Wenn man mich fragen würde, wie man die Inhalte der meisten FUF-Blogs beschreiben soll, dann fiele mir der Begriff "Rage-Blogging" ein, also "Wut-Bloggen".

Zahlreiche Medientheoretiker bezeichnen Internetforen wie FUF z.B. als "Psychotherapieselbsthilfegruppen", die keinerlei Informations- oder Neuigkeitswert haben.

Man kann in Internetforen seinen Frust rauskotzen, man mit Latinismen und Fremdwörtern um sich werfen, und so den Intellektuellen spielen, der (oder die) man in den meisten Fällen nicht ist.

Man kann schlechte Theorien von irgendeinem unbekannten oder auch bekannten Buchautor referieren, man kann auf blödsinnige Weise vereinfachte politische Positionen von sich geben.

Man kann irgendwelche psychologischen Theorien vertreten, die keinerlei empirische Basis haben, sondern reine Spekulation sind, also die so genannte Küchenpsychologie, pseudopsychologische Theorien, die man halt beim Gespräch beim Kochen in der Küche ein bisserl streift, ohne in die Tiefe zu gehen.

Und man kann Witze und Satire im Zorn verkennen und sich so richtig empören, über die da oben, über die G´stopften, über die viel zu gut bezahlten Anderen. Man kann hemmunglos und von Doppelmoral getragen polemisieren. Und dann hinterher diejenigen, die die Hemmungslosigkeit und Doppelmoral kritisieren, shitstormen. "DU darfst" - alles, was im wirklichen Leben als unpassend und manierenlos qualifiziert wird, ist in Internetforen erlaubt. Das Recht auf Rage-Bloggen gilt in Internetforen als menschliches Grundrecht.

Eben so schnell, wie die meisten nutzlosen Blogs geschrieben sind, eben so schnell sind sie auch wieder vergessen, und das ist vielleicht auch gut so.

Aus der Meinungsfreiheit wird so die Narrenfreiheit.

Was aber vielleicht eine Beleidigung der wirklichen Narren ist, der Hofnarren, die im Mittelalter die einzigen waren, die auf amüsante Art den Herrschern die Wahrheit sagen durften, die sonst niemand sagen durfte.

Ähnlich wie der Medientheoretiker Neill Postman die These vertrat "Wir amüsieren uns zu Tode", könnte man auch sagen "Wir bloggen uns zu Tode". Wir überschütten uns gegenseitig mit Belanglosigkeiten und Shitstorms, wir produzieren sinnlose bis gefährliche Vereinfachungen dessen, was in der Politik und im Leben wirklich passiert, aber vielleicht tun wir das auch nur, weil wir vom Boulevardjournalismus, vom Kampagnenjournalismus, vom Skandalisierungsjournalismus und von der Skandalisierungspolitik schon derart verdorben sind, dass wir glauben, die Wahrheit verbiegen zu müssen wie die Skandalisierer, die Empörer, die Emotionsschreiber, die Vernunftlosschreiber.

Vielleicht ist auch das Konzept des Homo Sapiens, den angeblich denkenden Menschen, falsch.

Wir folgen einfach dem Trieb, den die Steinzeit in uns hineingepflanzt hat: wir gehorchen unseren Instinkten. Wir agieren vereinfachend aus Vorsicht. Die Einen Vereinfacher sehen in jedem Ausländer einen Kriminellen, die Anderen Vereinfacher sehen in jedem Ausländerkritiker einen Kriminellen.

Und diesen Pluralismus der bescheuerten oder sogar gefährlichen Vereinfachungen nennen wir auch noch "Demokratie" - kein Wunder, dass die Demokratie an Zustimmung verliert, dass die Wahlbeteiligungen sinken (oder nur durch vorheriges Koalitionsplatzen am Sinken gehindert werden können, wie bei der österreichischen EU-Wahl).

Politik und politischer Mord sind eng miteinander verbunden: der Mord an Pim Fortuyn in den Niederlanden im Jahr 2002 war genau ein Resultat dieser kollektiven Paranoia, in der die Einen nur mehr Migrationsmafia sehen und die Anderen nur mehr Faschistenmafia.

So kann Demokratie und Konsenssuche und Kompromisssuche eigentlich gar nicht funktionieren, wenn man sich gegenseitig nur mehr als Feind betrachtet.

Aber es stabilisiert das Selbstbild und es erspart Einem, sich die Frage zu stellen, welchen Schuldanteil man selbst an Fehlentwicklungen hat, wenn man alle Schuld auf einen Feind, auf die Anderen schieben kann.

Pixabay License / Alexas Fotos https://pixabay.com/de/photos/smiley-wut-b%C3%B6se-sauer-lustig-rot-1274752/

Internetforen: Zornabladeplätze für die Wutbürger von Heute und Selbstinszenierungsplattform für angehende Pseudointellektuelle, aber völlig ohne Informationswert ?

6
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Zauberloewin

Zauberloewin bewertete diesen Eintrag 31.08.2019 19:20:43

berridraun

berridraun bewertete diesen Eintrag 31.08.2019 15:17:10

Persephone

Persephone bewertete diesen Eintrag 31.08.2019 15:14:41

Don Quijote

Don Quijote bewertete diesen Eintrag 31.08.2019 13:44:13

Frank und frei

Frank und frei bewertete diesen Eintrag 31.08.2019 09:11:35

Iris123

Iris123 bewertete diesen Eintrag 31.08.2019 09:07:48

32 Kommentare

Mehr von Dieter Knoflach