Laut der "Hamburger Morgenpost" soll Twitter einen Tweet von Sawsan Chebli, der Bevollmächtigten des Landes Berlin beim Bund sowie Staatssekretärin für bürgerliches Engagement und Internationales gelöscht haben.
Dabei soll es um eine Statistik gegangen sein, dass "Mohammed" inzwischen der häufigste Namen in Deutschland ist, sowie, dass Sawsan Chebli dazu gepostet haben soll: "Wir werden dafür sorgen, dass der Namen ´Mohammed´ nie aussterben wird."
Die Begründung von Twitter für diese Löschung soll gewesen sein: "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass dieser Tweet gegen die Twitter Regeln verstößt, insbesondere: Verstoß gegen unsere Regeln zum Veröffentlichen von irreführenden Informationen zu Wahlen."
Um es von Vornherein klar zu sagen: ich halte als Islamkritiker diesen Tweet für problematisch.
Aber für noch problematischer halte ich die Tatsache, dass Twitter unzählige Tweets zu Meinungsumfragen kurz vor Wahlen, die irreführend sind, weil sie die taktisch Wählenden in die Irre führen, nicht löscht.
Ebenso hat Twitter zahlreiche Tweets zu Krim-Krise, die auch manipulativ waren und Wahlen in EU und Russland massiv beeinflussten, auch nicht gelöscht.
Meiner Meinung nach sollte es so sein: Entweder es werden alle Tweets gelöscht, die manipulativ sind und bei Wahlen irreführend, oder es wird kein einziger Tweet gelöscht, der manipulativ und bei Wahlen irreführend ist.
Was auch dazu kommt: meiner Meinung nach ist der Tweet von Chebli, falls die Darstellung der MOPO stimmt, nicht so wahlbeeinflussend wie die Veröffentlichung von Meinungsumfragen kurz vor Wahlen.
Außerdem hätte die Twitteria gegenposten können, was sie bei einer Sache der Einfachheit der Erkennbarkeit der Problematik des Chebli-Postings sicher gemacht hätte, wenn der Chebli-Tweet nicht gelöscht worden wäre, während bei der Veröffentlichung von manipulativen Meinungsumfragen, die die taktischen Wähler in die Irre führen, praktisch niemand gegenpostet und gegentwittert, mit meiner Ausnahme.
Die Anfälligkeit der verschiedenen Wahlsysteme für manipulative Meinungsumfragen ist offensichtlich ein echtes Mathematik- und Nerd-Expertenthema, das in der Öffentlichkeit, die immer nur Fragen diskutiert, die in 10-Sekunden-Sagern oder in 200-Zeichen-Tweets abhandelbar sind, nicht oder kaum diskutierbar zu sein scheint.
Man könnte in diesem Zusammenhang ein Statement des Medientheoretikers Neil Postman leicht abwandeln: "Fernsehen, Video und Online-Kommunikation sind nicht für Idioten geschaffen, aber diese Medien schaffen Idioten".
Es zählen im Zeitalter der Blasen immer nur die Themen, die zu den Medien passen, die Themen, die zu sperrig und kompliziert sind, um in diesen Medien abgehandelt zu werden, zählen in diesen Medien nicht, oder um es mit einem anderen Medientheoretiker, namlich Marshall Mc Luhan zu sagen, "The Medium is the Message" ("Das Medium übermittelt keine Botschaften, sondern es ist selbst die Botschaft"; das Medium beeinflusst und selektiert die Themen, die medial diskutiert werden können oder auch nicht, nach medieneigenen Kriterien); "The Medium is Massage"
CC / Pelz https://de.wikipedia.org/wiki/Sawsan_Chebli#/media/File:Sawsan_Chebli_1695dxo_(cropped_2).jpg
Sawsan Chebli (Bild Oben) sorgt immer wieder für Diskussionen, in Österreich zuletzt in Zusammenhang mit dem Ausschluss von Efgani Dönmez aus dem ÖVP-Parlamentsclub wegen seines Knie-Sagers in Zusammenhang mit Sexismus-Vorwürfen.
Einerseits macht sie manchmal Aussagen, die extrem unkritisch gegenüber problematischen Entwicklungen im Islam zu sein scheinen, auf der anderen Seite ist sie aber keine Kopftuchträgerin, was gerade in Hinblick auf die Kopftuchpflichtfatwa des Muftis der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich vom Februar 2017 wichtig erscheint.
Ich betone noch einmal: das soll keine Verteidigung des mutmasslichen Chebli-Tweets sein (ich sehe diesen Tweet ähnlich wie Twitter als manipulativ an), sondern eine Kritik an der Löschdoppelmoral eines Mediums.
