Im Zusammenhang mit den Bundespräsidentenwahlen stellen sich einige Fragen:
1.) Wieso hat Strache als Zustellungsbevollmächtigter und Anfechtungswerber die Unregelmäßigkeiten in seinem Bezirk nicht zum Thema gemacht ? (siehe auch den von mir dem Verfassungsgerichtshof / VfGH übermittelten Text am Ende)
2.) Wurde über die Prüfungsbereichserweiterung auf den ersten Wahlgang im VfGH abgestimmt, und wie war das Abstimmungsverhältnis ? (Der VfGH hat laut Info, die ich erhielt, übrigens in der Frage der Ermächtigungsformulare eine selbständige Prüfungserweiterung vorgenommen, die von keiner der beiden Verfahrensparteien initiiert war)
3.) Wieso war kein einziger Wiener Bezirk unter den Bezirken, die vom VfGH geprüft wurden ? Wurde darüber abgestimmt, Wiener Bezirke aus der Prüfung des zweiten Wahlgangs auszuklammern ? Und falls ja, wie war das Abstimmungsergebnis ? Und welche Argumente wurden gebracht, keinen einzigen der Wiener Bezirke zu prüfen (Wien ist gemeinsam mit NÖ das Bundesland mit den meisten Wählenden) ? Und von welchem der VfGH-Richter wurden die Argumente gebracht, keinen einzigen der Wiener Bezirke zu prüfen ?
Diese Fragen sind vor allem in folgenden Zusammenhang interessant: einer der VfGH-Richter (der von der SPÖ nominierte Schnizer) war offenbar befangen, weil er selbst Mitglied der Bundeswahlbehörde gewesen war, und weil sich in diesem Zusammenhang zahlreiche Problematiken ergeben:
Die Probleme mit Wahlen sind ja nicht neu, sondern es gibt sie schon seit langem. Aber 2016 war es erstmals sehr knapp, sodass eine Anfechtung eines der Kriterien erfüllen konnte, die der VfGH mit seiner Judikatur seit langem zum Kriterium macht: einer Anfechtung ist unter anderem stattzugeben, wenn die Fragwürdigkeiten für das Wahlergebnis von Bedeutung sein konnten.
Wieso hat der betreffende Richter, der aufgrund seiner Tätigkeit in der Bundeswahlbehörde einen Erfahrungsvorsprung hatte, seine Kollegen nicht von den Problemen informiert, und eine Prüfung eingeleitet ?
Wieso hat er sich nicht für befangen erklärt und damit ein Nachrücken eines VfGH-Ersatzmitglieds ermöglicht ?
Wie wären die Abstimmungen zu den betreffenden Fragen (keine Prüfungsbereichserweiterung auf den ersten Wahlgang, keine Prüfung von Wiener Bezirken) ausgegangen, wenn der betreffende SPÖ-nahe Richter sich für befangen erklärt hätte ?
Die VfGH-Logik, dass Wahlen und Abstimmungen wiederholt werden müssen, wenn Fragwürdigkeiten für das Ergebnis von Bedeutung sein konnten, lässt sich nämlich auch auf Abstimmungen innerhalb des VfGH selbst anwenden. Abstimmungen innerhalb des VfGH werden aber nicht publiziert, insbesondere nicht von Detailfragen, es gibt keinen Ausweis der Abstimmungsverhältnisse, keine Publikation von dissenting opinions (Minderheitenmeinungen).
Der VfGH argumentiert, dass das Vertrauen in Rechtsstaat und Demokratie entscheidend ist, und dass Abstimmungswiederholungen notwendig sind, wenn Fragwürdigkeiten für das Ergebnis von Bedeutung sein konnten. Wenn die Detail-Abstimmungsergebnisse publiziert würden (z.B. „Frage der Erweiterung der Prüfung auf den ersten Wahlgang: 5 dafür, 6 dagegen, Rest Enthaltungen, Frage der Prüfung von Wiener Bezirken: 5 dafür, 6 dagegen, Rest Enthaltungen“), dann wüssten wir unter Umständen, ob die Abstimmungsergebnisse bereinigt um die Fragwürdigkeiten dasselbe ergeben hätten, ob das Abstimmungsverhalten des einen befangenen Richters von Bedeutung hätte sein können. Weil die Abstimmungsergebnisse innerhalb des VfGH nicht transparent sind und einige Fragwürdigkeiten existierten, können wir das nicht bzw. nicht zur Gänze haben, was der VfGH zur Grundlage von Rechtsstaat und Demokratie erklärt: Vertrauen.
Dass der von der SPÖ nominierte VfGH-Richter wegen seiner vorangegangenen Tätigkeit in der Bundeswahlbehörde sich besser hätte für befangen erklären müssen, ist eine Fragwürdigkeit. Da VfGH-Abstimmungen nicht publiziert werden, können wir nicht sagen, ob im Falle einer Befangenheitserklärung alle Dinge völlig anders gelaufen wären, ob dann auch Wiener Bezirke geprüft worden wären, ob dann auch der erste Wahlgang wiederholt worden wäre.
