Über die Frauenfeindlichkeit des Islam, die teilweise übertriebene, teilweise geheuchelte Frauenfreundlichkeit der EU und über gutgemeinte, aber schlechtgemachte Konventionen
Es hätte eine Wiederbelebung der Beziehungen zwischen EU und Türkei werden sollen und wurde eine diplomatische Katastrophe bzw. eine Katastrophe für die EU: das Treffen von EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen und EU-Ratspräsident Michel mit dem türkischen Präsidenten Erdogan.
Bei diesem Treffen der drei Spitzenpolitiker waren nur zwei Stühle zur Verfügung gestellt worden. Und Erdogan und Michel beanspruchten diese, als wäre es ihr natürliches Recht, gegenüber Frauen bevorzugt zu werden. Bzw. Michel machte für Viele diesen Eindruck.
Während von der Leyen die Tatsache, dass sie stuhllos bliebt und sich mit dem Sofa begnügen musste, das protokollarisch nur zweitrangigem Personal zusteht, mit einem "Ähm ...." quittierte und mit sonst gar nichts.
Und das zu einem Zeitpunkt, wo die EU angeblich den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen thematisieren hätte wollen. Gerade die teilweise extreme scharfe Kritik aus der EU an der Türkei wegen dessen Austritt aus der Istanbul-Konvention zum angeblichen "Schutz der Frauen" hätte eigentlich erwarten lassen, dass eine türkische Retourkutsche längst fällig ist. Laut Darstellung der EU war das Protokoll-Team von der Leyens wegen der Corona-Gefahr nicht mitgereist, was zum Sofagate beigetragen haben mag.
Laut türkischer Darstellung war diese Bestuhlung mit der EU abgesprochen, aber es sieht eher wie eine türkische Intrige und Provokation aus, auf die Charles Michel in einem Moment der Unüberlegtheit hineingefallen zu sein scheint.
Er hätte ja auch Von der Leyen den Stuhl anbieten können, oder einen dritten Stuhl fordern.
Aber auch Von der Leyen´s "Ähm ..." ist ein bisschen sehr dürftig, und entspricht dem Eindruck, den sie gelegentlich vermittelt: eines willenslosen und unpolitischen Weibchens, das alles mit sich machen läßt. Sie hätte das ja auch konkreter ansprechen können als mit einem "Ähm ...", durchaus mit einer Höflichkeit gegenüber Michel, und mit einem Hinweis darauf, dass im EU-Machismus und im türkischen Machismus durchaus gravierende Unterschiede im Härtegrad bestehen.
Aber das Schweigen zur Männerdominanz hat bei den ganz wenigen CDU-Frauen Tradition.
Sowohl Merkel als auch Von der Leyen als auch Ex-Kanzlerinkandidatin Kramp-Karrenbauer schwiegen hartnäckig, als vor der letzten deutschen Bundestagswahl der Prozentsatz der männlichen CDU-Kandidaten und bei der Wahl der Prozentsatz der männlichen CDU-Abgeordneten stark anstieg auf ca. 80%.
Zitat aus Statista.de:
"Der Frauenanteil im 19. Deutschen Bundestag betrug im Januar 2021 insgesamt 31,5 Prozent. Der geringste Frauenanteil ließ sich dabei innerhalb der AfD-Fraktion, mit einem Anteil von 10,2 Prozent, verzeichnen, gefolgt von der Union mit einem Anteil von 20,7 Prozent. In den Fraktionen der Linken (53,6 Prozent) und der Grünen (56,7 Prozent) stellten die Frauen jeweils die Mehrheit."
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1063172/umfrage/frauenanteil-im-bundestag-nach-fraktionen-in-deutschland/
Viele deutsche Medien schoben den gesunkenen Frauenanteil im deutschen Parlament fälschlicherweise alleine der Kleinpartei AfD zu, obwohl die CDU/CSU mit ihrer Größe einen wesentlichen stärkeren Anteil daran hat. Bei der AfD beträgt der "Männerüberhang" bei der letzten deutschen Bundestagwahl 2017 80 Mandatare, bei der CDU/CSU 196 Mandatare.
Kein Statement dazu, nicht einmal ein "Ähm ..." kam von Merkel, Von der Leyen, Kramp-Karrenbauer.
