Dass das sogenannte "Freie Spiel der Kräfte" so frei ist, andersgearteten, aber qualitativ ebenso minderwertigen Pfusch in Sachen Parteienfinanzierung zustande zu bringen, überrascht Manche.
Und die SPÖ-FPÖ-Pilz-Mehrheit machte das was irgendwie zu erwarten war: sie drehte die bisherige ÖVP und NEOS begünstigende Parteienfinanzierungsregelung in eine SPÖ-begünstigende Parteienfinanzierungsregelung um.
Derselbe Machtmißbrauch, nur halt parteipolitisch andersrum.
Es kommt eine Einzelspendenobergrenze zusätzlich zur bisher alleinigen Summengrenze, die allerdings laut Parteienfinanzierungsexperten nicht viel bringen wird außer Umgehungskonstruktionen: dass man beispielsweise dem Sohn Geld schenkt, damit er derselben Partei spendet, wie man selbst.
Die Kontrolle dieser Einzelspendenobergrenze wird sehr aufwändig und teuer, in vielen Fällen so aufwändig und kompliziert, dass es sowieso unkontrollierbar wird. Es stellt sich die Frage, ob hier die Kosten-Nutzen-Rechnung stimmt, ob hier nicht eine riesige Kontrollbürokratie aufgebaut wird, die nichts oder kaum was kontrollieren kann wegen Datenschutz und Privatsphäre und Bankgeheimnis. Oder hier nicht aus populistischen Wahlkampfgründen ein gut klingender Schnellschuss gemacht wird, der ohne Kontrollbürokratie und ohne Änderungen beim Datenschutz und Bankgeheimnis nichts oder nur wenig bringt.
Nicht Einzelspenden zu kontrollieren, sondern nur eine Gesamtsumme (die sich auch an der Wählerzahl bei der letzten Wahl orientieren kann oder sollte), wäre administrativ viel einfacher.
Die Überprüfung der Umgehungen wird höchstwahrscheinlich unmöglich, auch wegen des in Österreich sehr restriktiven Datenschutzes.
Es bleibt das Spendenlimit pro Jahr unabhängig von der Parteiengröße: die Kleinparteien (wie Pilz-Jetzt und NEOS) können sich freuen, weil sie diese Obergrenze sowieso nie erreichen können, die stimmenstärkste Partei (also die ÖVP) wird benachteiligt, auch dadurch, dass die Strafen verschärft werden: statt maximal 25% Strafe des die Grenze überschreitenden Betrages kommt nun bis zu 150% Strafe des die Grenze überschreitenden Betrages. Die Frage ist, ob das überhaupt verfassungsrechtlich hält (allerdings ist die Frist zu kurz, dass der VfGH das vor der Wahl entscheiden könnte). Diese über 100% liegende Strafe ist vielleicht sogar verfassungswidrig, wegen des Chilling effects, des abschreckenden Effekt: viele werden, obwohl sie der ÖVP spenden wollen, nichts spenden, aus der Befürchtung heraus, dadurch könnten sie der ÖVP mehr Schaden als Nutzen verursachen. Und genau das ist wohl der Sinn dieses Gesetzes: Spenden an die ÖVP zu verhindern. Und das, obwohl die ÖVP pro-Wählendem gerechnet weniger Parteispenden erhält als beispielsweise die NEOS.
Die Möglichkeit, einen Obergrenze in Abhängigkeit von der Stimmenzahl bei der letzten Wahl zu machen, wurde verabsäumt.
Was auch fehlt, ist die Miteinbeziehung von Umgehungen wie Personenkomittees, die ein Anliegen unterstützen, das einer Partei nahesteht, politiknahe Institutionen wie Gewerkschaften und die Einstufung von Kulturförderungen an parteipolitisch agierende Künstler als Wahlkampfkosten, die überwiegend aus SP-geführten Kulturbudgets kommen.
Auch wenn manches an der Änderung positiv ist, so wird es durch das Negative wieder kompensiert.
Alles in Allem eine Bestätigung der Weisheit "Es kommt nix besseres nach".
