Demokratie bedeute, wählen zu können zwischen mehreren Optionen. Allerdings ist unter Politikern und -innen das Alternativlosigkeitsgerede stark verbreitet.
Der erste prominente Fall der Behauptung von Alternativlosigkeit war die britische Primierministerin Margaret Thatcher mit ihrem "TINA"-Prinzip: "There is no alternative" ("Es gibt keine Alternative" ).
Auch verschiedenste deutschen Kanzler und -innen haben sich offenbar diesem Alternativlosigkeitsmantra angeschlossen. So bezeichnete Gerhard Schröder seine Politik als alternativlos, ebenso wie Angela Merkel die sogenannte "Eurorettung" bzw. ihre Version derselben als alternativlos bezeichnete. In Deutschland führte das zu einer heftigen Gegenbewegung in Form einer neuen Partei, der AfD, die sich in ihren Anfangszeiten stark mit den Modalitäten der Eurorettung beschäftigte, aber in letzter Zeit mehr Augenmerk auf das Flüchtlingsthema warf.
Und nun kopiert auch Österreichs Regierungschefjungspund Kurz dieses Alternativlosigkeitsgerede, obwohl gerade im EU-Parlament die Regeln in Zusammenhang mit Urheberrechtsschutz und Kopierverbote verschärft wurden.
So bezeichnete Kurz Frontex und die Sicherung der EU-Aussengrenzen als - richtig geraten ! - alternativlos, bzw. als einzig-mögliche Lösung der Flüchtlingskrise.
Wozu brauchen wir eigentlich überhaupt noch Politiker, wenn es sowieso Sachzwänge gibt, denen alle Politiker, egal, ob links, rechts, oben oder unten, alternativlos folgen müssen ?
Da sparen wir Wahlen, Regierung und Parlament doch besser ein, wenn sowieso die wichtigsten Entscheidungen alle alternativlos sind.
Wieso zwischen verschiedenen Parteien wählen, wenn sowieso alle alternativlos diselbe Politik machen müssen ?
Da würde doch eine Einheitspartei (der Name "Alternativlosigkeitspartei" drängt sich geradezu auf) nach chinesischem Vorbild doch völlig reichen.
Natürlich gibt es auch Alternativen zu Frontex, bzw. zur Ausschliesslichkeit, mit der dieser Ansatz von den Mächtigen forciert wird.
Einer dieser Ansätze wären beispielsweise Militärinterventionen in afrikanischen Ländern (Mit oder ohne UNO-Sicherheitsratdsmandat), um die dort stattfindende Bevölkerungsexlosion zu stoppen. Das wären hauptsächlich Sub-Sahara-Länder.
Kurz' Ansatz, nichts gegen die Bevölkerungsexplosion zu tun, aber dann einzelne Mittelmeeranrainerstaaten dicht zu machen, dürfte keine Lösung sein, und schon gar nicht die einzige.
Kurz feiert die Dichtmachung Ägyptens als großen Erfolg, verschweigt allerdings, dass eben deswegen Ausweichrouten rund um Ägypten entstanden sind, wie z.B. über Libyen.
Und die Schlepperei, die Kurz zu bekämpfen behauptet, wird dadurch auch im Wesentlichen unangetastet gelassen, weil sie dann eben eine Art Ungestörtheit bei innerafrikanischer Schlepperei "geniessen" kann, wenn die EU sich darauf beschränkt, das Mittelmeer dicht zu machen.
Und jede Grenzschliessung, wie z.B. die ägyptische, bewirkt sehr wesentlich, dass die Schleppereipreise steigen.
Auf jeden Fall bestätigt die "Alternativlosigkeit"-Rhetorik die Colin-Crouch-These, wir befänden uns in einer Postdemokratie, in der konkurrierende PR-Teams dem Volk dieselbe Lösung als Wahlmöglichkeit "verkaufen" wollen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Sebastian_Kurz_(2018-02-28)_(cropped).jpg
Kurz-Schluss des Denkens ? Demokratie sei überflüssig, weil seine Politik alternativlos und einzige Möglichkeit sei ?
CC 2.0 / zugänglich gemacht von EU2017 EE https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Angela_Merkel._Tallinn_Digital_Summit.jpg
Merkel: auch ihre Politik alternativlos ? Vielleicht war umgekehrt ihr Alternativlosigkeitgerede ein Grund dafür, warum CDU/CSU in Deutschland 10% der Stimmen (der Gesamtstimmen) bei der letzten Bundestagswahl verloren hat.
Colin Crouch, britischer Politologe und Autor des Buches "Postdemokratie"
Möglicherweise inspiriert zu diesem Buch wurde Crouch von der britischen Premierminsterin der 1980er Jahre, Margaret Thatcher und ihrem "TINA"-Prinzip: "There is no alternative".
Der Politikwissenschafter Herfried Münkler kritisierte die Alternativlosigkeit-Rhetorik.