Die europäischen Medien und die europäische politische Klasse ist sich wieder einmal einig: der ungarische Premierminister Viktor Orban sei der Böse, weil er ein Veto gegen eine gemeinsame EU-Warnung an die Türkei eingelegt hat.
Womit hätte die EU die Türkei bzw. Erdogan denn warnen sollen ? "Wenn Ihr in Syrien einmarschiert, dann schicken wir Euch die Friedensverhandler, die wir Euch ohne Offensive auch schicken" ?
"Wenn Ihr in Syrien einmarschiert, dann liefern wir Euch keine Waffen mehr, sodass Ihr gleichwertige Waffen z.B. bei Russland billiger einkaufen müsst" ?
"Wenn Ihr in Syrien einmarschiert, dann bombardieren wir Euch mit Mozartkugeln" ?
"Wenn Ihr in Syrien einmarschiert, dann legen wir den EU-Beitrittsprozess der Türkei auf Eis, der jetzt schon auf Eis liegt" ?
Das ist doch irgendwie lächerlich.
Die umgekehrte Sicht ist: Viktor Orban hat seinen europäischen Ruf tapfer geopfert, um die EU vor einer Blamage zu bewahren.
Denn wenn die EU (also alle 28) sich geeinigt hätten, eine harmlose Warnung auszusprechen, dann hätte Erdogan genau dasselbe gemacht, wie er gemacht hat, nämlich in Syrien einmarschieren, und dann wäre die EU fürchterlich blamiert dagestanden, weil niemand ihre Warnungen ernstnimmt.
Außerdem ist der Syrienkonflikt ein langanhaltender Konflikt, und die neue Kriegsrunde war absolut vorhersehbar, nach dem ungerechten Frieden, den die russisch-iranisch-alawitische Allianz diktierte. Und es war auch vorhersehbar, dass die Sunniten die nächste Kriegsrunde einleiten würden, weil sie beim ungerechten Frieden davor eben die Hauptverlierer waren. Und sunnitisch-schiitische Kriege gibt schon seit ca. 1300 Jahren, nicht erst seit Erdogan.
So gesehen ist das kein Einmarsch, sondern eine legitime Bruderhilfe.
In der internationalen Politik gilt das Hilfsersuchen einer Regierung als völkerrechtlich legitim, z.B. ohne die Hilfe und das Hilfeersuchen von Assad an Russland und den Iran wäre Assad schon Geschichte, oder vielleicht bestensfalls noch der Machthaber über ein paar Teile von Damaskus.
Und überträgt man dieses Regierungsprinzip auf das Religionsprinzip, so dürfen natürlich auch religöse oder ethnische Gruppen Hilfsersuchen stellen.
Z.B. die österreichische Schutzmachtfunktion für Südtirol beruhte auf genau einem solchen Hilfsersuchen, und führte zu einem gerechten Frieden, nämlich dem Südtirol-Paket.
Und genauso wie Österreich als deutschsprachiges Land eine legitime Schutzmachtfunktion für die deutschsprachigen Südtiroler gegenüber den Italienern hatte (und theoretisch noch hat), genauso hat Erdogan als Sunnit legitimerweise eine Schutzmachtfunktion für die syrischen Sunniten gegen die Alawiten/Schiiten. ("Präsident" Assad ist schiitennaher Alawit, und auch der Iran lieferte schiitische Bruderhilfe, als Assad darum bat)
Daher ist das alles legitim, und Österreich hätte wegen der Schutzmachtfunktion für Südtirol eigentlich Viktor Orbans Veto gegen diesen seltsamen und wahrscheinlich sowieso wirkungslosen EU-"Warnungs"-Beschluss unterstützen müssen.
Aber weil wir eben eine apolitische, geschichtsunkundige Regierung haben, die alles unterstützt, was in Brüssel beschlossen wird, ohne es zu prüfen, wurde der Präzedenzfall Südtirol wohl übersehen.
CC / EPP https://de.wikipedia.org/wiki/Viktor_Orb%C3%A1n#/media/Datei:EPP_Helsinki_Congress_in_Finland,_7-8_November_2018_%2845777983671%29_cropped.jpg
Ungarischer Premier Viktor Orban: wieder einmal völlig zu Unrecht geshitstormt, weil er das absolut Richtige tat, nur weil Ungarn ein kleines Land ist, das keiner der drei großen EU-dominierenden Sprachgemeinschaften (romanisch, germanisch-angelsächsisch, slawisch) angehört ?
https://www.n-tv.de/politik/Ungarn-unterstuetzt-tuerkische-Syrien-Offensive-article21332245.html
https://www.n-tv.de/politik/Erdogan-nennt-Maas-politischen-Dilettanten-article21333545.html
Und es kommt noch schlimmer: die ungarischen Kommunalwahlen waren am 13. Oktober: indem die europäischen Medien und das Gros der europäischen Politik die Wahrheit über Orban und das ungarische Veto völlig falsch darstellten, manipulierten die Medien und die politische Klasse der EU die Wahlen in Ungarn zuungunsten von Orban bzw. seiner Partei FIDESZ und zugunsten der Opposition.
Eigentlich müsste das ein Anfechtungsgrund sein, und eigentlich müssten die Kommunalwahlen in Ungarn vom 13. Oktober 2019 deswegen für ungültig erklärt werden.
Praktisch die gesamte EU oder zumindest die europäischen Medien und die politische Klasse der EU müsste wegen Verstosses gegen die Kopenhagen-Kriterien der EU im Fall Erdogan-Warnung/Orban/ungarische Kommunalwahlen aus der EU ausgeschlossen werden oder entsprechende Rechte (Pressefreiheit, parlamentarische Immunität, etc.) entzogen werden.
Die Wahlniederlage, maßgeblich mitverursacht durch Berichterstattung, führ tnun auch zu Turbulenzen innerhalb der FIDESZ: