Zu einer Gesamtsicht (sowohl finanziell als auch journalistisch) gehört das Abwägen der Vor- und Nachteile.
http://oe1.orf.at/player/20171110/494008
Im Saldo-Interview thematisiert der österreichische Vertreter im EZB-Rat (dem obersten Gremium der Europäischen Zentralbank), Ewald Nowotny - wie zu erwarten - zahlreiche Vorteile der EZB-Niedrigzinspolitik. Aber in der Sendung gehen zahlreiche Negativaspekte unter.
Dabei erwähnt er hauptsächlich wirtschaftliche Aspekte, wie zum Beispiel Beschäftigung und Entlastung der Budget in Hinblick auf Zinszahlungen. Nicht hingegen erwähnt werden z.B. politische Aspekte in dieser Sendung.
Die EZB-Niedrigzinspolitik dürfte - neben der graduellen Enteignung der Eurozonen-Sparer durch Negativrealzinsen, die in dieser Sendung erwähnt wurde - sowohl zum BREXIT als auch zur Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten beigetragen haben.
Und das kann langfristig natürlich auch wirtschaftliche Folgen haben.
Folgt man einer Handelsbilanzausgleichspolitik, so ähnlich wie Helmut Schidt das angedacht hat, so befindet sich die Eurozone in einer durch die Niedrigzinspolitik übertrieben angeheizten Boomphase mit rekordhaften hohen Handelsbilanzüberschüssen in einigen Eurozonenmitgleider wie z.B. Deutschland oder Holland. Es ist fraglich ist, ob diese Politik - auch aus ökologischem Standpunkt - sinnvoll ist.
Man kann annehmen, dass die EZB-Niedrigzinspolitik auch das Ziel hatte, rechtspopulistische Wahlsiege zu verhindern, was aber nicht funktionierte.
Die These der Reformverschleppung durch Niedrigzinspolitik schien Nowotny eher lächerlich zu machen, obwohl sie Plausibilität hat.
Dass die verhinderten bzw. verschleppten Reformen nicht präzisiert und konkretisiert werden können, liegt in der Natur der Sache, spricht aber nicht prinzipiell gegen die Verhinderung- oder Verschleppungsthese.
Auch zur angeblichen Unabhängigkeit von Notenbanken kann man eine andere Position vertreten: wenn Politiker Schuldenberge aufhäufen, haben Notenbanker fast gar keine andere Wahl, als Niedrigzinspolitik oder Nullzinspolitik zu betreiben, was man als Verletzung der angeblichen Unabhängigkeit betrachten kann.
Durch Niedrigzinspolitik Beschäftigungsziele zu erreichen, die eigentlich nicht als Ziel der EZB in den europäischen Verträgen festgeschrieben ist, kann man in den Jahren 2008-2010 als gerechtfertigt betrachten, aber die Situation 2017 ist eine in vielerlei Hinsicht andere.
Mögliche Blasenbildungen, beispielsweise am Aktienmarkt oder am Immobilienmarkt oder am Kryptowährungsmarkt blieb undiskutiert.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/728836/umfrage/handelsbilanz-der-eu-mit-den-usa/
Zitat: "Die Handelsbilanz bezeichnet den Wert der Warenexporte minus dem Wert der Warenimporte. Ein positiver Wert bedeutet einen Handelsbilanzüberschuss, ein negativer Wert ein Handelsbilanzdefizit. Im August 2017 betrug der Handelsbilanzüberschuss der EU mit den USA rund 7,8 Milliarden Euro. Die Länder der Europäischen Union importierten dementsprechend im Juli 2017 weniger Waren aus den USA, als sie im gleichen Zeitraum Waren in die USA exportierten."