Die afghanische Regierung schlug Medienberichten zufolge eine Aussetzung der Abschiebeverträge nach Afghanistan vor, und zwar scheinbar wegen der geänderten Sicherheitslage dort, wegen des Abzugs der USA und wegen des Vormarschs der radikal-islamistischen Taliban.
Der österreichische Aussenminister Schallenberg (ÖVP-nominiert) wies dies laut Medienberichten scharf zurück und betonte, dass Verträge einzuhalten seien.
Die ÖVP-nahe Tageszeitung "Die Presse" brachte dazu einen Artikel, in dem sie zwar auf die geänderte Sicherheitslage hinwies, aber nicht auf die Clausula rebus sic stantibus, was man als schweren journalistischen Mangel betrachten kann.
Diese jahrtausendealte Klausel im Vertragsrecht (Wörtlich aus dem Lateinischen: "Klausel, dass die Dinge so bleiben" ) besagt, dass Verträge nur solange gelten, solange die Vertragsgrundlagen intakt sind. Wenn zum Beispiel ein überraschend schweres Erdbeben ein den Regeln der Baukunst entsprechendes Haus in Schutt legt, dann gelten Mietverträge für dieses Haus nicht mehr, auch wenn das Erdbeben nicht explizit im Vertrag vorkommt.
Und ähnlich könnte man in Bezug auf Afghanistan argumentieren: Abzug der USA (und anderer Staaten) aus Afgh. und Vormarsch der radikal-islamistischen Taliban in Afgh. würden die Lage so stark ändern, dass Verträge, die unter völlig anderen Bedingungen geschlossen wurden, keine Gültigkeit mehr hätten.
So gesehen scheint der Vorschlag der zeitweiligen "Aussetzung" (3 Moante alut Berichten; keine vollkommene, ewige Aufhebung) durch die afghanische Regierung eher zurückhaltend zu sein.
Sie scheint zu glauben, die Situation wieder unter Kontrolle bekommen zu können.
Eine derartige Rückerhaltung der Kontrolle, die die Aufrechterhaltung der Verträge trotz dieser Clausula möglich macht, könnte aber auch eine, bzw. eine weitere Unterstützung von Seiten der EU oder einzelner EU-Staaten erfordern.
Abschiebungen nach Afghanistan sind insofern ein heisses Thema der Politik, insbesondere der Innenpolitik, als immer wieder Straftaten durch Leute erfolgen, die vielleicht nach Afghanistan hätten abgeschoben werden können oder müssen.
Abschiebungen von z.B. Taliban-Gegnern in ihre von der Taliban gehaltenen Herkunftsregionen sind mit einem besonders hohen Risiko für die Abgeschobenen verbunden, dort nur wegen ihrer Meinung getötet oder inhaftiert oder gefoltert zu werden.
Creative Commons / BMEIA https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Schallenberg#/media/Datei:Alexander_Schallenberg_(51029203647).jpg
Der ÖVP-nominierte Aussenminister Schallenberg: vertuscht er Grundsätze des Vertragsrechts aus wahltaktischen und innenpolitischen Gründen ?
Weiters:
Wikipedia-Artikel zur Zerstörung der als Weltkulturerbe eingestuften Buddha-Statuen in Bamiyan durch die Taliban in den Jahren 1998 bzw. 2001. Diese Zerstörung war einer der Gründe für die Intervention verschiedener Staaten in Afghanistan beginnend im Jahr 2001, die auch durch ein UNO-Sicherheitsratsmandat gedeckt war (d.h. keine der Vetomächte legte ein Veto ein, auch Russland und China nicht).
CC / UNESCO / Lezine https://de.wikipedia.org/wiki/Buddha-Statuen_von_Bamiyan#/media/Datei:Taller_Buddha_of_Bamiyan_before_and_after_destruction.jpg
Hier die größere der Buddha-Statuen von Bamiyan vor und nach der endgültigen Zerstörung durch die Taliban im Jahr 2001.