Der Blog unseres geschätzten britischen Botschafters Leigh Turner, der auch die Korruptionsbekämpfung zum Thema hatte, brachte mich dazu, mich mit Statistiken von Transparency International zu beschäftigen.

Dabei gewann ich den Eindruck, dass der Korruptionswahrnehmungsindex oder ähnliche Indices, die TI erfragt, in Korrelation stehen könnte mit der Bevölkerungsgröße der betreffenden Staaten.

Und nachdem ich die Daten in den Computer fütterte, ergab sich tatsächlich in manchen Fällen ein Zusammenhang zwischen wahrgenommener Korruption und Bevölkerungsgröße (ansonsten fand ich keinen Zusammenhang).

Einer der Fälle, in denen sich ein derartiger Zusammenhang ergab, war die Alt-EU mit den Mitgliedern, die vor dem Jahr 2000 beigetreten waren, wobei Großbritannien wegen des Brexit-Referendums ausgeklammert war.

Hier ergab sich rein größenordnungsmäßig der größte von mir gefundene Korrelationskoeffizient, nämlich -0,335.

Wobei der in diesem Fall erfragte Index der Index der wahrgenommenen Anständigkeit bzw. Unkorruptheit war ("W.Anst.Index" in der Grafik unten).

Negative Korrelation bedeutet: je größer der Wert auf der X-Achse (horizontal), umso kleiner der Wert auf der Y-Achse (also vertikal).

Werte von +1 oder -1 bedeuten, dass die Werte auf einer Geraden liegen, ein Wert von Null bedeutet, dass es keine Korrelation, weder in die eine Richtung, noch in die andere gibt. Bei einem Korrelationskoeffizienten von 0,5 z.B. gibt es zwar einen Trend, aber es gibt auch Ausreisser aus diesem Trend.

D. Knoflach

Die kleinen blauen Quadrate bedeuten je einen der 14 damaligen EU-Staaten (excl. GB).

Das Land mit ca. 80 Millionen Einwohner und einer wahrgenommenen Anständigkeit von 81 ist Deutschland, etc. Deutschland ist so gesehen in dieser Statistik einer der Ausreisser, der den Trend nicht bestätigt.

Die orange Linie ist die Trendlinie, also die Linie, von der die Punkte in Summe die geringste Entfernung haben.

Ein weiterer Fall einer Korrelation zwischen Staatengröße und wahrgenommener Korruption ist Sub-Sahara-Afrika im Afrika-Report von 2015. Hier ergab sich ein Korrelationskoeffizient von -0,262.

D. Knoflach

Der "Veränderungsglaube" ist in der genauen Fragestellung von Transparency International in diesem Bericht der Glaube, in der Auseinandersetzung mit Korruption als Einzelner (oder Einzelne) etwas bewirken zu können.

Der Staat mit ca. 180 Millionen Einwohnern und einem Veränderungsglauben von ca. 38 ist Nigeria.

Die orange Linie ist die Trendlinie.

Tendenziell sinkt der Glaube, in der Auseinandersetzung mit Korruption etwas bewirken zu können, mit der Anzahl der Staatsbürger des jeweiligen Staates.

Diese beiden Statistiken können gesehen werden als Argument für Sudsidiarität bzw. als Bestätigung des österreichischen (genau genommen Salzburger) Philosophen Leopold Kohr, der mit seinen Büchern "Die überentwickelten Nationen", "Weniger Staat", "Die Lehre vom rechten Maß" und "Das akademische Wirtshaus" eine Art der "Small is beautiful"-Ideologie begründete, die Dezentralisierung, Kleinheit und Überschaubarkeit propagierte.

1983 erhielt Kohr den Right Livelihood Award, den Alternativen Nobelpreis.

Liste der Träger des Alternativen Nobelpreises

leopold-kohr-akademie.at (if any) https://www.qwant.com/?q=Leopold%20Kohr%20Bild&t=all&o=0:516f8e0bce269563bad84e3c7a2f23ca

Leopold Kohr

Zum Verständnis der Korrelationskoeffizienten

Selbst wenn nicht größere Staaten tendenziell korrupter sind, sondern nur tendenziell als korrupter wahrgenommen werden, ergeben sich politisch möglicherweise Probleme:

nämlich z.B. dass sich weniger Leute an Wahlen beteiligen könnten, wenn das betreffende Staatswesen als korrupter wahrgenommen wird.

oder dass die Wahlberechtigten sich weniger am politischen Prozess beteiligen, im Sinne der Volksbegehren zum Beispiel.

Auf EU-Ebene wurde beispielsweise noch nie ein EU-Volksbegehren erfolgreich eingeleitet, ebenso wie die Wahlbeteiligung an EU-Wahlen niedrig ist: 42.6% beim letzten Mal, besonders niedrig in manchen osteuropäischen Staaten, z.B. Slowakei 13%, Tschechien 18%.

Es sind dies kleine Staaten, in denen die Größe der EU möglicherweise an die frühere Sowjetunion erinnert bzw. an den früheren Ostblock: COMECON und WAPA.

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