Die Spitzenpolitikerin (Merkel bzw. Von der Leyen) dient in diesem Fall scheinbar nur dazu, die Männerdominanz zu vertuschen. Auch eine Unehrlichkeit, die die EU sich vorwerfen lassen muss. Große Prinzipienverletzung allen Anderen (in diesem Fall der Türkei) vorzuwerfen, die man aber im eigenen Haus ähnlich betreibt, nur eben wenig gravierend und verdeckter.
Auch die Prioritätenfrage blieb ausgespart. Die EU-Spitzenpolitiker und -innen tun in ihren Reden immer so, als wäre Politik eine eierlegende Wollmilchsau, als wäre alles mit allem vereinbar. Die Position, dass Verhinderung durch Flüchtlingswellen Priorität habe gegenüber der Frauenfrage, ist eine durchaus vertretbare, nur vertreten tut sie niemand auf EU-Ebene und hat sie auch niemand vertreten in der Vergangenheit, was eigentlich absurd ist, weil die EU ja angeblich demokratisch ist. Und wenn es demokratische Wechsel gäbe in der EU, dann müsste doch irgendwann einmal jemand in eine EU-Spitzenposition kommen, der genau diese Position vertritt: dass Flüchtlingswellenverhinderung gemäß seiner Parteilinie und seiner politischen Linie Priorität habe gegenüber der Frauenfrage. Gerade in Zusammenhang mit der Türkei könnte das eine Rolle spielen. Und wenn die Türkei zahlreiche Syrienflüchtlinge davon abhält, in die EU zu "flüchten", dann kann das auch ein Schutz und ein Segen für zahlreiche Frauen in der EU und somit frauenfreundlich sein, was aber keiner der EU-Politiker und -innen erwähnte.
Ein weiteres Thema, das mit Sofagate in Zusammenhang steht, ist der Konflikt der Kulturen (z.B. in der Frauenfrage) und die Istanbul-Konvention zum Schutz der Frau von 2011, die von der Türkei und elf heutigen EU-Staaten gegründet wurde und aus der die Türkei im März ausgetreten ist (der Austritt ist übrigens als Möglichkeit in der Konvention selbst vorgesehen und tritt drei Monate nach Kundmachung des Austrittswillens in Kraft).
Frauenfeindlichkeit ist nun einmal Grundbestandteil des Islam bzw. des Koran bzw. der vorherrschenden Interpretation desselben. Und wenn die EU (genauso wie der Staat Österreich) den Islam bzw. die vorherrschende Interpretation desselben als anerkannte Religion betrachtet, dann leistet er damit auch der Frauenfeindlichkeit Vorschub und dann ist jede Kritik an Frauenfeindlichkeit Doppelmoral. Hier personalisierend einzig und alleine Erdogan vorzuwerfen, was 80 islamische Staaten (auch Russland ist so gesehen mit seinen Kaukasus-Provinzen ein islamischer oder teilislamischer Staat) genauso oder noch radikaler praktizieren, die die EU aber nicht oder kaum kritisiert, ist auch eine gravierende Doppelmoral; und das erwähne ich, obwohl ich so eine Art Erdogan-Opfer bin.
So gesehen hat die türkische Politik natürlich eine teilweise Berechtigung, durch scheinbare Intrigen die Doppelmoral der EU zu thematisieren.
Zudem ist die Istanbul-Konvention inhaltlich fragwürdig und teilweise überzogen, z.B. indem sie auch die einvernehmliche Gewalt im Zusammenhang mit konsensuellem BDSM pönalisiert und kriminalisiert als Teil "jeder Gewalt" ganz ohne Differenzierung und Abschwächung, wie es im Konventionstext heisst.
Die Staatsanwaltschaften und Gerichte, auch zahlreiche Gerichtsentscheidungen auch in Deutschland oder Österreich, wie zum Beispiel, dass leichte Körperverletzung im Einvernehmen erlaubt ist, verstossen scheinbar gegen die Istanbul-Konvention zum Schutz der Frau. Daher tut die EU dasselbe wie die Türkei lange Zeit von 2011 bis 2021 (was zahlreiche EU-Politiker und -innen der Türkei zum Vorwurf machten, der EU aber nicht), nämlich die Konvention zu ignorieren und ihr nicht nachzukommen und gegen sie zu verstossen, obwohl sie in den meisten Staaten ratifiziert ist. Genau das wäre vielleicht die Gerade-Noch-Konventionskonformität.