Das übliche Polithickhack halt, ohne wirklichen Fortschritt.
Wer weiß: vielleicht gibt´s ja in 5 oder 10 oder 20 Jahren eine wirklich gute Parteienfinanzierungsregelung, oder vielleicht sind alle die Finanzierungsregelungen sowieso Tand und Wahlkampfschmäh, frei nach Theodor Fontanes Motto "Tand, Tand, Tand ist alles aus Menschenhand".
Im Gedicht "Die Brücke am Tay" beschreibt Fontane den Einsturz einer Eisenbahnbrücke im Großbritannien der 1870er Jahre.
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Narrenkappe: auch die Narrenfreiheit ist eine Form der Freiheit. Und das vielgerühmte "Freie Spiel der Kräfte" entpuppt sich allzuoft als das "narrenfreie Spiel der Kräfte".
Waren die klassischen Narren (Clowns) des Mittelalters die Einzigen, die den Mächtigen (z.B. Königen oder Fürsten) kritische Wahrheiten bewürzt mit Humor sagen durften, so sind die heutigen Narren selbst die Mächtigen, die nicht mehr zustande bringen, als eine Gesetzesnarretei durch eine genauso närrische, parteipolitisch andersrum gelagerte zu ersetzen.
Die ganze Sache erinnert irgendwie an das Jahr 1970, als Bruno Kreisky (SPÖ) mit FPÖ-Hilfe (nach fast 30 Jahren ÖVP-Kanzlerschaft) Kanzler wurde: damals wurde ein die ÖVP begünstigendes Wahlsystem durch eine rot-blaue Mehrheit ersetzt durch ein die FPÖ begünstigendes Wahlsystem: die - wenn man das Verhältniswahlrecht sehr genau nimmt - verhältniswahlwidrige Großparteienbegünstigung wurde ersetzt durch eine verhältniswahlwidrige Kleinparteienbegünstigung (die FPÖ war damals mit 5% eine Kleinpartei und profitierte von der Neuregelung; damals wie heute stellt sich die Frage, welche Gegenleistung die FPÖ bekommt, denn solche Deals laufen oft mit heimlichen, intransparenten Gegengeschäften, insbesondere wenn es um SPÖ-FPÖ geht, bei denen offene Zusammenarbeit aus Antifaschismusexzess heraus besonders dämonisiert ist).
Eine Kuriosität bzw. Dubiosität ist auch, dass nicht der Rechnungshof als Kontrolleur angedacht wurde (vielleicht einzig und alleine, weil derzeit eine ÖVP-Kandidatin, nämlich Kraker, diese Position bekleidet), sondern ein irgendwie ad hoc zu ernennender "Sachverständiger", der ein Plausibilitätsgutachten vorlegen soll. Soll diese "Plausibilität" ein Abgehen vom rechtsstaatlichen Beweisprinzip hin zum Mutmaßungs- und Unterstellungsprinzip sein ? Und welche Strafen kann und soll man verhängen aufgrund von "Plausibilität" ohne Beweise ?
Es stellt sich auch die Frage, auf welcher Grundlage dieser Gutachter dieses Gutachten erstellen soll: auf der Grundlage dieses SPÖ-FPÖ-Pilz-Gesetzes, das eben diese Parteien begünstigt und andere benachteiligt ?
Es ist so wie schon Barbara Tuchman in ihrem Buch "Die Torheit der Regierenden" sagte: "So erfreulich die technologischen Fortschritte der letzten 2000 Jahre waren, so deprimierend ist der Stillstand in der Politik desselben Zeitraums".
Auf der anderen Seite kann man natürlich sagen: die ÖVP ist selbst schuld, dass jetzt ein Gesetz gegen sie beschlossen wurde, denn sie hat erstens seit fast 35 Jahre eine dominante und unverzichtbare Position, die sie nutzte und zweitens sprengte sie die ÖVP-FPÖ-Koalition offiziell aus einem nicht sehr überzeugenden Grund: einem möglichen zukünftigen Befangenheitsverdacht gegen Ex-Innenminister Kickl.
