Otto Pendl schuld an SPÖ-Stmk-Wahlniederlage, nicht Schickhofer ?

Zurückgetreten ist nach den Sechsprozentverlusten bei der steirischen Landtagswahl der Vorsitzende der SPÖ Steiermark, Michael Schickhofer.

Aber es stellt sich die Frage, ob er die richtige Person ist und ob nicht eine andere Person hätte zurücktreten müssen.

Otto Pendl war SPÖ-Verteidigungssprecher, ist SPÖ-Mitglied im Justiz- und Verfassungsausschuss.

Also betreut und bearbeitet hat er genau die zwei Materien, die möglicherweise ausschlaggebend waren für den Wahlausgang in der Steiermark.

Bei dieser Wahl spielte die Frage der vorgezogenen Neuwahlen eine entscheidende Rolle, weil die ÖVP, um die Gunstsituation auf Bundesebene zu nutzen, mit Hilfe der FPÖ vorgezogene Neuwahlen ansetzte; die besondere Gunst der Stunde lag in den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene, während derer die ÖVP weder die Grüngesinnten wegen ÖVP-FPÖ-Koalition noch die Blaugesinnten wegen ÖVP-Grün-Koalition verliert.

Der vehementeste Gegner vorgezogener Neuwahlen hätte daher die SPÖ, bzw. die SPÖ Steiermark sein müssen. Und dass vor 100 Jahren die Vorgängerparteien von SPÖ und ÖVP die Verfassung so beschlossen, wie sie sie eben beschlossen, hätte am ehesten das SPÖ-Mitglied im Verfassungsausschuss, Otto Pendl, wissen müssen. Auch darüber, dass in der US-Verfassung vorgezogene Neuwahlen verboten sind, in der deutschen Verfassung unter Bedingungen erlaubt und daher selten, hätte Pendl als Mitglied des Verfassungsausschusses Bescheid wissen müssen.

Dasselbe gilt für die Frage der völlig vergurkten Berufsheer-Volksbefragung 2013.

https://www.bmi.gv.at/416/Volksbefragung_2013.aspx

"a) Sind Sie für die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres?

b) Sind Sie für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes?"

Damals wurden zwei verschiedene Fragen in eine Frage vermanscht, und wegen der Neutralität Österreichs überlagerte die Frage "billiger Zivildienst oder sonst teure Betreuung" speziell für die Älteren Wählenden alles andere, während die Berufsheerfrage wegen der Neutralität und dem Golan-Rückzug keine Rolle spielte.

Allerdings wurde die 59.7%-Mehrheit für die Kombination "Zivildienst plus Wehrpflicht" (gegen "freiwilliges Sozialjahr plus Berufsheer" ) von Politik und Medien (also den Eliten) so interpretiert, als hätte eine Mehrheit gegen das Berufsheer gestimmt.

Armeefragen sind Bundessache und daher wäre der frühere SPÖ-Verteidigungssprecher Otto Pendl (der auch lange Mitglied des Verteidigungsaussschusses war) eigentlich die Person gewesen, von der man Kompetenz in Armeefragen hätte erwarten können oder müssen; von der man hätte erwarten können, dass sie die Relevanz dieser Volksbefragung für den Steiermark-Wahlkampf erkennt.

Denn erstens war der größte Kritiker dieser Volksbefragung der frühere steirische Landeshauptmann Franz Voves gewesen, der gemeint hatte, die Fragestellung bei dieser Volksbefragung sei viel zu kompliziert, der allerdings auch übersah, dass die Fragestellung verfassungswidrig oder zumindest verfassungsrechtlich problematisch ist, weil bei Vermanschung von zwei Fragen es eben wieder die politischen Eliten sind, die durch diese Fragenvermanschung den Ausgang bestimmen, und nicht das Volk, so wie es in der Verfassung eigentlich vorgesehen wäre (auch hier wieder wäre Verfassungsaussschussmitglied Pendl gefragt gewesen, aber er scheint geistig bereits in der Pension zu sein, von der fraglich ist, ob er sie verdient).

In Deutschland sind wegen der Judikatur der deutschen Landesverfassungsgerichte derartige Koppelungen zweier Themen in einer Frage verboten!

