Nachdem die Aussagen vieler Politiker und die Berichterstattung vieler Medien großteils bzw. fast alle einen einseitigen und möglicherweise vorschnellen Eindruck machen, möchte ich versuchen, eine Möglichkeit zu thematisieren, die bisher zuwenig bedacht und erwähnt wurde, sowohl von Politikern als auch von Medien.
Erst einmal wäre da die Frage des Zeitpunkts. Der Anschlag fand statt lange nach dem Untergang des islamischen Staates als Miliz im Nahen Osten und kurz nach der Ermordung von Samuel Paty, der in einer seltsamen Aktion als staatlicher Lehrer seinen Schülerinnen und Schülern provokative Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte, und sie dazu aufgefordert, bzw. eingeladen hatte, die Klasse zu verlassen, falls diese Karikaturen "Aggressionen" in ihnen wecken würden. Auch der Tatort in der Nähe der Synagoge Seitenstettengasse ist möglicherweise ein Hinweis auf einen Zusammenhang zu Samuel Paty.
So gesehen wäre es eigentlich vom Zeitablauf her naheliegender, als Tatmotiv einen Zusammenhang mit der Paty-Sache zu sehen und nicht einen Zusammenhang mit dem Islamischen Staat.
Der IS hat das letzte Dorf unter seiner Kontrolle im März 2019 verloren, also vor ca. anderthalb Jahren.
"Solidaritätaktionen" oder auch das letzte (gewalttätige) Aufbäumen erfolgt normalerweise im Zusammenhang mit dem Niedergang oder in unmittelbarer zeitlicher Nähe. Aber eine Verspätung von anderthalb Jahren, obwohl der Täter vermutlich Möglichkeiten gehabt hätte, früher zuzuschlagen, wäre eigentlich unüblich.
Eher plausibel erscheint eine mögliche Spontanradikalisierung bzw. Spontanreradikalisierung durch die Paty-Sache und ihre mediale Aufarbeitung in Österreich, die undifferenzierter, vorverurteilender und einseitiger war als beispielsweise in Deutschland oder in Kanada, wo der dortige Premier Trudeau den französischen Laizismus oder Laizismus-Missbrauch kritisierte.
Im Zusammenhang mit der sogenannten "Deradikalisierung" wird immer nur eine Frage gestellt: gelingt die Entradikalisierung oder nicht ? Die dritte Möglichkeit, dass eine beabsichtigte Entradikalisierung entgleist zu einer Umradikalisierung, wird aus meiner Sicht viel zu wenig, bzw. gar nicht erwogen. Auch ist es voreilig, ein Scheitern der Entradikalisierung zu vermuten: eine weitgehende Entradikalisierung schliesst eine Reradikalisierung durch Missstände keineswegs aus. Auch wie einige Medien zu behaupten, der Täter habe die Gerichte belogen, z.B. wegen Taqiyya, ist einseitig und voreilig: den Eindruck, Täter würden Reue heucheln, um eine geringere Haft zu bekommen oder Besserung heucheln, ist eine allgemeine Gefahr, die immer besteht, nicht nur bei islamischen Tätern.
Umradikalisierung würde also z.B. heissen, aus einem radikalen und gewaltbereiten Islamisten und Anti-Westler einen radikalen und gewaltbereiten Anti-Islamisten und Pro-Westler zu machen.
Ob der betreffende Täter einen Krieg Muslime-Gegen-Nichtmuslime wollte, oder gewalttätig gegen Ausgrenzung von Musliminnen und Muslimen aus europäischen Schulen per Mohammed-Karikatur-Provokation auf eine als absurd betrachtbare Art protestieren, halte ich für keineswegs sicher.
Damit einher geht die Sache mit dem Konvertitentum: frei nach dem Sager "Die besten Kritiker der Elche waren früher selber welche" sind es oft die Konvertiten, die die beste Kritik oder den besten Widerstand an dem System üben, aus dem sie herauskonvertierten.