Auch drängt sich folgende Frage auf: wenn der von der SPÖ nominierte VfGH-Richter lange in der Bundeswahlbehörde war, musste er dann nicht um die Möglichkeit wissen, mit Hilfe von falschen Statistiken und falschen Meinungsumfragen durch „Irrtumsbewirkung“ genau das zu betreiben, was laut §263 StGB verboten ist, nämlich „Täuschung bei einer Wahl“ ? Wer publiziert in Österreich Meinungsumfragen, die sich gut zur Wählertäuschung eignen ? Z.B. der SPÖ-nahe „Österreich“ Herausgeber Fellner oder der ORF mit dem derzeitigen SPÖ-Generaldirektor Wrabetz ….
(Laut einem Artikel ist Mag. Stein, der Leiter der Abteilung Wahlen im Innenministerium, SPÖ-Mitglied und stv. Bezirkschef der SPÖ-Währing. Er hat sich immer wieder für den Verstärkereffekt für Großparteien ausgesprochen, was zu beiden Großparteien passt.)
In diesem Zusammenhang kann man einen intransparenten Deal vermuten:
Die Wiener SPÖ bzw. die rot-grüne Landesregierung bzw. der ihr nahestehende Magistrat gewährte der FPÖ möglicherweise illegale Parteienfinanzierung. Laut Wiener Parteienfinanzierungsgesetz hätte die FPÖ nicht so leicht bzw. nicht so eindeutig Parteienförderung bekommen können, weil die Liste keine reine FPÖ-Liste war, weil Ursula Stenzel als parteifreie Kandidatin die Liste zu einer Mischliste machte, und eine solche Mischliste eher nicht Anspruch auf Parteienfinanzierung nach dem Wiener Parteienfinanzierungsgesetz hatte.
Im Falle des Wahlbündnisses „Wien Anders“ war der Wiener Magistrat viel strenger gewesen: damals wurde dem Wahlbündnis „Wien Anders“, das die KPÖ als einen ihrer Teile umfasst(e), die Verwendung von Wahlständern bzw. Dreieckständerflächen verweigert, die für die KPÖ registriert waren. Mit derselben Argumentation hätte ebenderselbe Magistrat der FPÖ wegen der unabhängigen Kandidatin Stenzel die Parteienfinanzierung verweigern sollen bzw. können.
Die Probleme mit den nicht-erhaltenen „amtlichen Wahlinformationen“ zum ersten Wahlgang der Bundespräsidentschaftswahlen fanden zumindest im 3. Bezirk, Wien-Landstraße statt, der sowohl mein Bezirk als auch H.C. Strache´s Bezirk ist. Strache wohnte lange Zeit dort (relativ nahe meinem Wohnort) und seine erste bedeutendere politische Funktion war die des FPÖ-Bezirksparteiobmanns Wien-Landstraße.
Wie kann es sein, dass H.C. Strache nichts über die Unregelmäßigkeiten in seinem Bezirk, Wien-Landstraße, wußte ? Da Strache der Zustellungsbevollmächtigte war, kann man davon ausgehen, dass er über die Anfechtung und ihr Umfeld gut informiert war.
Oder anders gesagt: es riecht doch irgendwie ein ganz klein bißchen nach einem Deal: die Wiener FPÖ erhält vom SPÖ-gefärbten Wiener Magistrat eine rechtlich-fragwürdige Parteienfinanzierung, dafür schaut sie bei den Unregelmäßigkeiten im ersten Wahlgang der Bundespräsidentschaftswahlen weg.
Die einzige stichwahleinzugsrelevante Verschiebung, die im ersten Wahlgang möglich gewesen wäre, war, dass Irmgard Griss (19%) vor Alexander Van der Bellen (21%) hätte liegen können. Nun steht aber die Wiener SPÖ Van der Bellen wesentlich näher als Griss (dies zeigen auch die Wahlempfehlungen zahlreicher SPÖ-Politiker zugunsten von Van der Bellen). Allerdings behaupten viele Umfragen auch, dass von den drei chancenreichsten Kandidaten Irmgard Griss wahrscheinlich Condorcet-Siegerin war, d.h. alle hypothetischen Stichwahlen gewonnen hätte, sowohl die gegen Van der Bellen als auch die gegen Hofer. Die SPÖ bzw. die rot-grüne Landesregierung und die FPÖ hatten ein gemeinsames Interesse: Griss loszuwerden, die laut Umfragen sowohl gegen Hofer als auch gegen Van der Bellen gewonnen hätte; dass Griss laut Umfragen gegen beide gewonnen hätte, ist auch deswegen plausibel, weil sie in vielerlei Hinsicht eine Mitteposition zwischen Hofer und Van der Bellen eingenommen hat. Ich habe Griss übrigens nicht gewählt, sondern wie angekündigt ungültig gewählt. Sie hat wie andere Kandidaten Qualitäten, aber milieumäßig ist sie irgendwie weit von mir entfernt.
