.... und warum Wittgenstein, Kripke und Kuhn unterbewertet sein könnten
Aus aktuellem Anlass erwähne ich eine Theorie, die zu publizieren ich vor ca. 30 Jahren nicht geschafft habe.
Es war auch ziemlich abweichend: die Behauptung war, dass Gödel´sche Unvollständigkeitsbeweis insofern problematisch sei, als er mit einer zweiwertigen Logik selbstreferentielle Aussagen bearbeite, die einer vierwertige Logik, einer Boole´schen Algebra zweiter Ordnung bedürfen.
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Saul Kripke („Outline of a theory of truth“), Anil Gupta und andere beschäftigten sich in den 1970er Jahren mit selbstreferentiellen Aussagen, darunter war auch das Schema des „contingent liars“, des kontingenten Lügner.
Eine Aussage, die ihre eigene Falschheit behauptet, nennt man Lügner oder intrinsischen Lügner. Nach dem biblischen Epimenides, der als Kreter gesagt haben soll, dass alle Kreter lügen (diese Aussage ist übrigens ein kontingenter Lügner)
Lügner oder intrinsischer Lügner: „Diese Aussage ist falsch“
Beispiele für kontingente Lügner: „Diese Aussage ist falsch oder es regnet morgen“ (wobei sich „diese Aussage“ auf den gesamten achtwortigen Satz bezieht)
„Diese Aussage ist falsch und es regnet morgen“
„Wenn diese Aussage richtig ist, dann regnet es morgen“, was nach dem „non p vel q“-Schema gleichbedeutend oder fast – gleichbedeutend ist mit „Diese Aussage ist falsch oder es regnet morgen“
Nun zu Gödel: in seinem Unvollständigkeitssatz verwendet er eine Selbstreferenzielle Aussage der Form „Diese Aussage ist unbeweisbar“, unter der Nebenbedingung, dass alle beweisbaren Aussagen wahr sein müssen.
Wenn alle beweisbaren Aussagen wahr sein müssen, dann heißt das, dass die Unbeweisbarkeit einer Aussage zwei Ursachen haben kann: erstens: sie ist falsch. Zweitens: sie ist wahr, aber unbeweisbar.
Eine Aussage, die ihre eigene Unbeweisbarkeit behauptet, ist dann gleichzusetzen einer Aussage, die von sich selbst behauptet, entweder falsch oder wahr und unbeweisbar zu sein.
Was genau dem Schema des kontingenten Lügners entspricht. Mit kontingenten Lügnern und zweiwertiger Logik kann man Scheinbeweise führen, eben deswegen, weil in diesen Fällen vierwertige Logik angebracht ist und die zweiwertige inadäquat.
Ludwig Wittgenstein scheint in seinen „Philosophischen Untersuchungen“, die vage und unpräzise sind, die selbstreferenzielle Aussage des Gödel-Beweises oder Gödel-Scheinbeweises vergleichen zu wollen mit einem intrinsischen Lügner, was m.E. nicht stimmt und vielleicht mit Kontakten mit Brouwer und dem intuitionistischen Denken zusammenhängt. Auf jeden Fall ist Ludwig Wittgenstein schwer kritisiert und lächerlich gemacht worden in der Community, obwohl er vielleicht insofern nicht völlig unrecht hatte, dass eine Verwandtschaft zum intrinsischen Lügner besteht.
Eine nicht-selbstreferenzielle Aussage kann zwei klassische Wahrheitwerte annehmen, je nach den Umständen in der Außenwelt.
Eine selbst-referenzielle Aussage nach Form des kontingenten Lügners kann auch zwei Wahrheitswerte annehmen, je nach den Umständen in der Außenwelt.
Aber es sind zwei aus vier, wahr, falsch, paradox (negativ-selbstreferenziell) und tautologisch (positiv-selbstreferenziell).
Der Truth-Teller, der Wahrsager, ist eine Aussage, die ihre eigene Wahrheit behauptet.
Die reductio ad absurdum funktioniert in der vierwertigen Logik nicht mehr bzw. nicht mehr so. D.h. wenn die Annahme, eine Aussage sei falsch, zu einem Widerspruch führt, dann kann daraus nicht abgeleitet werden, dass sie wahr ist, sondern nur, dass sie entweder wahr, paradox oder tautologisch ist.
Und genau damit bricht Gödel´s Beweis zusammen.
Es wäre vielleicht doch besser gewesen, Wittgenstein, Kripke und Gupta ernster zu nehmen, als dies geschehen ist. Auch Smullyan, der ein Buch mit Scheinbeweisen publizierte, die in die Nähe des Gödel´schen führen.