Das soll jetzt natürlich keine Rechtfertigung sein, aber es wäre vielleicht ein mildernder Umstand in einem Verfahren, falls er noch leben würde.
Und das soll auch keine Kritik sein an der Polizei bzw. an der WEGA, die in der konkreten Situation keine Alternative hatte, und soweit ich das überblicke, korrekt gehandelt hat.
Und das soll auch kein Herunterspielen des radikalen Islam sein. Im Gegenteil könnte es dem radikalen Islam nutzen, jeden unsicheren Fall oft fälschlicherweise dem "radikalen Islam" zuzuordnen.
Das mit der Umradikalisierung ist natürlich nur eine Mutmaßung und eine Theorie, aber eine Möglichkeit, die in der konkreten Situation insbesondere von Politik und Medien viel zu wenig erwogen wurde.
Die genau gegenläufige Theorie, die man auch in Betracht ziehen müsste, wäre, dass die angebliche Deradikalisierung in Wirklichkeit eine Radikalisierung war.
Einzelne auf ihre Zuverlässigkeit geprüfte, derartige auch gewaltbereite bzw. -tätige Umradikalisierte könnten unter Umständen durchaus brauchbar sein für Österreich, falls es sich entschlösse, an internationalen Militäraktionen im Nahen Osten teilzunehmen, z.B. um im Auftrag der UNO eine Zone im Nahen Osten zu halten und zu verteidigen, entweder um zwei Konfliktparteien zu trennen, oder um Schutz für eine bedrohte Gruppe zu bieten.
Allerdings ist eine Verurteilung zu 22-monatiger Haft wegen angeblicher "terroristischer Aktivität" (wie unter Türkis-Blauer Regierung erfolgt), nur deswegen, weil der Betreffende erfolglos versuchte, nach Syrien auszureisen, um sich dort dem IS anzuschliessen, ohne an einer sonstigen Handlung beteiligt gewesen zu sein, ein vielleicht suboptimaler Weg - vielleicht sollte man einen neuen Paragraphen schaffen, der "möglichen Terrorvorbereitung oder -anbahnung" oder so, der die Sache korrekter beschreibt als der "Terrorismus"-Paragraph in Zusammenhang mit der "Strafbarkeit des Versuches" (StGB §15). Nicht jeder, der einer terroristischen Gruppe angehört, setzt automatisch terroristische oder auch nur illegale Handlungen - diese Kollektivurteile ohne Berücksichtigung des Individuums und der Individualschuld haben auch eine gewisse Tendenz, den Rechtsstaat zu diskreditieren und Sippenhaftungsgesetzen der Nazis zu ähneln, die wir als Inbegriff des Totalitarismus betrachten.
Und diese Verurteilung wegen "Terroristischer Aktivität" nur wegen eines Ausreiseversuches ist auch das denkbar größte Hindernis für Resozialisierung, und selbst potenziell eine Radikalisierung, die alle Deradikalisierungsversuche von Vornherein ziemlich sinnlos zu machen scheint.
Im Übrigen wurde der Betreffende dabei Medienberichten zufolge in der Türkei von türkischen Behörden vereinbarungsgemäß aufgegriffen und ausgeliefert, ohne dass Bundeskanzler oder Innenminister, die ihre Karriere und Wahlerfolge antitürkischen Ressentiments und antitürkischer Propaganda verdanken, in diesem Zusammenhang auch nur ein Wort des Dankes an die betreffenden türkischen Behörden verloren hätten, soweit ich das überblicken kann.
Im Übrigen war es Bundeskanzler Kurz, der durch seine Beteiligung an der westlichen "Assad muss weg!"-Politik (damals als Aussenminister) sehr zum Aufstieg des IS beigetragen hat - eine Tatsache, an die er heute absolut nicht mehr erinnert werden will, wobei auch die Medien bei diesem Vergessen mitspielen.
So gesehen ist auch Kurz in der Nähe des "Terrorbeteiligungsversuchs" oder "Terrorvorbereitungsversuchs", der dem Betreffenden zur Last gelegt wurde. Auch auffallend ist die österreichische Doppelmoral in Zusammenhang mit den jugoslawischen Kriegen: damals durften gewalttätige Anhänger aller Kriegsparteien problamlos einreisen und ausreisen, um am dortigen Krieg teilzunehmen, z.B. als "Weekend-Warriors" ("Wochenend-Krieger" ). Auch eine Sache, die nicht unbedingt ein gutes Licht auf Österreich wirft, aber Kindkanzler Kurz kann natürlich behaupten, zu jung zu sein, um sich daran erinnern zu können, aber es ist eher auszuschliessen, dass ihn keiner seiner oft älteren Berater auf diese Doppelmoral aufmerksam machte. Der betreffende hat ja einen ex-jugoslawischen Hintergrund (Nordmazedonien, das frühere FYROM - Former Yugoslaw Republic of Macedonia), und man kann annehmen, dass ihm diese Doppelmoral Österreichs bewusst war, obwohl er jünger war als Kurz. Und dieses Wissen um die Doppelmoral war vielleicht auch ein Mitgrund oder Mitfaktor für den Terror.
Auch seltsam ist die Einseitigkeit der "Hätte verhindert werden"-Rhetorik: oft ist es so, dass durch verschiedene Maßnahmen Taten hätten verhindert werden könne, wobei sich politische Parteien und Lager oft durch die unterschiedlichen Annahmen auszeichnen, wie denn hätte verhindert werden können.
Letztlich handelt es sich aber immer um "Was wäre, wenn"-Überlegungen, die nicht empirisch erhärtbar sind.
Auch Aussagen wie "aus heutiger Sicht definitiv ein Fehler", wie sie der Kanzler in Hinblick auf die Justiz und ihre Entscheidung zur vorzeitigen Entlassung verwendete, lassen natürlich vieles offen: aus heutiger Sicht war es z.B. auch "definitiv ein Fehler", dass Kurz in der Zeit zwischen 2012 und 2015 als Aussenminister im europäischen bzw. westlichen Gleichschritt eine "Assad muss weg!"-Politik betrieb, die dem IS Zulauf und Aufstieg bescherte. An diese seine Fehler will Kurz heute nicht erinnert werden, und das, was er machte, wirft er der Justiz nun vor - nämlich nicht im Vorneherein die Zukunft vorhergesehen zu haben.
Eine weitere Sache fand kurz vor dem Wien-Terror statt, nämlich dass der parlamentarische Immunitätsausschuss den FPÖ-Chef und früheren Bundespräsidentschaftskandidaten Norbert Hofer nicht wegen seines Sagers "Koran gefährlicher als Korona" auslieferte, also dem Auslieferungsansuchen der Staatsanwaltschaft nicht zustimmte.
In der Folge gab es Versuche, Hofer wegen Verleumdung anzuzeigen, aber die Annahme dieser Anzeigen wurde von Polizisten verweigert, vielleicht, weil man kaum eine Verurteilung gegen einen so mächtigen und einflussreichen und gefolgschaftsreichen Mann wie Hofer hätte aussprechen können (er erhielt ja fast die Hälfte der Stimmen bei der letzten Bundespräsidentenwahl), und schon gar nicht unter einer grünen Justizministerin, ohne dass die FPÖ rhetorisch eine parteipolitische Intrige daraus gemacht hätte, somit bestand auch Bürgerkriegsgefahr, ähnlich wie sie sich bei der US-Wahl nun abzeichnet. Und eben diese größere Gefahr und damit die Gefahr der Gefährdung der öffentlichen Ordnung kann man als ein Argument betrachten, Anzeigen gegen Hofer erst gar nicht entgegenzunehmen.
