Sind Demokratien zu blöd, zu hysterisch, zu verwöhnt, zu verweichlicht, zu aussenpolitisch-ahnungslos, um heikle Fragen offen und differenziert und unter Erwägung aller Aspekte zu diskutieren ?

Die designierte deutsche Kanzlerin, Annegret Kramp-Karrenbauer hatte den Begriff der "Phantomdebatte" geprägt, allerdings in Zusammenhang mit der Tempolimitfrage, nicht in Zusammenhang mit der Migrationskrisenfrage.

Vier Jahre lang, von 2015 bis 2019 hatte kein einziges Medium in der EU, kein einziger Politiker (welchen Geschlechts auch immer), darauf hingewiesen, dass wegen der "Die EG/EU ist ein Christenklub, der Muslime ausgrenzt"-Rhetorik, die zahlreiche islamische Politiker, darunter auch der jetzige türkische Präsident Erdogan, zwischen 1990 und 2015 betrieben, die hohe Gefahr bestand, dass sich insbesondere in Deutschland, Österreich und der Schweiz, also den Ländern mit den höchsten Türkenanteilen, eine massive Terrorwelle hätte entwickeln können, wenn Deutschland / Merkel eine restriktive Politik betrieben hätte in Bezug auf die syrisch-sunnitischen Flüchtlinge aus dem Syrienkrieg, die die engsten Glaubensbrüder der türkischen Sunniten sind.

https://www.welt.de/regionales/baden-wuerttemberg/article187740970/Kramp-Karrenbauer-Tempolimit-Streit-ist-Phantomdebatte.html

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/was-fuer-angela-merkels-grosszuegigkeit-spricht-aber-nie-erwaehnt-wurde-53086

https://de.wikipedia.org/wiki/Annegret_Kramp-Karrenbauer

CC / z.g. Krd https://de.wikipedia.org/wiki/Annegret_Kramp-Karrenbauer#/media/File:Annegret_Kramp-Karrenbauer_2016_(cropped).jpg

Die designierte deutsche Kanzlerin Kramp-Karrenbauer hat eine längst überfällige Phantomdebatten-Debatte eröffnet, allerdings irgendwie zum falschen Thema, dem des Tempolimits, nicht dem der Flüchtlingskrise und den jahrelang verschwiegenen und von niemandem (außer mir) entdeckten und publizierten Entscheidungsgründe.

Der Professor für internationale Beziehungen an der Universität Chicago, J.J. Mearsheimer, hat in seinem Buch "Why leaders lie", (Originalübersetzung: "Warum Führer lügen", deutscher Titel wegen der unterschiedlichen Bedeutung von "Leader" und "Führer": "Lüge - vom Wert der Unwahrheit" ) die These vertreten, dass Politiker oft ihre Völker belügen, vielleicht sogar belügen müssen, weil die Völker so schlecht informiert sind.

Man könnte auch sagen: Politiker müssen Scheindebatten und Phantomdebatten führen, weil die wirkliche Debatte vielfach unmöglich ist, wegen der Komplexität, wegen Bündniszwängen (sowohl Deutschland als auch Türkei sind NATO-Mitglieder; allerdings wurde auch in Österreich und Schweiz geschwiegen, die beide keine NATO-Mitglieder sind; und eine Terrorgefahr hätte man damals nicht behaupten oder andenken können, ohne massive Probleme auszulösen).

Auch in Sachen Bank-Run-Verhinderung (man muss die schlechte Lage einer Bank vertuschen, um zu verhindern, dass die Sparer und Kunden massiv die Gelder abziehen und die Bank damit endgültig zum Einsturz bringen) oder Massenpanikverhinderung ist die Notlüge oft angesagt und unvermeidlich und alternativlos.

Man muss auch oft einen Warenmangel vertuschen, um zu verhindern, dass Panik- und Hamsterkäufe zu einem kompletten Ausgehen der Waren für die nötigsten Fälle führen.

Auch wenn Mearsheimer seinen Begriff des "Leaders" nur auf die Politik bezog, so scheint es auch im Bankwesen,in der Wirtschaft, in der Medizin in gewissen Fällen (oft, um Panik zu verhindern) Zwänge zum Lügen zu geben, sodass man den Begriff "Leader" (die lügen müssen) auch als "Führungspersönlichkeiten in Kultur, Wirtschaft, Politik, Medizin und Verwaltung" verstehen kann.

Der Zwang zum Lügen ist auf eine gewisse Weise die Quintessenz der arbeitsteiligen Arbeitsweise, die auf der anderen Seite Spezialisierung und Produktivität ermöglicht.

Auch die Debatte, die dieser Blog auslöst, kann als Beispiel für Phantomdebatten betrachten werden: schnell drehte sich die Debatte um Erdogan und die Austro-Türken und blendete die Geschichte des Syrienkriegs aus, den alawitischen Präsidenten Assad, der im Bündnis mit dem schiitischen Iran und Russland eben die militärische Offensive führte, die massenweise syrische Sunniten zur Flucht (auch nach Europa) trieb.

Auch die Aussagen westlicher Politiker, die den Syrienkrieg mitanheizten, wie z.B. Obamas "Assad has crossed a red line", der Obama nichts folgen liess, wurden von einigen Kommentierern schnell verdrängt, die damit vielleicht bewiesen, dass sie eingeschränkt fähig sind, aussenpolitisch-historisch zu denken.

Wenn westliche Politiker Kriege und Bürgerkriege anheizen, in der Hoffnung, es werde schon irgendwie zum Sturz der von ihnen als stürzenswert empfundenen Politiker (z.B. Assad) kommen, ohne dass sie auch nur einen Finger rühren oder einen ihrer Soldaten in den Krieg schicken, dann ist oft Scheitern der Verbündeten und riesige Flüchtlingswellen die Folge, womit die westliche Politik eine Mitverantwortung tragen würde für die Flüchtlingswellen ....

Vor der Grundentscheidung hat Europa sich wieder einmal a la Phantomdebatte herumgedrückt: wenn man einen Politiker oder eine problematische Regierungspartei wie die syrische oder irakische Baath-Partei (der Assads und der Saddam Husseins) loswerden will, dann gibt es nur eine Möglichkeit: wie zum Beispiel den Irakkrieg.

Irgendwelche weit unterlegenen Oppositionskräfte moralisch zu unterstützen, ohne substanzielle militärische Unterstützung, bringt nur riesige Flüchtlingswellen und und Niederlagen.

George W. Bush und Tony Blair waren da viel besser als Obama und Merkel.

Im angelsächsischen Raum ist (auch universitäre) Demokratie-Skepsis verbreiteter und etablierter als in Östererich oder Deutschland:

Jason Brennan und sein Buch "Against Democracy" ist ein Beispiel für ein Buch, das ein deutscher oder österreichischer Autor nicht hätte schreiben können, ohne sofort ins rechtsextreme Eck gerückt zu werden.

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