? https://kurier.at/politik/inland/parteifinanzen-spoe-fpoe-und-jetzt-einigten-sich-auf-reform/400538368
Jubel bei Rendi-Wagner und Pilz, dass sie die Macht jetzt genauso mißbrauchen dürfen, wie die ÖVP das in den vergangenen Jahrzehnten tat. Ein "Ja" zum parteipolitisch andersgelagerten Machtmissbrauch, ein "Ja" dazu, ÖVP-Bevorteilung durch SPÖ-Bevorteilung zu ersetzen; ein Ja zur vermutlichen Verfassungswidrigkeit: bei Pilz mag es notorischer Hass auf die ÖVP sein, bei Rendi ihre Unerfahrenheit oder ihre schlechte Position nach dem schlechten Wahlergebnis bei der EU-Wahl oder innerparteiliche Zwänge, die zu so einer Gesetzgebung treiben.
Es stellt sich die Frage, ob Rendi-Wagner und Pilz sich damit nicht - frei nach W.I. Lenin - als "nützliche Idioten" (Narren) der ÖVP erweisen: die Chancen der ÖVP auf ein sensationell gutes Wahlergebnis im Herbst sind mit dieser Beschlussfassung gestiegen.
Und nicht nur das: falls der VfGH nach der Wahl auch noch zu Erkenntnis gelangt, dass die über 100% liegende Strafe wegen des abschreckenden Effekts verfassungswidrig ist und das Gesetz wieder aufhebt, dann könnte die ÖVP noch jahrelang wahltechnisch von diesem Rot-Blau-Pilz-Pfusch profitieren, beispielsweise bei Landtagswahlen.
Im Standard wird Rendi-Wagner zitiert mit den Worten "Schnelle Regelung des Parteienfinanzierungsgesetzes war wichtig"
Wenn Schnelligkeit vor Qualität geht, dann nennt man das üblicherweise ein Husch-Pfusch-Gesetz.
Genauso wie schwarz-blaue "Speed kills"-Gesetzgebung (Copyright Andreas Khol) der Jahre 2000-2006 vom VfGH oft wieder aufgehoben wurde, was die SPÖ damals mit den Worten "Speed kills quality" kommentierte, könnte heute die rot-blau-pilzige Speed-kills-Gesetzgebung vom VfGH wieder gekippt werden.
Speed kills: Henri Toivonen´s wegen zu hoher Geschwindigkeit tödlicher Unfall bei der Korsika-Rallye 1986. Dieser Unfalltod beendete ganze Klasse B der superschnellen Rallyeautos.
Zu Klasse B siehe auch:
https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/moraltheologische-aspekte-des-rallyesports-35074
Toivonen wurde oft mit Ayrton Senna verglichen: auf beide trifft zu "Sie waren verdammt schnell und verdammt schnell tot".
Sennas Todesfahrt war der Formel-1-Gran-Prix von San Marino im Jahr 1994.
In Anbetracht der zahlreichen schnelligkeitsbedingten Todesfälle im Motorsport ist schnelle Gesetzgebung, die Qualität und Sicherheit vernachlässigt, alles andere als erstrebenswert.
Und das ausgerechnet, wo doch WU-Professor Christoph Badelt & Co. vor zwei Wochen oder so in zahlreichen Medien vor den Kosten von überhasteter Gesetzgebung im Wahlkampf gewarnt hatten.
Der SPÖ-Abgeordnete Leichtfried meinte, es gehe darum, durch diesen Gesetzesbeschluss den Eindruck der Käuflichkeit aus der Welt zu schaffen. Aber den Eindruck der Käuflichkeit der Politik kann man durch so ein Gesetz nicht aus der Welt schaffen, alleine schon deswegen, weil die Möglichkeit, dass Politiker mit finanzkräftigen Konzernen oder Medien einen Deal ausverhandeln, dass sie nach ihrer Amtszeit eine wohldotierte Stelle dort bekommen, unberührt bleibt.