"Beim Wirt sind wir bald alle Präsident", behauptet die Kronenzeitung.
Krone
Wirklich ?
Keiner von uns einfachen Bürgern und Bürgerinnen kann bewirken, dass die Regierung wegen einer Sperrstundenüberschreitung von uns einfachen Bürgern die Sperrstunden erweitert, aber der einzige und alleinige Bundespräsident Van der Bellen kann das scheinbar schon: seiner "Sperrstundenverletzung" folgte eine neue Sperrstundenverordnung.
So gesehen gilt natürlich "Alle sind gleich, aber manche sind gleicher". Wie im Roman "Animal Farm" ("Farm der Tiere" ) von George Orwell, mit dem er die Herausbildung einer neuen Nomenklatura-Klasse in der angeblich klassenlosen kommunistischen Gesellschaft beschreiben wollte.
Und das ist nicht das das einzige Privileg, das der Bundespräsident, dieser Quasi-Monarch hat.
Was zum Beispiel Beleidigung des Bundespräsidenten betrifft, so gibt es Sonderregeln, die sich von Regeln für Normalbürger unterscheiden.
Wenn der Bundespräsident sein Amt neutral anlegen würde, dann wäre das nicht so schlimm, weil es dann kaum zur Anwendung käme.
Aber da der Bundespräsident Van der Bellen vielfach parteipolitisch agiert, ist das natürlich eine Machtposition, die die Lagerbalance verschiebt - zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung und der medialen Darstellung. Auch sein Sager, aus Solidarität mit allen Musliminnen sollten alle Frauen Kopftuch tragen, ist ein religionspolitisch parteiischer. Umgekehrt könnte man sagen, es sollten alle Frauen inklusive aller Musliminnen das Kopftuch ablegen, aus Solidarität mit denjenigen Musliminnen, die zwangsweise Kopftuch tragen müssen oder denjenigen Musliminnen, die kein Kopftuch tragen und eben deswegen zum Teil scharfe Ächtungsreaktionen aus der Gesellschaft der Muslime zu ertragen haben. (Es gibt übrigens im Koran keine Kopftuchpflicht, zumindest keine eindeutige, allgemeine)
Aber vielleicht bedeutet Überparteilichkeit für den Bundespräsidenten ja, zwischen den Parteien ÖVP und Grüne überparteilich zu sein, und gleichzeitig anti-freiheitlich zu sein.
Womit Van der Bellen natürlich das nicht mehr ist, was der frühere Bundespräsident Rudolf Kirchschläger war: ein Bundespräsident für alle Österreicherinnen und Österreicher.
CC / wikipedia
Bundespräsident Alexander Van der Bellen: hoffnungslos verzettelt zwischen Parteilichkeit, angeblicher Überparteilichkeit, quasi-monarchistischen Präsidentenprivilegien und angeblichem Gleichheitsprinzip ?
Aber trotzdem oder deswegen protegiert von den mächtigsten Medien des Landes, z.B. ORF und "Krone" ?
CC / ostinommis https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Kirchschl%C3%A4ger
Wehmütig kann man heute zurückdenken an die Zeiten des früheren Bundespräsidenten Rudolf Kirchschläger.
Die "Hinterherlegalisierung" der Van der Bellen´schen Sperrstundenverletzung sollte man auch im Vergleich sehen zur Regelverletzung und "Hinterherlegalisierung" im Falle des Salzburger Landeshauptmanns Wilfried Haslauer senior(ÖVP), der 1985 vom Verfassungsgerichtshof schuldig gesprochen wurde, eine "geringfügige Rechtsverletzung" begangen zu haben, indem er eine Ladenöffnung am 8. Dezember (Mariä Empfängnis) erlaubt hatte, obwohl Sozialminister Dallinger (SPÖ) das per Weisung verboten hatte.
Auch diese Regelverletzung wurde hinterher quasi legalisiert, allerdings viele Jahre später, nicht wenige Tage später, indem ein Gesetz beschlossen wurde, das den Landeshauptleuten die Möglichkeit einräumte, Sonderzonen mit speziellen Öffnungszeiten zu ermöglichen.
Gerade Salzburg ist sehr grenznah, und der Kaufkraftabfluss aus Salzburg-Stadt nach Deutschland war ein großes Problem für die Salzburger Wirtschaft, das in Wien allerdings auf taube Ohren stiess.
CC / Wögerer https://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_Haslauer_senior#/media/Datei:Austrian_federal_president_Dr._Rudolf_Kirchschl%C3%A4ger_with_officials,_Salzburg,_Residenzplatz.jpg
Hier der Salzburger Landeshauptmann der 1980er Jahre Wilfried Haslauer (ganz rechts im Bild), neben dem damaligen Bundespräsidenten Kirchschläger.
Haslauers geringe Rechtsverletzung wurde auch (wie VdBs) "hinterherlegalisiert", allerdings viele Jahre später und nach einer Verurteilung durch den Verfassungsgerichtshof - im Unterschied zu Van der Bellen.
Haslauer hatte bei seiner "geringfügigen Rechtsverletzung" auch keine oder kaum Unterstützung durch Wiener Medien, ORF oder "Krone" - im Unterschied zu Van der Bellen heute.