Alles in allem muss ich sagen: soviele Fragwürdigkeiten auf einen Haufen, das ist schon was.
Und jetzt noch der Text, den ich am 24.6.2016 dem VfGH übermittelte:
An den Verfassungsgerichtshof
Betrifft: Ausweitung der Prüfung der Umstände der Bundespräsidentenwahl auf ersten Wahlgang
Sehr geehrte Damen und Herren !
Als Alternative zu fehlgeschlagenen Informationsversuchen versuche ich es mit schriftlicher Eingabe: Für den ersten Wahlgang erhielt ich – anders als für den Zweiten Wahlgang – keine „Amtliche Mitteilung zur Bundespräsidentenwahl“. In einer solchen Mitteilung wird einem mitgeteilt, in welchem Wahllokal man sein Wahlrecht ausüben kann. Zusätzlich zum Wahltag, der aber allgemein durch Medien besser bekannt ist. Ich hörte, dass auch andere Wähler bzw. -innen in meiner Umgebung keine „Amtliche Wahlinformation“ für den ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl erhielten, aber ich kann das nicht aus eigener Wahrnehmung bestätigen.
Da ich keine amtliche Wahlinformation erhielt, musste ich verschiedene Schulen in der Umgebung abfahren, um herauszufinden, in welchem Wahllokal ich mein Wahlrecht ausüben könne.
Aber glücklicherweise konnte mir bereits in der ersten falschen Schule bzw. im ersten falschen Wahllokal mitgeteilt werden, in welcher Schule ich mein Wahlrecht ausüben könne.
Ich kann mir aber vorstellen, dass so manche Wähler bzw. -innen wegen Nichterhalts der „Amtlichen Wahlinformation“ gar nicht versuchten, einen Weg zu finden, ihr Wahlrecht auszuüben, während sie ihr Wahlrecht ausgeübt hätten, wenn sie eine „Amtliche Wahlinformation“ erhalten hätten. Wenn ich selbst nicht wegen zahlreicher empfundener Mängel, die ich vor dem ersten Wahlgang und dem Rücktritt der damaligen Innenministerin in einem öffentlichen Blog auf FischUndFleisch beschrieben hatte („Unser extremismusförderndes und manipulationsanfälliges Präsidentenwahlsystem“), zum Weißwählen mit der – eher unwahrscheinlichen - Perspektive einer Verfassungsreform aufgerufen hätte, hätte ich mir vielleicht die Mühe gar nicht angetan, ohne „Amtliche Wahlinformation“ das Wahllokal zu suchen, in dem ich mein Wahlrecht ausüben kann (in diesem Blog habe ich in einem völlig anderen Zusammenhang, nämlich mit dem Schulze-Verfahren, das ein Reihungswahlverfahren ist, von einer möglichen Überforderung der Wahlbehörden gesprochen, ein Thema, das Monate später im VfGH-Verfahren in anderem Zusammenhang zum Thema wurde).
Ich kann keine Angabe darüber machen, ob der Nichterhalt der „Amtlichen Wahlinformation“ einen Wahlbehördenfehler oder einen Postfehler als Ursache hatte. Rein theoretisch käme auch ein Einbruch in meinen Postkasten oder Anderes in Frage, aber Einbruchspuren habe ich keine festgestellt. Ich kann auch keine Angabe darüber machen, ob die Frage des Nichterhalts der üblichen „Amtlichen Wahlinformation“ eine Größenordnung hatte, die möglicherweise einen Unterschied gemacht hätte, d.h. dazu geführt hätte, dass Griss im ersten Wahlgang vor Van der Bellen liegt. Es ist aus meiner Sicht auch eher unwahrscheinlich. Aber das ist eine sehr grobe Schätzung aus meinem kleinen eigenen Beobachtungsbereich.
Auf jeden Fall passiert es manchmal, dass Gerichte den Prüfungsbereich eigenständig erweitern, und diese Möglichkeit wollte ich anregen.
Mit freundlichen Grüßen und der Bitte um Kenntnisnahme
Dieter Knoflach
XXXXXXXXXX
1030 Wien
Zum Abschluss noch ein paar Links zum Thema:
http://derstandard.at/2000040324365/Heutiger-Richter-stimmte-fuer-Wahldatenweitergabe
Die Wahldatenweitergabe vor dem Wahlschluss aller Wahllokale ist problematisch, weil sie taktisches Wählen ermöglicht, und weil sie ungleiche Bedingungen schafft: Manche können mit Zusatzinfo taktisch wählen, Andere nicht. Das stellt eine Problematik dar in Bezug auf das gleiche Wahlrecht.
https://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/richter/schnizer.html
http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrW&Gesetzesnummer=20000317
Laut Wiener Parteienförderungsgesetz steht die Parteienförderung nur Parteien zu, ob sie auch Mischlisten mit unabhängigen Kandidaten (wie Ursula Stenzel) zusteht, ist fraglich.