Der FPÖ-Spitzenkandidat bei dieser Wahl war Mario Kunasek, der auch unter allen FPÖ-Kandidaten die mit Abstand meisten Vorzugsstimmen hatte. Gerade er wäre, weil er früherer Verteidigungsminister war, weil er Berufssoldat ist, besonders verwundbar gewesen in Zusammenhang mit den Vorwürfen, bzgl. dieser obskuren, wahrscheinlich verfassungswidrigen Volksbefragung nichts unternommen zu haben, aber weil der SPÖ-"Experte" für dieselbe Armeefrage, nämlich Pendl, aus unerforschlichen Gründen eine absolute Untätigkeit entfaltete, konnte Kunasek ein gutes Wahlergebnis erreichen.

Otto Pendl kommt als Badener sozusagen aus dem Großraum Wien, darum heisst es ja auch vielfach Baden bei Wien.

Es passiert also 2019 genau dasselbe wie 2015: 2015 musste der steirische Landeshauptmann Franz Voves zurücktreten, weil der Wiener Bürgermeister Häupl mit seinen Pegida-Vorwürfen gegen Voves diesen unter die 30%-Rücktrittsmarke gedrückt hatte, 2019 muss der Steirer Schickhofer zurücktreten, weil der Wiener (im erweiterten Sinne) Pendl nicht die Beiträge zum Wahlkampf leistete, die er aufgrund seiner Spezialisierung hätte leisten müssen.

Das ist die SPÖ von heute: fehlerlose Steirer müssen zurücktreten, weil fehlerhafte Wiener in der wien-dominierten SPÖ auf jeden Fall gedeckt werden müssen.

Da wundert es auch gar nicht mehr, dass anders als in allen demokratischen Parteien dieser Welt in der Geschichte der SPÖ alle Kanzler und Kanzlerkandidaten aus einem einzigen Bundesland kommen, nämlich aus Wien.

Da wundert es auch gar nicht, dass auf Druck der Wiener SPÖ eine SPÖ-Bundesparteitagsbeschluss gefällt werden muss, der allen Landes- oder Gemeindeorganisationen verbietet, mit der FPÖ zu koalieren.

Hier erweist sich wieder einmal, dass die Umbenennung der SPÖ von "Sozialistische Partei" auf "Sozialdemokratische Partei" ein reiner Etikettenschwindel war, der nur davon ablenken soll, dass die SPÖ eine Art Wien-Diktatur über die anderen Bundesländer und Gemeinden ist. Eine Art "Spezialdemokratische Partei", wie der SPÖ-Historiker Norbert Leser sagte, die das Demokratieprinzip auf eine ganz spezielle Art und Weise auslegt, wie sonst niemand auf der Welt das tut.

Von den sechs erstgereihten SPÖ-Kandidaten auf der letzten Nationalratswahl-Bundesliste waren fünf Wiener, so als wäre die SPÖ eine fast rein Wiener Partei, was sie in der Praxis ja auch ist. Und diese Bundesländerfeindlichkeit ist einer der wesentlichen Gründe, warum die SPÖ in den Bundesländern keinen Fuss auf den Boden bekommt und von einem Schwindsuchtsanfall in den nächsten torkelt.

Und die strukturelle Föderalismusunfähigkeit der SPÖ ist auch die Grundlage dafür, dass die ÖVP seit nunmehr 33 Jahren ununterbrochen in der Regierung ist und die dominante Partei in Österreich ist, die sich den Koalitionspartner unter drei Möglichkeiten aussuchen kann: SPÖ, FPÖ und Grüne.

Wobei das Riker´sche minimum-winning-coalition-Schema für eine ÖVP-Grün-Koalition spricht: weil die Grünen der kleinste potenzielle Koalitionspartner sind, kann die ÖVP am meisten Ministerien in einer türkis-grünen Koalition stellen.

Womit umgekehrt die Harakiri-Strategie der SPÖ wiederum als eine gewisse Shakespeare´sche "Wahnsinns-Methode"-Effekt erscheint (in Shakespeares "Hamlet" sagt dieser: "Ist es Wahnsinn, so hat es doch Methode", "Though this be madness, yet there is method in ’t." ): indem die SPÖ absichtlich zur viertstärksten Partei bei der nächsten Wahl schrumpft, schafft sie eine Situation, in der die ÖVP in einer türkis-roten Koalition mehr Minister stellen könnte als in allen anderen mehrheitsfähigen potenziellen Koalitionen und eben deswegen türkis-rot machen wird.