Zudem ist die Istanbul-Konvention selbst eine verfassungswidrige Diskriminierung bzw. kann als solche gesehen werden, weil sie zumindest dem Anschein nach (jede Form von) Gewalt von Männern gegenüber Frauen kriminalisiert, hingegen gleichartige Gewalt von Frauen gegenüber Männern nicht. Mit anderen Worten: ein konsensueller Sadist ist auf den ersten Blick gemäß Istanbul-Konvention illegal, bzw. kann leicht so gesehen werden, eine konsensuelle Sadistin hingegen nicht. Kein Wunder, dass bei zahlreichen BDSM-Pornos der Mann maskiert ist, und dass die BDSM-Szene eine Untergrundszene ist. Und es stellt sich auch die Frage, wie undemokratisch und despotisch die EU ist, wenn in ihr Untergrundphänomene wie die BDSM-Szene auftreten, die man ansonsten nur aus Diktaturen kennt. Und wie illiberal die EU ist, wenn man über Themen des konsensuellen BDSM kaum bis gar nicht sprechen kann.
Auch sehr vage bleibt die Konvention bei der Bekämpfung der "strukturellen Ursachen", ohne diese konkret zu benennen. Dieser Präzisionsmangel ist rechtsstaatlich fragwürdig und könnte dem Bestimmtheitsgebot, einem Grundsatz aus dem Verfassungsrecht, widersprechen. Auch kann man Gewalt gegen Frauen als eine mehrerer Äußerungsformen von gesellschaftlich-kultureller-religiöser Gewalt betrachten. Und nur Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, aber Gewalt gegen Männer nicht, bringt die Konvention in eine Zumindest-Sexismus-Nähe, die gerade sie vermeiden wollte oder sollte. Zudem hat die ganze Konvention schon dem Anschein nach einen antiislamischen Unterton, bzw. einen Unterton, der gegen den Mainstream der Islam-Interpretation gerichtet ist. Und zu eben der Aufrechterhaltung dieser fragwürdigen Konvention wollte die EU die Türkei, bzw. insbesondere die AKP und Erdogan zwingen; da ist es kein Wunder, dass sie von der Türkei, bzw. Erdogan und AKP protokollarische Intrigen wie Sofagate zurückbekommt. Bzw. die EG/EU machte lange den Fehler, Erdogan zu unterstützen, im (Irr-)Glauben, er sei demokratisch-prowestlich (und den Fehler, das früher laizistische und islamkritische türkische Militär zu schwächen), obwohl man eigentlich schon damals Zweifel haben musste, ob Erdogans Unterstützung und prowestliche Signale ernstzunehmen seien, so a la Taqqiya. So gesehen besteht der diplomatische Eklat "Sofagate" auch in der Illusion der EG/EU, Erdogan sei proeuropäisch und kemalistisch oder so.
Wer selbst im Glashaus der Doppelmoral sitzt wie die EU , soll nicht mit Steinen werfen.
Aber scheinbar ist es so, dass Politiker aus der EU nur wegen der EU-internen oder nationsinternen Schlagzeilen irgendwelche von Doppelmoral, Unwissen oder Unhaltbarkeit geprägte Statements hinausschiessen, die oft vorhersehbaren aussenpolitischen Schaden anrichten, an den scheinbar niemand gedacht hat oder der allen egal war.
Dabei zeigen sich zwei weitere Schwächen der EU: erstens die Dominanz farbloser, nicht demokratisch legitimierter, politisch schwacher Personen, die gar nichts Konkretes sagen dürfen, weil sie ihren Posten sofort verlieren würden, wenn sie irgendwas Kontroversielleres sagen, was irgendwer innerhalb der EU als Skandal betrachten könnte.
Weiters die Schwierigkeiten bei der Formulierung und Gestaltung gemeinsamer (Aussen-)Politik: wenn nicht einmal EU-Ratspräsident und EU-Kommissionspräsidentin (also nur 2 Personen) eine gemeinsame Politik und Position finden können, wie sollen dann 27 verschiedene Staaten eine gemeinsame Position finden ?
Es wurde in dem Zusammenhang auch angedacht, den Posten des EU-Ratspräsidenten und des EU-Kommissionspräsidenten zusammenzulegen. Aber es stellt sich die Frage, ob dann nicht Deutschland und Frankreich dominieren würden, bzw. die EU-Gründungsmitglieder, und die Neumitglieder (speziell aus Osteuropa) marginalisiert: schliesslich war der bisher einzige Osteuropäer auf einer derartigen EU-Spitzenposition der Pole Tusk als EU-Ratspräsident.
Zur Istanbul-Konvention zum angeblichen Schutz der Frau:
https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?documentId=0900001680462535