Man kann annehmen, dass auch Muslime Hofer wegen Verleumdung angezeigt haben, und dass auch bei diesen Anzeigen die Annahme der Anzeigen verweigert wurde, und dass sich das in der muslimischen Community bis zum Täter herumgesprochen hat. Bei den Betreffenden kann oder muss das natürlich den Eindruck erwecken, Österreich sei kein Rechtsstaat, sondern die Muslime seien prinzipiell benachteiligt, bzw. rechtspopulistische Politiker wie Hofer prinzipiell bevorteilt. Diese durchaus berechtigten Zweifel am österreichischen Rechtsstaat wiederum zusammen mit der Benachteiligung der Muslime im Fall Paty (damals wurden muslimische Schüler bzw. Schülerinnen laut Medienberichten aus der Klasse geschickt, falls die Mohammed-Karikaturen bei ihnen Aggressionen auslösen würden) können natürlich bei Personen, die in der Nähe der Gewaltbereitschaft sich befinden, eine Blitzradikalisierung bzw. eine Blitzreradikalisierung auslösen, die die vorangegangene Entradikalisierung bzw. Teilentradikalisierung wieder zunichte macht. Es kann natürlich in jeder Polizeistation passieren, dass man auf FPÖ-nahe Polizisten stösst, die beispielsweise der FP-nahen Polizeigewerkschaft AUF angehören, und die deswegen Anzeigen gegen FPÖ-Politiker wie Norbert Hofer scheinbar zumindest manchmal nicht entgegennehmen. So gesehen kann man natürlich auch die ganze FPÖ, bzw. die FPÖ-Polizisten, die Anzeigeentgegennahme gegen FPÖ-Politiker verweigern und dadurch Muslime in die Arme des IS treiben, als mitschuld am Wiener IS-Terror bezeichnen. (Das soll jetzt keine Kritik an der Polizei allgemein sein, deren Mitglieder vielfach gute Arbeit leisten)
Während also Politiker-Reden behaupten, dass wir uns unseren Rechtsstaat von den Terroristen nicht zerstören lassen dürfen, ist es in Wirklichkeit vielleicht so, dass der Rechtsstaat durch die Kombination von Dschihadismus und Rechtsextremismus längst schon zerstört oder zumindest teilweise zerstört ist. Dieselbe Anzeigeverweigerung gab es auch schon bei den Bundespräsidentenwahlen, bei denen Polizisten, vielleicht FPÖ-nahe Polizisten, um Hofer zu nutzen, eine Anzeige wegen StGB §263 "Täuschung bei einer Wahl oder Volksabstimmung" nicht entgegennehmen wollten. Auch hier kommt die FPÖ bzw. Hofer als Begünstigter des manipulationsanfälligen Wahlsystems infrage, wenn auch der Begünstigtenkreis in diesem Fall breiter ist. So gesehen halte ich es für keineswegs sicher, dass der Wiener Terror stattgefunden hätte, ohne die Paty-Sache und ohne die vermutlichen Anzeigeverweigerungen durch FPÖ-nahe Polizisten.
Durch die mögliche Mitschuld von Paty und Hofer bzw. FPÖ am Wien-Terror bestehen eher schlechte Chancen für Amtshaftungsklagen gegen die Republik, die manche schon angekündigt haben.
Dieser Text soll keine Verharmlosung des radikalen Islam sein, der in der Tat radikal und gefährlich ist. Aber nicht jeder Moslem, der tötet, tut dies, um ein Kalifat zu errichten. Es gibt auch die Möglichkeit, dass Muslime töten, weil in Europa viele Dinge falsch laufen, und Europa sich nicht an seine eigenen Werte hält, insbesondere im Umgang mit Muslimen, und dass dieses Aufgeben europäischer Werte im sogenannten anti-islamischen Kampf ein Grund sein könnte, warum radikal-islamische Strömungen wie der Rest-IS Zulauf haben.
