Sozialpartnerschaft: Mitgliedschaftspflicht statt Pflichtmitgliedschaft ?

Die massiven Verluste der Linken inklusive des Verlusts der rot-grünen Verfassungssperrminderheit bei den Wahlen, die mißglückte Sozialpartnereinigung vor der Wahl und die vorläufig gescheiterten Metallerverhandlungen sind möglicherweise schwere Krisenanzeichen für die Sozialpartnerschaft:

Dem Vernehmen nach könnten sowohl Kaske als auch Foglar, sowohl der AK-Chef als auch der ÖGB-Chef zurücktreten bzw. zurückgetreten werden.

https://derstandard.at/2000066644808/Kammern-ohne-Pflichtmitglieder-Was-mehr-Wettbewerb-bringen-wuerde

Damit stellt sich auch die Frage nach der Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft, hin zu einer Mitgliedschaftspflicht.

Mitgliedschaftspflicht hiesse, es gibt mehrere Arbeiterkammern und mehrere Wirtschaftskammern; und die einzelnen Standesmitglieder haben die Pflicht, einer dieser mehreren betreffenden Kammern anzugehören, aber keinen Zwang, einer einzigen monopolistischen Kammer anzugehören.

Ich habe schon in dem früheren Blog zur Sozialpartnerschaft geschrieben, dass die Sozialpartnerschaft möglicherweise eine Fehlkonstruktion ist, und eine Zerstörung und Neugründung möglicherweise das Beste ist.

Sozialpartnerschaft beinhält das Wort "Partner", und die allermeisten AK- und ÖGB-Publikationen, die ich in der letzten Zeit gelesen habe, waren alles andere als partnerschaftlich.

Kann man ein Minimum an Wirtschaftskompetenz von AK und ÖGB erwarten ?

Ich finde, ja. Angebliche "Sozialpartner"-Organisationen, die sich als SPÖ-Wahlkampfmittel empfinden, sind aus meiner Sicht eben keine Sozialpartner, und der Verlust der rot-grünen Verfassungssperrminderheit ist vielleicht eine Folge davon, dass immer mehr Österreicher und Österreicherinnen das ähnlich sehen.

Auch die Argumente der Metallergewerkschaft, so wie durchaus SPÖ-nahe Medien wie der ORF sie transportieren, überzeugen mich im Konkreten nicht.

Wir haben derzeit eine Nullzinspolitik, von der sehr fraglich ist, ob sie langfristig haltbar ist.

M.a.W.: Wenn die EZB zu einer normalen Zinspolitik übergehen würde und wenn als Folge davon der Euro im Kurs steigen würde, dann würde das für die österreichische Industrie möglicherweise eine schwere Belastung und eine schwere Verschlechterung der Terms of Trade bedeuten. Die Forderungen der Metallergewerkschaft könnten daher auch Konkurse und Arbeitsplatzverluste in Zukunft bedeuten.

Auch ist die österreichische Handelsbilanz wesentlich schlechter als die deutsche oder die holländische. Auch ist Österreich aufgrund seiner Lage, grenzend an Niedriglohnregionen wie Südosteuropa, in einer möglicherweise problematischen Lage, die keine sehr großen Lohnerhöhungen erlaubt (ohne dass es zu Verlagerungen, Konkursen oder sonstigen Betriebsschliessungen kommt).

Aber gut: aus Sicht von AK und ÖGB scheinen Arbeitgeber automatisch die "bösen Ausbeuter" zu sein.

P.S.: ich bin weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer, sondern EPU (Ein-Personen-Unternehmen).

Ich bin AK-Mitglied, und verwende(te) so wie mein Ex-Professor, Norbert Leser, die AK-Bibliothek.

Dennoch gibt und gab es zahlreiche Missstände in AK und ÖGB, die aufgrund von Abhängigkeitsverhältnissen dort nicht thematisiert werden können.

https://derstandard.at/2000067316367/Metaller-KV-Verhandlungen-in-5-Runde-ergebnislos-abgebrochen

P.S.: Der Rücktritt von Kaske folgte, nachdem in der "Kronenzeitung" ein Interview mit Noch-Kanzler und SPÖ-Parteivorsitzendem Christian Kern mit dem Titel "Es wird ein ziemlicher Durchputzprozess" erschienen ist. Soviel zu den angeblich privaten Rücktrittsgründen.

http://www.krone.at/596819

Wir hatten das schon einmal, dass ein AK-Präsident zum Schuldigen bzw. zum Sündenbock für eine SPÖ-Wahlniederlage erklärt wurde, nämlich mit Vranitzky und Vogler, das war 1994. Die SPÖ hatte damals 8% verloren (dürfte der größte Verlust gewesen sein, den die SPÖ jemals erlitt), im Vergleich zu den 0,04% Gewinn heuer also ein wirklich schlechtes Wahlergebnis, wenn man die SPÖ isoliert betrachtet, ohne Optionen und Sperrminderheitenkonstellationen.

Mein Blog vom 13.7.2017, in dem ich die linken Sozialpartner kritisierte:

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/warum-wirtschaftskammerpraesident-leitl-recht-haben-koennte-36889

Zitat daraus: "Sozialpartnerschaft funktioniert eben nicht, wenn einer der angeblichen Partner zu stur, zu populistisch oder zu dumm ist, um partnerschaftlich zu agieren."

Wenn AK und ÖGB dies vorher bedacht hätten, dann wäre vielleicht ein völlig anderes Wahlergebnis herausgekommen.

http://oe1.orf.at/player/20171107/493851

Soll ich das Interview von Rudolf Kaske nun als Kampfansage betrachten, nur weil ich mich seit Langem für Reformen bis hin zur Mitgliedschaftspflicht einsetze ?

Zitat Kaske: "Ich werde damit auch die politischen Auseinandersetzungen um die gesetzliche Mitgliedschaft und um die Angriffe auf die Arbeiterkammer ... selbst anführen. ... Sie werden auch im nächsten Jahr stark mit mir rechnen müssen."

Auch die derzeitige Verfasstheit der Sozialpartnerschaft als absolut unveränderbar zu erklären, so wie Kaske dies tut, könnte eine typisch österreichische Verknöcherung und Verkrustung sein: "Wer immer an den Grundpfeilern der zweiten Republik rührt, der wird unseren Widerstand spüren."

Da könnte ich genauso umgekehrt sagen, Leute wie Olah und Benya waren die sozialpartnerschaftlichen Grundpfeiler der zweiten Republik, und Leute wie Verzetnitsch (der in einer einsamen Entscheidung den Streikfonds der Gewerkschaft verpfändete), Foglar oder Kaske waren eine signifikante Veränderung der sozialpartnerschaftlichen Grundpfeiler der zweiten Republik.

Anders, als Kaske behauptet, spricht er nicht in meinem Namen.

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