Unglaubwürdige US-Demokratinnen: erst Freude über Trump, dann Wahlsystemkritik

Einige Frauen bei den US-Demokraten haben sich erst jetzt, nach der völlig überraschend verlorenen Wahl, für eine Änderung des US-Wahlsystems ausgesprochen.

http://derstandard.at/2000047634573/US-Demokraten-wollen-Wahlmaennersystem-abschaffen

Im Prinzip ist das US-Wahlsystem durchaus kritikwürdig (ähnlich wie das österreichische Wahlsystem).

Dennoch liefern Hillary Clinton und zahlreiche Frauen bei den US-Demokraten ein Bild der Unglaubwürdigkeit: erst haben sie sich gefreut, dass sie mit Donald Trump einen Gegner bekamen, den sie hofften, leicht besiegen zu können.

Und hinterher, nach der verlorenen Wahl, starten sie, wie die Senatorin Boxer Kritik am Wahlsystem.

Das US-Wahlsystem ist seit mehr als 200 Jahren, so wie es eben ist. Und dies sollte eigentlich spätestens nach der Niederlage von Al Gore gegen George W. Bush im Jahr 2000, der genauso mehr Stimmen, aber weniger Wahlmänner hatte, allen US-Demokraten bekannt gewesen sein.

Glaubwürdiger wäre es gewesen, schon vor der Wahl wegen des Wahlsystems die Wahlen zu boykottieren und zum Ungültigwählen oder Nicht-Wählen aufzurufen.

Generell scheinen die US-Demokraten nach der dreifachen Wahlniederlage (kein Präsident, keine Mehrheit im Senat, keine Mehrheit im Repräsentantenhaus) in einer schweren Krise zu sein.

Vorausschauendes politisches Handeln sieht anders aus.

Bereits die alten Lateiner sagten:

"quidquid agis, prudenter agas et respice finem"

"Wie auch immer Du handelst, handle klug und bedenke das Ende."

Klug und ende-bedenkend war es absolut nicht, sich erst darüber zu freuen, mit Trump einen vermeintlich leichten Gegner bekommen zu haben, das lange bekannte US-Wahlsystem überhaupt nicht zu kritisieren, überheblich und siegessicher zu sein, und dann hinterher, nach der völlig überraschenden Wahlniederlage das Wahlsystem zu kritisieren, das sie den ganzen Wahlkampf hindurch nicht kritisiert hatten.

Barbara Boxer ist aber insofern ernst zu nehmen, als sie schon 2002 gegen den Irakkrieg war, und auch immer bei dieser Linie geblieben ist.

Während Hillary Clinton jede Glaubwürdigkeit verspielte, indem sie 2002 für den Irakkrieg stimmte, aber nach 2008 so tat, als wäre sie schon immer gegen den Irakkrieg gewesen.

Der Wahlkampfstratege Carl Rove von den US-Republikanern hat diese unglaubwürdige Politik vieler US-Demokraten und US-Demokratinnen, dieses "flip-flopping" (Hin-und-Her-Springen) einmal (nämlich anläßlich des zweiten Wahlsieges von George W. Bush 2004) als Geschenk bezeichnet, das den Republikanern zum Sieg verhilft.

Allerdings ist Barbara Boxer (1940 geboren) vielleicht wegen ihres Alters keine Führungsreserve für die US-Demokraten. Bei der nächsten regulären US-Präsidentschaftwahl wäre sie zirka 80 jahre alt.

Senatorin Barbara Boxer, US-Demokraten

(Bild-Copyright:Wikipedia)

P.S.: wie das US-Wahlsystem ist natürlich auch das österreichische Präsidentenwahlsystem kritikwürdig.

Es sollte durch ein Reihungswahlrecht a la Condorcet, Schulze oder Borda ersetzt werden, das dem Vielparteiensystem viel besser entspricht als das jetzige österreichische Bundespräsidentenwahlgesetz, das für das Zweiparteiensystem, bzw. Zweieinhalbparteiensystem, das Österreich bis Mitte der 1980er Jahre hatte.

Ich rufe schon seit vielen Monaten zum Ungültigwählen oder Weißwählen bei der Präsidentschaftswahl auf, und zwar vor der Wahl, und nicht erst hinterher. Ich habe auch, obwohl ich im ersten Wahlgang der Präsidentenwahl keine Wahlinformation erhielt, mich bemüht, durch Abfahren mehrerer Schulen in meiner Umgebung auf gut Glück das für mich zuständige Wahllokal zu finden, nur um keinen bzw. keine der Kandidaten bzw. -innen zu wählen.

Im Übrigen halte ich es für wahrscheinlich, dass Irmgard Griss sowohl die Stichwahl gegen Van der Bellen als auch die Stichwahl gegen Hofer gewonnen hätte. Auch Khol oder Hundstorfer hätten möglicherweise Chancen gehabt, beide hypothetische Stichwahlen zu gewinnen, wenn sie in die Stichwahl gekommen wären.

Das ist einer der Hauptkritikpunkte am heutigen österreichsichen Wahlsystem: ein Condorcet-Sieger (bzw. eine Condorcet-Siegerin), der (bzw. die) alle hypothetischen Stichwahlen gewinnt bzw. gewinnen würde, hat oft schlechte Chancen, in die Stichwahl zu kommen.

Auch 2002 bei den französischen Präsidentschaftwahlen, die nach einem genauso schlechten System erfolgen, hätte Lionel Jospin (PS) mit Hilfe der Zweit- und Drittreihungen bei einem hypothetischen Reihungswahlrecht Jean-Marie Le Pen (Front National) weit überflügelt.

Verschärft wurden die Fehler von Lionel Jospin 2002 auch noch dadurch, dass er selbst die "gauche plurielle" (die pluralistische Linke) forciert hatte, ohne sich gleichzeitig für ein Reihungswahlrecht auszusprechen.

Die jetzigen Präsidentschaftwahlen in Frankreich könnten für die sozialistische Partei ein ähnliches Desaster werden, nachdem Macron, der Hollandes Wirtschaftsberater gewesen war, angekündigt hatte, gegen Hollande anzutreten.

Emmanuel Macron (Bild-Copyright:Wikipedia)

Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Emmanuel_Macron

https://de.wikipedia.org/wiki/Barbara_Boxer

https://de.wikipedia.org/wiki/Marie_Jean_Antoine_Nicolas_Caritat,_Marquis_de_Condorcet

https://de.wikipedia.org/wiki/Schulze-Methode

https://de.wikipedia.org/wiki/Borda-Wahl

https://de.wikipedia.org/wiki/Electoral_College

https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4sidentschaftswahl_in_Frankreich_2002

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