Rosinenpickerei geht nicht. Man kann nicht nur die Vorteile einer Sache haben wollen, aber die Nachteile nicht.

Österreich rühmt sich, Konferenzstandort zu sein, einen OPEC-Sitz zu haben, einen UNO-Sitz, Österreich rühmt sich, internationaler Treffpunkt zu sein.

Aber ebenso wie die Vorteile davon, internationaler Treffpunkt zu sein, Tourismuseinnahmen, gute Kritiken in der Weltpresse und Ähnliches sind, ebenso sind die Nebeneffekte oft Gewalt zwischen Ausländergruppen.

"You cannot eat a cake and keep it", sagt ein britisches Sprichwort. Man kann einen Kuchen nicht essen und gleichzeitig behalten.

Und wenn man eben internationaler Konferenzstandort sein will, mit den dazugehörigen Einnahmen, dann muss man eben auch in Kauf nehmen, dass es sogenannte "importierte Konflikte" geben kann.

Und die importierten Konflikte betreffen meistens die österreichischen Staatsbürger ohnehin nicht.

Als im Jahr 1989 ein iranisches Killerkommando einige kurdische Politiker in Wien-Landstrasse erschoss, wurde kein einziger Österreicher und keine einzige Österreicherin geschädigt, IIRC.

Bei Konflikten zwischen Turken und Kurden gibt es zwar Gewalt, aber primär zwischen diesen beiden Gruppen.

Wenn ein tschetschenischer Blogger mutmaßlich von Tschetschenen ermordet wird, dann trifft das eben nur Tschetschenen.

Und diese "importierten Konflikte" gab es schon immer, sie gehören zu Österreichs Geschichte. Im Kalten Krieg (1948-1991) war Österreich ein Tummelplatz von Ost- und Westagenten, die sich auch gegenseitig töteten. Hinter dieser "Niemals importierte Konflikte zulassen!"-Mentalität steckt so eine Art Schrebergartenmentalität, bei der der Schrebergärtner mit geladenem Gewehr auf dem Schreberhäuschen sitzt, um zu garantieren, dass niemand jemals den Schrebergarten betritt. Aber ein Nationalstaat wie Österreich ist einerseits zu groß, um so wie ein Schrebergarten vom Dach aus überwacht werden zu können, aber er ist andererseits zu klein, um sich abschotten und autark versorgen zu können.

Und das war die andere Seite der Medaille, dass Österreich eben auch Treffpunkt und Verhandlungsort wichtiger Gipfeltreffen war, so wie dem zwischen US-Präsidenten Kennedy (nach dem eine Wiener Brücke benannt ist) und dem Sowjetchef Chruschtschow 1961.

Ich finde es unehrlich, den Leuten einzureden, man könne die "importierten Konflikte" loswerden, ohne die importierten Konferenzen, importierten Tourismuseinnahmen, importierten internationalen Organisationen auch damit zusammenhängend loszuwerden.

Gerade im Zusammenhang mit den beanspruchten Sonderbedingungen für Großbritannien haben österreichische Politiker immer betont, dass es kein "Cherry picking" (Rosinenpicken) geben kann.

Man nimmt einen fairen Anteil am ganzen Kuchen, und lässt den anderen einen genauso fairen Anteil daran.

Aber die Rosinen für sich alleine zu haben, hingegen die trockenen Krümel den Anderen zu lassen, ist eigentlich keine faire Vorgehensweise.

Und es ist ein unredliches Versprechen, den Leuten einzureden, man könne die Vorteile des internationalen Konferenzstandorts wie zum Beispiel die Einnahmen haben, ohne die Nachteile, wie die sogenannten "importierten Konflikte".

Und diese importierten Konflikte können auch ein Vorteil sein, nämlich dass man besser bescheid weiss über die weltweiten Konflikte als der Rest der Welt und diese auch besser lösen kann.

Sowohl als bedeutende Diplomatiemacht wie beim Wiener Kongress von 1815 als auch bei der oftmaligen Entsendung von UNO-Blauhelne leistete Österreich oft einen großen Anteil zum Frieden.

Man kann eben nicht Brücke der Kulturen sein, ohne Brücke der Kulturen zu sein. Nur die Vorteile der Brückenfunktion ohne die Nachteile der Brückenfunktion haben zu wollen, kann sich irgendwie nicht ausgehen, auch wenn zornige Leute mit einseitigem Blick das suggerieren und versprechen.

pixabay License / James De Mers https://pixabay.com/photos/bridge-japanese-garden-arch-park-53769/

Die Brücke kann Begegnungsort zwischen zwei Ufern sein, aber von der Brücke aus kann man auch ins Wasser fallen.

Aber Brücke und Begegnungsort ohne die Gefahr, dass jemand ins Wasser fallen könnte, geht nicht. Auch wenn das im Zeitalter des hemmungslosen Populismus versprochen wird.

CC / Urheber unbekannt - The National Archives and Records Administration: https://www.archives.gov/research_room https://de.wikipedia.org/wiki/Gipfeltreffen_in_Wien#/media/Datei:JFK_Khrushchev_Handshake_1961.jpg

Der historische Handschlag von Kennedy und Chruschtschow in Wien 1961 verschaffte Wien und Österreich Weltruhm, der "keine importierten Konflikte!"-Populismus läuft Gefahr, den Ruf von Wien als Konferenzstadt und die damit verbundenen Einnahmen und Sympathien zu verspielen.

Der Rückzug Österreichischer UNO-Blauhelme vom Golan war ein erster Schritt des Verspielens, der Abzug des König-Abdullah-Zentrums ein zweiter. Österreich wird seitdem mißtrauischer beäugt, als egoistisch und unsolidarisch, aber das Mißtrauen ist noch auf geringem Niveau, und die negativen Folgen des kompletten Vertrauensverlusts sind noch nicht eingetreten.

CC / Extrawurst https://de.wikipedia.org/wiki/Kennedybr%C3%BCcke_(Wien)#/media/Datei:Kennedybruecke060401.jpg

Kennedybrücke in Wien: Anspielung auf die einerseits verbindende, andererseits gefährliche Funktion der Brücke ? Die Namensgebung erfolgte unmittelbar nach der Ermordung von Kennedy und 2 Jahre nach Kennedys Handschlag mit Chruschtschow.

Die Science-Fiction-Fernsehserie "Raumstation Babylon 5" beschäftigt sich mit der einerseits friedensschaffenden, aber andererseits gefährlichen Geschichte einer Raumstation. Der Titel "Babylon" ist eine Anspielung auf die sprachenverwirrte und oftmals gewaltgeprägte Handelsmonopole Babylon in der Bibel.

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