Pippi Langstrumpf und die Infantilisierung der Demokratie

Der fast faktenfreie Popsänger Grönemeyer grönte - nein, grölte - in den 1980er Jahren den Song "Kinder an die Macht!"

Darin auch enthalten die Zeile "Sie sind die wahren Anarchisten." (Gemeint: die Kinder)

Kunst (auch Pop-Kunst) ist ja bekanntlich ein Tummelplatz der Emotionen, der weltfremden Sehnsüchte.

Im Zusammenhang mit "Kinder an die Macht !" kann man auch Formen der Wahlalterssenkung betrachten.

Zum Beispiel in Österreich wurde von der damaligen SPÖ-ÖVP-Koalition das Wahlalter im Jahr 2008 auf 16 Jahre gesenkt. Bei der ÖVP spielte dabei die Hoffnung mit, diese Wahlalterssenkung würde dazu führen, das Pensionssystem nachhaltiger zu machen, eine Hoffnung, die sich nicht erfüllt hat, weil für Teenager die Pension so weit entfernt ist, dass sie sich darüber keine Gedanken machen.

Bei der SPÖ dürfte die Hoffnung mitgespielt haben, dass die Jugend für Faschismushysterie empfänglicher sei, was der SPÖ nutzen könnte.

Allerdings hat sich die Sache in vielerlei Hinsicht als Bumerang erwiesen: da die Teenager-Jahre diejenigen Jahre sind, in denen viele junge Leute politische Extremismen ausprobieren, die sich dann später vielfach verwerfen und ablehnen, nachdem sie sie ausprobiert haben, scheint die Wahlaltersenkung vor allem den politischen Extremismen genutzt zu haben: zum Beispiel die FPÖ hatte bei zahlreichen Wahlen einen überproportional hohen Anteil an Jungwählern, ein Phänomen, das man ähnlich auch beim gegenüberliegenden Extremismus finden kann.

Da Teenager eine Neigung zum politischen Extremismus haben, sind sie auch unter Terroristen überproportional häufig zu finden: das krasseste Beispiel ist Gavrilo Princip, der mit seinem Attentat in Sarajevo den Ersten Weltkrieg auslöste, mit beträchtlichen Folgewirkungen.

Der verstorbene, frühere ORF-Generaldirektor Gerd Bacher hat schon damals bei der betreffenden Debatte vor einer "Infantilisierung der Demokratie durch Wahlaltersenkung" gewarnt, eine Warnung, die wie alle korrekten Warnungen von Kassandras seit Jahrtausenden ignoriert wurden - klassisches Prophetenschicksal.

Gemeinfrei: zugänglich gemacht von United States Information Agency / ÖNB https://de.wikipedia.org/wiki/Gerd_Bacher#/media/File:USIS_-_Gerd_Bacher.jpg

Anarchismus wurde auch Pippi Langstrumpf immer wieder nachgesagt, einer Kinderbuchfigur von Astrid Lindgren.

Ö1-PunktEins brachte eine Pippi Langstrumpf gewidmete Sendung:

http://oe1.orf.at/player/20180103/498389

Mit dem Titel: "Wo ist die Pippi Langstrumpf des postfaktischen Zeitalters ?"

Das Gegenargument wäre: Pippi Langstrumpf ist das postfaktische Zeitalter !

Zitat aus dem Pippi Langstrumpf-Song: "Zwei mal drei macht vier - widiwidiwitt - und drei macht neune. Ich mache mir die Welt - widiwie sie mir gefällt"

Ein weiteres Gegenargument wäre, dass die Welt früher viel postfaktischer war als heute. Neue Technologien wie das Internet erschweren in Wirklichkeit Lügen und Politpropaganda, während es früher für Politpropaganda viel einfacher war, erfolgreich mit Lügen, Halbwahrheiten und Verdrehungen durchzukommen.

So gesehen müsste man frühere Zeiten als präfaktisch bezeichnen und nicht die heutige Zeit als postfaktisch.

Die Textzeile aus dem Pippi Langstrumpf-Song ist auch deswegen interessant, weil sie in der Rechnung zwei sich gegenseitig aufhebende und korrigierende Fehler macht.

Zwei mal drei ist nicht vier, sondern sechs.

Vier plus drei ist nicht neun, sondern sieben.

Aber! Zwei mal drei plus drei ist in der Tat neun.

Also macht sie die Welt nicht anders, als sie wirklich ist, sondern mit einem doppelten, sich selbst korrigierenden Fehleranarchismus kommt Pippi genau zum richtigen Resultat, das auch in der Erwachsenenwelt gilt, nämlich 2*3 + 3 = 9. Doppelter Anarchismus ist also - so gesehen - gar kein Anarchismus.

Aus der Praxis kann ich sagen, dass solche sich gegenseitig korrigierenden Fehler bei Kinder und bei Mathematik-Übungen zwar vorkommen, aber allermeistens völlig unabsichtlich.

In Wahrheit bedeuten solche Fehler in den allermeisten Fällen einen Haufen Arbeit für Lehrer und -innen.

Aber zurück zur Textzeile "Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt".

Diese Zeile ist nun nicht ein Gegengewicht zum unfaktischen Zeitalter, egal, ob präfaktisch oder postfaktisch, sondern der Inbegriff desselben.

