Die Wahlen der letzten zwei Jahre in der Türkei waren folgendermaßen:
bei der Parlamentswahl Juni 2015 erhielt die AKP für Erdogan unbefriedigende 258 von 550 Mandaten und verfehlte damit die absolute Mehrheit von 276 Mandaten um 18 Mandaten.
Maßnahmen der als linksextremistisch einstufbaren, kurdischen PKK, die von vielen Türken als Terror betrachtet wurden, führten zu erhöhter Zustimmung für die AKP und damit für Erdogan. Die politisch laienhafte und wegen ihres Extremismus die Folgen ihres Handelns kaum abschätzen könnende PKK, liess sich möglicherweise frei nach Lenin als "Erdogans nützliche Idioten" instrumentalisieren, um genau das zu liefern, was Erdogan brauchte. Es stellt sich aber die Frage, inwieweit Erdogan die Absicht hatte, die PKK zu Terror zu provozieren, der dann zur absoluten AKP-Mehrheit führte. Die Frage der Absicht und der Hintergedanken Erdogans ist wohl entscheidend für die Frage, ob die folgende Wahl vom November 2015 ungültig ist oder nicht.
Die letzte Parlamentswahl November 2015 endete mit einer absoluten Mehrheit für die AKP (Erdogan), und zwar mit 316 von 550 Mandaten.
Stimmenstärkste Oppositionspartei wurde die links-kemalistische CHP (Kilicdaroglu) mit 134 von 550 Mandaten.
Dann kam - was für ein Zufall oder auch nicht - Putsch bzw. Pseudoputsch vom Juli 2016.
Die Frage, ob es ein Putsch oder ein Pseudoputsch war, spielt eine entscheidende Rolle für die Frage, ob das türkische Verfassungsreferendum von 2017 als gültig oder als ungültig zu betrachten ist.
Das türkische Verfassungsreferendum vom 16. April 2017 endete mit 51.4% für eine Verfassungsreform, die eine Machtverschiebung vom Parlament zum Präsidenten vorsah.
Es stellt sich die Frage, ob eine starke Machtkonzentration in der Person des Präsidenten überhaupt als demokratisch einzustufen ist, und ob durch die relative Entmachtung des türkischen Parlaments eine Entdemokratisierung darstellt, die den Charakter des türkischen Regierungssystem prinzipiell ändert, weg von Demokratie.
https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeiterpartei_Kurdistans#Angriffe_auf_zivile_Ziele
https://de.wikipedia.org/wiki/Putschversuch_in_der_T%C3%BCrkei_2016
https://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahl_in_der_T%C3%BCrkei_November_2015
https://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahl_in_der_T%C3%BCrkei_Juni_2015
Mit anderen Worten: falls Erdogan 2015 eine PKK-zum-Terror-provozierende Absicht gehabt haben sollte und diese durch seine Medienkontrolle vertuschen gekonnt haben sollte, dann ist die 10%-Stimmenverschiebung zugunsten von Erdogan als ungültig zu betrachten.
Und falls Erdogan eine putsch-provozierende oder putsch-inszenierende Absicht gehabt haben sollte, dann ist wegen der knappen Mehrheit (51.4%) beim Verfassungsreferendum, das die Macht zum Präsidenten, also zu Erdogan verschiebt, dieses Verfassungsreferendum als ungültig zu betrachten.
P.S.: während ich einen Radio-Bericht zu einem verwandten Thema hörte, sass übrigens eine Muslima neben mir, vielleicht mit der Absicht, mich auf die Türkei aufmerksam zu machen.
(Recep Tayyip Erdogan; Wahl- und Abstimmungssieg gültig oder nicht ?; Bild-Copyright: US Department of State; Wikipedia)
https://de.wikipedia.org/wiki/Recep_Tayyip_Erdo%C4%9Fan