HIer ein Beispiel, wie eine von der Polizei nicht akzeptierte ANzeige aussehen könnte:
"Anzeige gegen FPÖ-Obmann Norbert Hofer wegen Verdachts der Verleumdung.
Es geht dabei um den Sager von Norbert Hofer: „Koran ist gefährlicher als Corona“.
Zwar hat der parlamentarische Immunitätsausschuss das Auslieferungsbegehren der Staatsanwaltschaft abgelehnt, aber es ging um ein Verhetzungsverfahren, und Artikel 57 B-VG sieht eine Ausnahme vor von der parlamentarischen Immunität für Verleumdung: „dies gilt nicht bei behördlicher Verfolgung wegen Verleumdung oder wegen einer nach dem Bundesgesetz über die Informationsordnung des Nationalrates und des Bundesrates strafbaren Handlung„
Es gibt zahlreiche Islaminterpretationen, die harmlos sind. Und man kann es so sehen, dass diejenigen, die diesen harmlosen Islaminterpretationen nachhängen, von Hofer als „gefährlich“ eingestuft werden, und damit der Gefahr der behördlichen Verfolgung ausgeliefert.
Zum Koran muss man sagen, dass es zeitlich gesehen eine Phase gab, in der Mohammed sehr friedlich agierte und friedlich versuchte, Leute zur Konversion zu bewegen. Allerdings ging er in einer späteren Phase dazu über, gewalttätige Konversion zu befürworten, auch in Koransuren.
Normalerweise wird bei derartigen Widersprüchen das Derogationsprinzip bzw. das Abrogationsprinzip angewandt, das bedeutet, dass die späteren Gesetze, Erlässe, etc. die früheren aufheben. Demgemäß müssten die gewalttätigen Suren die höhere Bedeutung haben.
Aber dagegen gibt es auch zahlreiche Gegenargumente: erstens ist das Derogationsprinzip nicht im Koran festgelegt, zweitens sind die Suren nicht zeitlich angeordnet, sondern der Länge nach, was man als Kritik am Derogationsprinzip verstehen kann. Drittens gibt es die Sure 87, 6, die besagt, man soll den Koran lesen, aber das vergessen, wovon Allah will, dass es vergessen wird. Bei Widersprüchen zwischen Suren kann man diese Koran-Teilvergessen-Sure also dazu verwenden, Teile des Koran als von Allah als ungültig erklärt zu betrachten. Diese Pflicht, Teile des Koran zu vergessen, kann man nun auf die Gewaltsuren anwenden.
Auch das Mohammedabbildungsverbot war möglicherweise ursprünglich ein Verbot, den gewalttätigen Mohammed der Eroberungskriege abzubilden, weil diese Abbildung eine gewaltverursachende Wirkung innerhalb der islamischen Gesellschaft hatte. Somit ist auch das Mohammedabbildungsverbot möglicherweise ein Argument, die Gewaltstellen im Koran, von denen es laut Islamkritiker Hamed Abdel-Samad ca. 200 gibt, als ungültig zu betrachten. Allerdings konnte man das Verbot, den gewalttätigen Mohammed abzubilden, ja nicht unter genau diesem Titel kodifizieren, weil es dann ja Rückschlüsse auf die Natur des Verbotenen erlaubt hätte, was wiederum eine inner-islamisch-gewaltfördernde Wirkung gehabt hätte.
Die Koran-Teilvergessen-Sure ist bei vielen islamischen Theologen unbeliebt, weil sie den Koran praktisch willkürlich interpretierbar macht. Und diejenigen, die danach leben, also nur die friedlichen Suren (wie z.B. Bet- und Fastengebote) einhalten, kritisieren die dominanten Islaminterpretationen auch nicht, aus welchen Gründen auch immer, vielleicht weil der äußere Anschein der Einheit einen hohen Wert im Islam hat, und weil einer, der sich öffentlich zu dieser Interpretation bekennt, Probleme bekommen kann.