Die "Hinterherlegalisierung" ist das Pendant/Gegenstück zur "Hinterherbestrafung", wenn man also nachträglich etwas unter Strafe stellt, was vorher nicht strafbar war. Beides gehört zu den "rückwirkenden Maßnahmen", und die nachträgliche Strafe ist rechtsstaatlich problematisch, weil sie im Widerspruch steht zum Grundsatz "Nulla poena sine lege", "Niemand darf verurteilt werden für etwas, das zum damaligen Zeitpunkt durch kein Gesetz für unrechtmässig erklärt wurde".
Die "Hinterherlegalisierung" verletzt zwar nicht das Prinzip "Nulla poena sine legem", aber sie ist der "Hinterherbestrafung" so ähnlich, dass auch eine Gewöhnung an die "Hinterherlegalisierung" die "Hinterherbestrafung" akzeptabler machen kann.
Und hier eröffnet die Van der Bellen´sche Sonderbehandlung potenziell einen Bruch mit dem Rechtsstaat.
Zur angeblichen Kopftuchpflicht im Koran auch:
Laut Medienberichten hat der Bundespräsident gar keine Regel verletzt, weil die Verordnung nur vorsehe, dass der Wirt das Betreten ab 23 Uhr zu verhindern hat.
Aber Gesetz bzw. Kommunikation waren so mißverständlich formuliert, dass zahlreiche Gastronomiebetrieb es handhabten, als wäre es eine 23-Uhr-Sperrstundenvorschrift: ich persönlich musste auch in dieser Zeit zahlreiche Male um 23 Uhr oder einige wenige Minuten danach das Lokal verlassen, was der Bundespräsident eben nicht musste, so gesehen sind wir natürlich nicht Präsident.
So gesehen stellt sich natürlich die Frage, ob mit der Lockerung auch Kommunikationsfehler oder Gesetzgebungsfehler der Regierung aus der öffentlichen Wahrnehmung zum Verschwinden gebracht werden sollten.
Eine Rolle dabei spielen könnte die Frage, wie der Begriff des "Betreten"s im Gesetz zu verstehen ist: als "Eintritt" oder als "Drinsein" ? Rein aus der Gastropraxis heraus, macht es nicht viel Sinn, bzgl. Eintritt und Aufenthalt einen Unterschied zu machen, denn manche Bewirtungen dauern nur extrem kurz im Zeitalter des Take-Away-Food, des Essens-Zum-Mitnehmen, das noch dazu ansteckungsvermeidungstechnisch positiv ist.
Das Argument der "Kein Rechtsbruch"-Fraktion läuft umgekehrt: weil nicht der Begriff "Aufenthalt", sondern nur der Begriff "Betreten" verwendet wurde, sei nur das Eintreten verboten, nicht aber das Drinsein.
Es ist sicher eine Schwäche des Gesetzes, dass der Begriff "Betreten" verwendet wurde, aber nicht der Begriff "Aufenthalt" oder der Begriff "Eintreten".
Es wäre interessant, wer für die Wahl dieses zweideutigen Begriffs verantwortlich ist ? Die Ministerialbeamten oder der Minister ? Dass Beamte Minister (oder -innen) auflaufen lassen und ihnen Fehler unterjubeln, gab´s bisher nur in der Konstellation rote Beamte-blaue Minister(in); wenn das auch bei der Konstellation rote Beamte-grüne Minister auftreten würde, dann wäre das neu.
Auch das Argument, dass das Festlegen von Sperrstunden in die Kompetenz der Landeshauptleute fiele, hat nicht unbedingt Bedeutung; zwar ist im Normalfall der Landeshauptmann zuständig für zahlreiche Öffnungszeitenfragen, aber es stellt sich die Frage, ob in diesem Fall, im Falle einer Seuchenkrise, und im Covid-19-Zusammenhang nicht die alleinige oder Hauptkompetenz übergeht an die Bundesregierung, sodass der Standard-Artikel zum Thema möglicherweise falsch sein könnte. In meinem Sprachgebrauch bedeutet "Betreten" eher "auf etwas draufsteigen" im Sinne von "Betreten der Fläche der Betriebsstätte", während es in der Juristensprache vielfach als "Eintreten in" verwendet bzw. verstanden wird.
Ein weiteres Kuriosum an diesem Standard-Artikel ist, dass er erst jetzt erscheint, nachdem BP Van der Bellen in der Bredouille sitzt, nicht aber schon vorher, nachdem diese Verordnung zur Sperrstunde beschlossen und veröffentlicht wurde.
Eine weitere Interpretationssache ist die "Betriebsstätte"; man könnte auch argumentieren, der Gastgarten gehöre nicht zur Betriebsstätte, sondern nur das in einem Gebäude befindliche Absperrbare sei die "Betriebsstätte".
Aber Covid-19-bekämpfungstechnisch wäre das widersinnig; denn es könnte / würde bedeuten, dass sich nach der 23-Sperrstunde, die dann nur für das Hausinnere gilt, alle Kunden im Gastgarten drängen, Abstandregeln verletzt werden, etc.
Wenn man annimmt, dass der Bundespräsident Van der Bellen rund um die Problematik der - sagen wir mal - "wackeligen" Formulierung des "Betretens der Betriebsstätte" bescheid wusste, so stellt sich natürlich die Frage, ob er nicht absichtlich irgendeinen weiteren Hintergedanken verfolgte, wie zum Beispiel einen der folgenden: