"Wauns laaft, daun laafts, und wauns net laaft, daun laaft gor nix.", sagte der Slalom-Weltmeister Rudi Nierlich einmal (er war übrigens mit Geburtsjahr 1966 ein Jahrgangsgenosse von mir und verstarb 1991 bei einem Autounfall). (Übersetzung: "Wenn es läuft, dann läuft es, und wenn es nicht läuft, dann läuft gar nichts" )

Und in der SPÖ läuft derzeit auch gar nix, und das neueste Skandälchen, das die SPÖ beschäftigt, sind die Beraterverträge rund um den früheren Bundesgeschäftsführer Max Lercher und die Leykam Medien AG, die im indirekten Besitz der SPÖ steht.

Medial existieren zwei verschiedene Darstellungen dieser Sache: die erste (vertreten von "Österreich" ), besagt, dass Lercher persönlich von der SPÖ-Bundespartei 20.000 Euro monatlich für Beratung, Kommunikation, etc. bekomme, die zweite besagt, dass die Leykam 20.000 Euro für Beratung, Kommunikation, etc. bekomme.

Der Unterschied dürfte aber in Wirklichkeit vielleicht gar nicht so groß sein: denn wenn Lercher alleiniger Geschäftsführer der Leykam ist bzw. war, dann kann er über die Mittel frei verfügen und zum Beispiel auch Freunde oder Verwandte anstellen, sodass sich für den Freundeskreis bzw. die Familie ein Einkommen von 20.000 Euro ergibt, oder zumindest eines, das die 6.000 Geschäftsführergehalt von Lercher weit übersteigt.

Auch interessant, was die Struktur dieser Verträge betrifft: es soll sich angeblich um "Leistungsverträge" handeln, wobei natürlich immer bei Leistung fragwürdig ist, wie man diese definiert.

Man könnte vielleicht von einer neoliberalen SPÖ sprechen, sollte sich herausstellen, dass sie Leistungsverträge für Beratung trotz Wahl-Niederlagen in voller Höhe weiterbezahlt, ebenso wie Top-Manager trotz Abgasmanipulationsskandalen und Bankenkrisen sich Boni auszahlen lassen.

Und es stellt sich schon die Frage, was tatsächlich passiert ist: völlig egal, ob die Leykam keine guten Strategiepapiere schreibt, oder ob sie gute schreibt, die die Bundespartei dann ignoriert: in keinem der beiden Fälle erscheint eine leistungsorientierte Zahlung gerechtfertigt.

Sowohl die Fehler im SPÖ-Wording um den Misstrauensantrag, die zum Absturz der SPÖ in den Umfragen führten, als auch zahlreiche andere Probleme wie die SPÖ-Wahlniederlage bei der EU-Wahl oder bei der Nationalratswahl sind keine Gründe, leistungsorientierte Bezahlungen an die Leykam auszuschütten.

Viel mehr sieht es so aus, als habe die Wiener-dominierte Bundespartei hier vielleicht einen potenziell gefährlichen "Provinz"-Rebellen durch Zahlungen kaltstellen wollen. Denn durch seine Ablöse und seine Ersetzung durch einen Wiener (Deutsch) hatte Lercher gute Chancen, als Rebell von Halbaussen die Bundespartei unter Druck zu setzen, was eine SPÖ-Föderalismusreform betrifft.

Durch seine finanzielle Verflechtung geht das nun nicht mehr: als Krisenreserve kommt er nicht mehr infrage, und auch seine relativ hohlen Erklärungen in Hinblick auf "Neugründung der SPÖ" entpuppen sich vielleicht eher als Scheinreform, damit die SPÖ die Wienwahl gewinnt, ohne sich zu reformieren oder mit dem traditionellen absoluten Reformminimum.

Einer der Grundsätze der Politik ist auch das, was das Urgestein der deutschen Sozialdemokratie, Lassalle, sagte: "Gute Politik beginnt mit dem Aussprechen dessen, was ist."

Die Wahrheit über die Förderalismuskrise der SPÖ zu vertuschen, nur weil man als Steirer einen lukrativen Deal mit der Wiener-dominierten Bundespartei eingegangen ist, entspräche eben diesem Lassalle-Spruch nicht.

Und der finanzverflechtungsbedingte Thematisierungsmangel ist auch keine gute Basis für Reform: Um Missstände wegzureformieren, muss man sie ganz offen und hart aussprechen, auch wenn das Parteikollegen mißfällt.

Jede Zurückhaltung hier wegen finanzieller Verflechtungen zementiert die Missstände, sodass der Schaden mutmaßlich viel größer ist, als man das durch die beste Beratung in irgendeinem anderen Feld wettmachen könnte.

Alles in Allem erinnert das irgendwie an Robert Michels´ "Eisernes Gesetz der Oligarchie", das er speziell auf die deutsche Sozialdemokratie bezog, das aber auch auf die SPÖ zutrifft.

https://www.derstandard.at/story/2000110107047/steirer-und-burgenlaender-stellen-sich-hinter-lercher?ref=rec

"Erst kommt das Fressen, und dann die Moral" sagte der linksgewebte Schriftsteller Bert Brecht einmal. Und die Ereignisse in der SPÖ scheinen ihm recht zu geben.

Was auch sehr interessant erscheint, ist der Zeitpunkt, an dem diese Information an die Öffentlichkeit bzw. die Medien geleakt wurde: kurz vor der steirischen Landtagswahl.

Man kann annehmen, dass die steirische SPÖ (einer der traditionellen innerparteilichen Widersacher der Wiener SPÖ, siehe Häupl-Voves-Streitigkeiten) durch diese Enthüllungen eine Wahlniederlage einfahren wird, egal, wie gut oder schlecht sie ist.

Und dass sie eben wegen dieser Wahlniederlage beschädigt sein wird, und keine innerparteiliche Rebellion gegen die Wiener SPÖ mehr starten kann.

Wenn man jetzt wiederum das "Cui bono ?"-Prinzip ("Wem nutzt es ?" ) anwendet, um abzuschätzen, wer der Leaker gewesen sein könnte, so drängt sich so gesehen die Wiener Landesparteiorganisation als Verdächtiger auf. Man muss aber betonen, dass diese "Cui bono ?"-Schätzungen keine hundertprozentige Trefferquote haben.

CC / PicturePrince https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Nierlich#/media/Datei:Friedhof_St_Wolfgang_im_Salzkammergut_-_Rudi_Nierlich.JPG

Rudi Nierlich, dreifacher Weltmeister und achtfacher Weltcupsieger (hier ein Foto seines Grabes) transportierte den "Der Trend nährt den Trend"-Spruch aus der Finanzwirtschaft in den Sport. Vom Sport aus kann man ihn weiter transportieren in die Politik, in dem Sinne, dass schnelle Reformen unmöglich sind, und dass es ohne Parteispaltungen und Neugründungen oft nicht abgehen kann.

Ähnlich wie die Sowjetunion unter Gorbatschow zwar Reformwillen hatte, aber keine entsprechenden Reformen zustande brachte, könnte das Prinzip "Der schlimmste Moment jedes schlechten Systems ist der, an dem es sich zu reformieren beginnt" auch die SPÖ vernichtend treffen.

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