In Anbetracht der Koalitionskrise sei an folgende Theorie erinnert:
Vor mehr als 60 Jahren kooperierten SPÖ und ÖVP (die damalige große Koalition), um den Staatsvertrag zu erhalten (1955).
Dabei kam Körner und Renner (SPÖ, Kanzler, Minister, Wiener Bürgermeister) die Rolle der nach Außen scheinbaren, aber nicht wirklichen Stalinfreunde zu, während der ÖVP (z.B. Figl) die Rolle der Stalin-Kritiker zukam.
Es entwickelte sich offensichtlich eine Art intransparenter Kooperation: Körner vertrieb durch seine Speichelleckereien gegenüber Stalin zahlreiche SPÖ-nahe Polizisten und Soldaten in Richtung ÖVP bzw. FPÖ/VdU, während die ÖVP offensichtlich Körner den Wahlsieg bei der Bundespräsidentenwahl 1951 schenkte, um den Staatsvertrag zu erhalten.
Die Anwesenheit der Roten Armee und die Existenz Stalins waren einfach unverrückbare Fakten, die auch durch Neuwahlen nicht aus der Welt zu schaffen waren.
Ähnlich stellt sich die Frage, ob es nicht auch heute unverrückbare Fakten gibt, an denen Neuwahlen nichts ändern.
Umgekehrt kann man Neuwahlspekulationen und Neuwahlüberlegungen auch als Anzeichen dafür sehen, dass es uns heute sehr gut geht, und Österreich nicht in einer wirklichen Problemlage wie damals war, an der Neuwahlen überhaupt nichts ändern konnten.
Ob Neuwahlen gescheit wären, ist allerdings eine andere Frage: einerseits ist fraglich, ob vorgezogene Neuwahlen tatsächlich das brächten, was die diesbezüglichen Optimisten erhoffen, andererseits werden durch vorgezogene Neuwahlen möglicherweise - egal, ob absichtlich oder unabsichtlich - neuentstehende Parteien verhindert, die u.U. einen Beitrag zum Staatswohl leisten könnten.
Siehe auch: