In Österreich wird nie etwas entschieden, sondern es dominieren Provisorien, die sich halt einfach etablieren, weil sie in der Praxis funktionieren und weil niemandem was Besseres einfällt.
Ähnlich könnte das auch beim Brexit sein: während zahlreiche aussenpolitische Kinder wie der frühere Aussenminister und heutige Kinder-Kanzler Kurz meinen, die Brexitfrage müsse schnell und definitiv entschieden werden, vertrete ich genau die Gegenmeinung:
die jetzige Hängepartie mit britischer Unentschlossenheit und einer guten Handhabe für eine qualifizierte EU-27-Mehrheit, Großbritannien auszuschliessen, ist ein gutes Gegengewicht gegen das britische Privileg eines Vetorechts im UNO-Sicherheitsrat.
Falls Großbritannien das tun sollte, was die US-Botschafterin bei der UNO, Nikki Haley, den "Mißbrauch des Vetorechts" nannte, so hätte eine qualifizierte EU-27-Mehrheit eine Handhabe, den Halb-Brexit-Status in einen Ganz-Brexit-Status umzuwandeln.
Ich finde, das ist die beste EU-Arbeitsgrundlage, die die EU jemals in den letzten 50 Jahren hatte und man sollte daran überhaupt gar nichts ändern, solange Großbritannien mit einem Mißbrauch des Vetorechts keinen Grund dazu liefert.
Der halbe Brexit erinnert sehr an das Leibniz´sche Modell der "besten aller möglichen Welten".
Dieser halbe Brexit als Dauerzustand mag zwar in den EU-Verträgen nicht vorgesehen sein, aber das beweist nur, dass die EU-Verträge auf schnellstem Wege geändert werden sollten, nicht der Zustand.
So gesehen hat FPÖ-Innenminister Herbert Kickl völlig recht, dass das Recht der Politik folgen muss, und nicht die Politik dem Recht.
Ein Halb-Brexit als Methode, um das britische Vetorecht auszubalancieren, würde auch die Frage aufwerfen, inwieweit dasselbe Modell (ein Halb-Frexit) für Frankreich, das auch ein permanentes Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat hat, ein passendes Modell wäre. Mit einem zusätzlichen Halb-Frexit wäre die EU einerseits handlungsfähig, andererseits aber würde verhindert, dass die EU eine französisch-dominierte Union wird, weil Frankreich als einziges EU-Land mit seinem Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat jede EU-Politik, die über den UNO-Sicherheitsrat läuft und Frankreich bzw. Macron nicht gefällt, sabotieren kann und so der EU den französischen Willen aufzwingen kann.
Der Brexit erweist sich so gesehen möglicherweise als vorbildhafte britische Methode, um das britische Vetoprovileg zu europäisieren, während das machtarrogante Frankreich unter Napoleon Macron zu derartiger Europäisierung seines, des französischen Vetos nicht bereit ist.