Auf jeden Fall sind diejenigen, die den Koran friedlich interpretieren, nicht gefährlich, und in Anbetracht seiner Widersprüchlichkeit ist es der Koran so gesehen auch nicht. Während man Hofers Bemerkung über die Gefährlichkeit des Koran als Verleumdung derjenigen Menschen sehen kann, die die friedlichen Interpretationen vertreten.
Die Hofer-Äußerung ist weiters ein Vergleich: es wird behauptet, der Koran sei gefährlicher als Corona/Covid-19.
Nun verursacht Covid-19 definitiv Tote, speziell in der höheren Altersgruppe und bei Leuten mit Vorerkrankungen, und speziell, bevor ein Impfstoff erfunden ist.
Einer der Buchtitel des deutsch-ägyptischen Politologen Hamed Abdel-Samad lautet „Koran – Botschaft der Liebe – Botschaft des Hasses“, was der Widersprüchlichkeit des Koran und seiner Doppeldeutigkeit gerade in der Gewalt- und Gefährlichkeitsfrage viel angemessener ist als Hofer Spruch „Koran ist gefährlicher als Corona“.
Hier noch die Koran-Teilvergessen-Sure 87, 6-7 in den verschiedenen Übersetzungen:
„Wir werden dich (den Koran) lehren, und du wirst (ihn) nicht vergessen. Es sei denn, was Allah will. Fürwahr, Er kennt, was offen ist und was verborgen. „ (Ahmadiyya)
„Wir werden dich (Offenbarungstexte) vortragen lassen. Vergiß nun nicht(s davon), außer was Allah will! Er weiß, was verlautbart, und was geheimgehalten wird.“ (Rudi Paret)
„Wir werden dir (den Qur§an) verlesen lassen, und du sollst (ihn) nicht vergessen, es sei denn, was Allah will; denn Er kennt das Offenkundige und das Verborgene.“ (Rassoul)
„Wir lassen dich den Koran vortragen, und du sollst ihn nicht vergessen, ausgenommen, was Gott will. Er weiß, was die Menschen äußern und was sie verborgen halten.„ (Azhar)
Der Islamgelehrte Ibn-Rushd sprach sich für eine Zweiteilung des Koran aus in feste Suren bzw. nicht-interpretierbare Suren und interpretierbare Suren, also Suren, die man zeitgemäß interpretieren kann bzw. muss. Man kann das so verstehen, dass in einem Zeitalter mit globalen Konfliktlösungsmechanismen (Z.B. UNO, bzw. funktionierende UNO, internationale Verträge und Konventionen) die Gewaltsuren nicht mehr gelten.
Ganz abgesehen davon stellt sich die Frage der Gleichbehandlung der Religionen. Wenn man der Hofer-Logik folgt, dann müsste man eigentlich auch die Bibel oder Thora und/oder Thanach als „gefährlich“ einstufen, weil sie gewalttätige bzw. gewaltbefürwortende Passagen enthalten.
Nicht enthalten im Koran sind erstens das Mohammed-Abbildungsverbot, das immer wieder zu Gewalt führt, zum Beispiel zu den Botschaftsstürmungen nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in den dänischen Jyllandsposten 2005. Und nicht enthalten im Koran ist zweitens die Nachfolgefrage, also die Frage, ob ein Nachfolger Mohammeds ein direkter Nachkomme (Sohn, Enkel, Urenkel, etc.) Mohammeds sein müsse, wie die Schiiten glauben, oder nicht, wie die Sunniten glauben; aus diesem nicht-koranischen Streit um die Nachfolgefrage leitet sich der inner-islamische Konflikt ab, der immer wieder zu Kriegen und Flüchtlingswellen führt, wie zuletzt in Syrien.
So gesehen ist es nicht der Koran, der gefährlich ist, sondern die nicht auf dem Koran beruhenden Islaminterpretationen."