CC / SPÖ Presse & Komm. https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Pendl#/media/Datei:Otto_Pemdl.jpg

Otto Pendl, der wahre rücktrittsreife Verlierer der steirischen Landtagswahl 2019, ebenso wie der wahre, rücktrittsreif gewesene Verlierer der steirischen Landtagswahl 2015 Michael "Wahlkampf ist die Zeit der fokussierten Unintelligenz" Häupl war.

CC / SPÖ Presse & Komm. https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_H%C3%A4upl#/media/Datei:Bundesparteirat_2017_%2836215668181%29.jpg

Und weil "Wahlkampf die Zeit der fokussierten Unintelligenz" ist, und permanent Wahlkampf und Unintelligenz herrscht, merkt auch niemand, dass ständig die Falschen (Voves, Schickhofer) zurücktreten, während die wirklichen Schuldigen der Wahlniederlagen (Häupl, Pendl) hohe Verehrung geniessen.

Der Häupl-Sager von der "fokussierten Unintelligenz im Wahlkampf" dürfte übrigens auf eine Falschinterpretation von Viktor Adler zurückgehen: Viktor Adler hatte seinen Sager "Es ist besser, mit den Massen zu irren, als gegen sie recht zu behalten" in seiner Funktion als Armenarzt gemeint, nicht in seiner Funktion als Politiker. Aber Häupl, der offensichtlich nur Axolotln versteht, über die er dissertierte, dekontextualisierte diesen Adler-Spruch und machte aus einer guten Verhaltensregel für Ärzte eine Zynismus-Vorschrift für Politiker.

Häupl wurde übrigens wegen des Spruchs "Es gibt kein Budgetloch. Es gibt nur Einnahmen und Ausgaben, die auseinanderklaffen" mit dem "Unspruch des Jahres" ausgezeichnet, den die Forschungsstelle für österreichisches Deutsch alljährlich vergibt, weil er damit "ein enormes Defizit begatellisiere", so die Begründung.

Mit der Bagatellisierung des Budgetdefizits begab sich Häupl in die ideologische Nähe des US-republikanischen Präsidenten Ronald Reagan der 1980er Jahre, der einmal auf das hohe Budgetdefizit angesprochen, meinte "The deficit is big enough to take care of itself" ("Das Defizit ist erwachsen genug, um auf sich selbst aufzupassen" )

Versuchen Sie einmal, eine Krediterhöhung bei Ihrer Bank zu bekommen, mit so Sprüchen wie "Meine Schulden sind erwachsen genug, um auf sich selbst aufpassen zu können, ich muss gar nichts tun" oder "Es gibt gar keine Schulden von mir, es gibt nur ein Auseinanderklaffen meiner Guthaben und meiner Verbindlichkeiten"!

Dann müssen Sie froh sein, wenn die Bank sie nicht kündigt, was sie laut den meisten Geschäftsbedingungen kann. Auch hier sieht man wieder: wofür ein Normalbürger wegen betrügerischer Krida hinter Gitter kommt, ist dem mächtigen Politiker erlaubt.

Der seit langem konsequent betriebene Shitstorm aus Wien gegen die Steiermark, aus der Wiener SPÖ-Partie (sic!) gegen die SPÖ Steiermark, ist ja auch irgendwie logisch, denn die SPÖ Steiermark ist, bzw. war (wie man nun sagen muss) der größte und gefährlichste innerparteiliche Rivale und Herausforderer der Wiener SPÖ, was sich auch in heftigsten Streitigkeiten zwischen Häupl und Voves entlud. Man kann auch vermuten, dass die Pegida-Vorwürfe von Häupl gegen Voves einzig und alleine damit zusammenhingen, dass Voves eine Entscheidung der Regierung des Häupl-Laufburschen Faymann kritisiert hatte, nämlich die Berufsheervolksbefragung 2013.

Die Steiermark ist eines der großen Bundesländer mit mehr als einer Million Einwohner, und die Steiermark ist nach Wien das zweitbevölkerungsreichste Bundesland, das jemals einen SPÖ-Landeshauptmann hatte. Und eben diese Größe der Steiermark war einer der Gründe für die erbitterte Feindschaft, die der SPÖ Steiermark durch die SPÖ Wien entgegenschlug, von den Wiener Parteifreinden (sic!), da ja bekanntlich die Steigerung "Feind-Todfeind-Parteifreund" gilt und da, wie der Team-Stronach-Politiker Haubenwallner einmal sagte, die größten Feinde immer in der eigenen Partei sitzen.

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