Das einzige Kriterium, wie man Cheblis Tweet relativieren und ca. verteidigen könnte, ist dass der Name Mohammed inerhalb der islamischen Namen eine viel höhere bedingte Wahrscheinlichkeit hat als - wenn man von Südamerika einmal absieht - der Name Jesus innerhalb der christlichen Namen.
Aber diese "Verteidigung" des Chebli-Tweets ist auch eine Islamkritik: während das Christentum vielfältiger ist und verschiedenste Persönlichkeiten, vielleicht sogar Götter verehrt (von Maria über die Heiligen im Katholizismus über Franziskus von Avila, nach dem sich der heutige Papst benannt hat bis hin zur Dreifaltigkeitslehre), kennt der Islam diktatorisch und monokratisch nur Mohammed in einer extrem hervorgehobenen Position, während im Christentum neben Jesus auch die alttestamentarischen Persönlichkeiten, die Apostel (Petrus, der erste Papst, war übrigens verheiratet und hatte Kinder, was viele als Argument gegen den katholischen Pflichtzölibat sehen), die Evangelisten und Paulus wichtige Rollen spielen.
Auch war der Katholizismus immer trotz vielfacher Problematik so, dass man heftige Kritik gefahrlos auch üben kann, wie z.B. Lord John Acton, der die im ersten Vatikanum 1869 beschlossene Unfehlbarkeitslehre (die angebliche "Unfehlbarkeit des Pastes", was zur Abspaltung der Altkatholischen Kirche von der katholischen Kirche führte), der in Hinblick auf den Papst und die mit dem Unfehlbarkeitsdogma einhergehend Macht sagte: "Macht tendiert dazu, zu korrumpieren, und absolute Macht tendiert dazu, absolut zu korrumpieren".
Aber der Islam ist anders, ist viel totalitärer: die Fatwas / religiösen Todesurteile gegen Salman Rushdie und Hamed Abdel-Samad und viele Ähnliche zeigen, dass man derartige interne Kritik im Islam nicht über kann, was nur die Möglichkeit der subversiven Kritik offenläßt: wie in einer nationalsozialistischen Diktatur ist man im Islam gezwungen, Kritik so zu üben, dass sie aussieht wie Lob, oder indirekte Kritik durch Selbstopferung zu üben.
Vielleicht glaubte Chebli ja auch, Kritik am Islam nur bewirken zu können, indem sie etwas sehr Dumm-Aussehendes sagte.
Die Chebli-These von der Rettung des Namens Mohammed erinnert mich irgendwie an die Theorie vom "empirischen Marxismus" eines Karl Renner: weil Renner innerhalb seiner Partei nicht offen sagen konnte, dass er Marxismus für Schwachsinn hält, war er gezwungen, eine eigene Spielart des Marxismus zu gründen, die jeden Aspekt des Marxismus auf seine empirische Stichhaltigkeit und Bewährtheit in der Vergangenheit überprüfte, was laut Kalkül des "Fuchses" Renner letztlich zu einer Abkehr der SPÖ vom Austro-Marxismus hätte führen sollen.
CC / - http://www.dasrotewien.at/bilder/d30/Renner_jung_VGA.jpg https://en.wikipedia.org/wiki/Karl_Renner#/media/File:Karl_Renner_1905.jpg
Österreichischer Kanzler Karl Renner (1919-1920 und 1945-1949): mit seiner These vom "empirischen Marxismus" (weil Marxismus völlig unempirisch ist) genauso dumm-genial wie Sawsan Chebli mit ihrer These vom "seltenen Namen Mohammed im Islam und in Deutschland" ?
Siehe auch:
https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/kritik-an-efgani-doenmez-voellig-unberechtigt-49612
(Meine vielen Blogs und Tweets über das manipulationsanfällige und extremismusfördernde österreichische Bundespräsidentenwahlsystem sind nun schon drei Jahre alt; und ich habe nichts erreicht auf diesem Wege, vielelicht funktioniert das Medium als solches nicht, wie viele Medientheoretiker behaupten)
Ähnliche Fälle von schwer erkennbarer Selbstopferung wären:
1.) der Verzicht der SPÖ Steiermark bzw. von Franz Voves auf den Landeshauptmannposten trotz der Position der Stimmenstärksten Partei nach der letzten Landtagswahl, um der eigenen Bundespartei buzw. der SPÖ Wien zu schaden durch Verlust des mit dem LH verbundenen steirischen SPÖ-ORF-Stiftungsrats wegen des Häupl-Sagers, eine Sozialdemokrat dürfe nicht reden wie die Pegida, der die SPÖ-Stmk bzw. Voves unter die 30%-Rücktrittsmarke drückte.
2.) Die Lobhudeleien von Theodor Körner für Josef Stalin oder seine verrückte "Unbesiegbarkeit der roten Armee"-These, die er inhaltlich nicht ernst meinte, aber die im Resultat positiv wirkten, auch wenn sie ihm persönlich und der SPÖ schadeten.