspflicht, zumindest derer Staaten, die sich bei der Flüchtlingsaufnahme nicht-solidarisch zeigen.
Warum sollen nicht mehrere EU-Kleinstaaten im Rahmen einer gemeinsamen Intervention als eine Koalition der Willigen intervenieren, ohne die beiden traditionellen Dominatoren Europas, nämlich Deutschland und Frankreich ?
Macron hat auch mit seiner Betonung von Versailles bzw. Saint Germain und Trianon (der Vertrag von Versailles und die anderen Vororteverträge waren eine der Mitursachen für den Aufstieg des Nationalsozialismus, insbesondere in Deutschland und Österreich) eine problematische Tendenz dazu, offensichtlich eine Art neuer Napoleon werden zu wollen.
Dazu kämen natürlich alle Phänomene der neuen Kriege:
Die französische Fremdenlegion, die sich ausschliesslich aus Nicht-Franzosen rekrutiert, ist so wie die Tschetnik-Freischärler-Gruppen im Bosnien-Krieg oder im Kroatien-Krieg ein Phänomen der Irregularisierung des Krieges, insofern, als es sich nicht um reguläre Staatsarmeen handelt, die sich auschließlich aus Staatsbürgern des betreffenden Staates rekrutieren.
Die EU wird schlecht Slobodan Milosevic wegen seiner mutmasslichen Verwicklung in die irreguläre Kriegsführung als Kriegsverbrecher bei den Den Haager Kriegsverbrecherprozessen anklagen können, aber über die ähnlich gelagerte französische Fremdenlegion den Mantel des Schweigens breiten können.
Der Vorwurf "Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen" läge dann nahe, weil Serbien ein Kleinstaat ist, hingegen Frankreich eine Großmacht.
Macron liess übrigens offen, ob derartige Interventionen mit oder ohne UN-Sicherheitsratmandat erfolgen sollen.
Gerade die privilegierte Position Frankreichs, nach dem BREXIT als einziges EU-Mitgliedsland gleichzeitig ein Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat zu haben, gibt Frankreich bzw. Macron die Möglichkeit, alles zu blockieren, was ihm nicht gefällt, soferne eine Zustimmung im UNO-Sicherheitsrat dazugehört.
Und daher ist diese ganze Konstellation extrem gefährdet, zu 99%-französische Politik unter EU-Flagge zu werden.
Als umso tragischer stellt sich jetzt der BREXIT heraus, weil Großbritannien das einzige gleichwertige Gegengewicht zu französischen Dominanzbestrebungen gewesen wäre, weil Großbritannien eben auch ein Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat hat.
Die Briten würden vielleicht unter Normalbedingungen etwas Kritisches zu den Macron-Vorschlägen sagen, aber weil sie wegen der Brexit-Abstimmung schon halb draussen stehen, halten sie sich mit Meinung und Positionen zurück.
Analysten wie H.W.Sinn scheinen nun recht zu bekommen, die meinten, durch den BREXIT würde das Gleichgewicht der europäischen Großmächte außer Kraft gesetzt, die Protestanten könnten zu schwach werden, die Katholiken oder der Club-Med (Frankreich, Italien, Spanien) könnten dominieren.
https://de.wikipedia.org/wiki/Napoleon_Bonaparte
Der französische Herrscher Napoleon kontrollierte durch Familienangehörige, militärische Siege und Heiratspolitik eine Zeit lang (Anfang des 19. Jahrhunderts) praktisch ganz Kontinentaleuropa mit Ausnahme von Russland.