Weshalb auch die Frage "Wo ist die Pippi Langstrumpf des postfaktischen Zeitalters ?" entweder sinnbefreit oder selbstbeantwortend ist.

Aber nun zur Sendung im eigentlichen Sinn:

Der Titel des erwähnten Artikels von Katharine Sarikakis wurde nicht erwähnt (obwohl das eigentlich zum Zitierungsstandard gehört hätte), weshalb es schwer ist, darauf eine halbwegs sinnvolle Antwort zu geben, was aber vielleicht auch gar nicht erwünscht war, weil innerhalb der 40 Minuten, die die Sendung dauerte, ein Recherchieren des Artikels und eine auf seine Inhalte eingehende Antwort gar nicht möglich war.

Gibt bei öffentlich finanzierten Unis ein Copyright ? http://homepage.univie.ac.at/katharine.sarikakis/?page_id=683

Aber egal - bestätigt es doch die These des Politikwissenschafters Herfried Münkler, dass diese sogenannten Call-in-Sendungen (wo man also anrufen kann) ohnehin nur zum Frustabbau und zum Dampfablassen dienen, und überhaupt nicht einer sinneingehenden Behandlung des betreffenden Themas.

D. Knoflach

Herfried Münkler

Auch zu den oberflächlich-gestreiften Themen kann man durchaus anderer Ansicht sein:

Die Demokratie solle der Moral dienen ? Was ist denn Moral und welche Moral ist gemeint ? Eine Gesinnungsethik oder eine Verantwortungsethik im Sinne Max Webers ?

Die These des Sprachphilosophen Ludwig Wittgenstein von der "Verhexung durch die Sprache" bezogen auf den Begriff der "Moral" könnte bedeuten: alleine schon der Singularbegriff der "Moral" ist manipulativ, weil es den Plural "Moräle" nicht gibt. Es gibt genausoviele verschiedene Moralvorstellungen, wie es Menschen gibt.

Genau dasselbe gilt für den Begriff "öffentliches Interesse" und "Public Value".

Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk müsse dem öffentlichen Interesse dienen und einen Public Value haben ????

Das Alles ist irgendwie völlig sinnloses Wortgeklapper von Pseudo-Journalisten und Pseudo-Wissenschaftern, die vertuschen, dass es verschiedenen Vorstellungen und Meinungen darüber geben kann und muss, was "öffentliches Interesse" und was "Public Value" eigentlich sei und eigentlich bedeute ....

Wer definiert, was "öffentliches Interesse", "öffentlicher Rundfunk" und "Public Value" seien ?

Der ORF-Generalsdirektor, die Redakteure des ORF ?

Statt auf diese Ambivalenzen und Interpretationsschwierigkeiten einzugehen, wurde wie so oft das Feindbild beschworen: der Neoliberalismus.

"Öffentliches Interesse" wird als hier definiert als ein Gegenmodell zum "Neoliberalismus", denn Inbegriff des satanisch-Bösen, das aber auch undefiniert bleibt.

Die Definition des "öffentliches Interesses" als Gegenteil des "Neoliberalismus" ist völlig sinnlos, wenn der "Neoliberalismus" undefiniert bleibt, und nur als ebenso vages wie bedrohliches Feindbild dienen muss.

Ebenso sinnlos ist die Definition des "öffentlichen Interesses" als das, was nicht dem Geld dient.

Erhalten öffentlich-rechtliche Journalisten vielleicht kein Geld ? Erhält der ORF-Generaldirektor Wrabetz vielleicht kein Geld ?

Spöttisch könnte man es umgekehrt so sehen: "Öffentliches Interesse" ist das, was dem derzeitigen ORF-Generaldirektor Wrabetz dazu dient, seine Position und sein Einkommen zu behalten.

Natürlich hat auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen Bias, eine Neigung. Natürlich ist auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Form der gelenkten Demokratie, bei der man zweifeln kann, ob sie überhaupt noch Demokratie ist, oder schon eine Art Mediendiktatur.

Zahlreichen Studien zufolge tendieren zwei Drittel bis drei Viertel der Journalisten zu Sozialdemokratischen Parteien bzw. Grünparteien, im selben Zeitraum, in denen bei Wahlen die Ergebnisse unter den Bürgern/-innen und Wählenden genau umgekehrt ausfallen.

Hier existiert oft eine Zweidrittelmehrheit gegen Rot-Grün.

(Nicht zuletzt bei den österreichischen Nationalratswahlen ergab sich eine ÖVP-FPÖ-NEOS-Zweidrittelmandatsmehrheit).

Es sieht fast so aus, als wäre der sogenannte öffentlich-rechtliche Rundfunk kontraproduktiv und würde genau das Gegenteil des Beabsichtigten erreichen, was die die These von Heinrich Heine bestätigen würde, der bereits vor 200 Jahren sinngemäß und überspitzt gesagt meinte, das Volk sei ein Lümmel und würde in einer pubertären Trotzreaktion genau das Gegenteil dessen tun, was seine (öffentlich-rechtlichen ?) Gouvernanten sagen.

Es stellt sich die Frage, wieso eine Beitragspflicht für einen sogenannten öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestehen sollte, der nur kontraproduktiv sei und nur das Gegenteil dessen erreiche, was er angeblich beabsichtige und anstrebe .....

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