Ich muss allerdings dazusagen, dass ich mich jahrzehntelang nicht mehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt habe, aktuelle Entwicklungen möglicherweise nicht registriert habe, und möglicherweise jemand mein Argument entdeckte.
Die Aussage p sei „Diese Aussage ist falsch oder morgen regnet es“
Dann gilt
Wp <-> (-Wp v r)
Ann: -Wp
Wp
Wp
r
Die Annahme, die Aussage p sei falsch, führt zu einem Widerspruch. Daher müsse laut klassischer reductio ad absurdum in einer zweiwertigen Logik, die hier vielleicht völlig unangebracht ist, p wahr sein, und es in weiterer Folge morgen regnen.
Und genau dieselbe Adäquatheitsfrage stellt sich auch in Zusammenhang mit der selbst-referenziellen Gödel-Aussage, die ihre eigene Unbeweisbarkeit behauptet.
Mark Twain sagte einmal, ein Mann mit einer neuen Idee gelte als verrückt, bis er sich damit durchsetze.
Und genau diese Verrücktheitsvorwürfe habe ich vor 30 Jahren mit meiner ausgefallenen These bekommen, weshalb ich heute ein sehr seltsames Gefühl habe, wenn ich diese Sache neuerlich durchgehe.
Ich hatte auch einmal die vage Idee, eine derartige vierwertige Logik, die Selbstreferenz inkludiert, könnte auch im Falle von Cantors Beweis, dass transfinite Kardinalzahlen existieren, angebracht sein und zu einem anderen Ergebnis führen, aber diese Idee ist noch viel unausgeführter als die obige Sache mit Gödel.
Im Falle des Cantor-Beweises ist es nicht Aussagenselbstreferenz, sondern Rekursivität von Ordinalfolgen, aber das sind zwei verwandte Konzepte, daher könnten sich auch verwandte Adäquatheitsfragen stellen.
Der Gedanke, Gödel, Cantor und die ganze Scientific Community in Logik und Mathematik könnten unrecht haben, und so eine verkrachte, rand-universitäre Existenz wie ich könnte recht haben, erscheint wohl mit einigem Recht als so unplausibel, dass man sie nicht einmal ernsthaft untersuchen muss. Aber auf der anderen Seite würde es auch eine gewisse Aufwertung von Wittgenstein, Kripke und Gupta bedeuten. Und es wäre wieder ein Fall dafür, was Kuhn wissenschaftliche Revolutionen nennt.
Man kann es auch so sehen: es gibt IMMER (!!!!) bei jeder reductio ad absurdum noch eine versteckte zusätzliche Annahme, nämlich die, dass die zweiwertige Logik angebracht und adäquat ist.
Jede Annahme in einer reductio ad absurdum müsste zusätzlich kombiniert werden mit der Annahme, dass die zweiwertige Logik adäquat sei.
Wenn also die Annahme a kombiniert mit der Annahme, die zweiwertige Logik sei adäquat, zu einem Widerspruch führt, dann heißt das nicht, dass die Annahme a falsch ist, sondern es heißt, dass entweder die Annahme a oder die Annahme, dass die zweiwertige Logik in diesem fall adäquat ist, falsch ist.
Dass diese Annahme versteckt ist und sie in 99,999999999% der Fälle bedeutungslos ist, weil die zweiwertige Logik eben in 99,999999999% der Fälle angebracht ist, bedeutet aber eben nicht, dass sie in 100% der Fälle angebracht ist.
Oder um es in der Sprache der Atomkraftwerksunfälle zu sagen: ein für vernachlässigbar klein gehaltenes, minimales Restrisiko kann eben in ganz seltenen Fällen zu einem riesigen Super-GAU führen.
Derselbe Scheinbeweis funktioniert auch mit der originalen Epimenides-Aussage: Epimenides, ein Kreter, soll laut Bibel gesagt haben, dass alle Kreter lügen.
Mit Zweiwertigkeitsannahme und klassischer auf Zweiwertigkeit aufbauender reductio ad absurdum kann nun "bewiesen" bzw. scheinbewiesen werden, dass entweder mindestens eine andere Aussage von Epimenides existiert, die wahr ist, oder mindest en anderer Kreter, der nicht lügt (nicht die Unwahrheit sagt).
(Kurt Gödel, 1925, Bild-Copyright: wikipedia, Gianbruno Guerrerio)
Saul Kripke, 2005, Bild-Copyright: Ursipan / Wikipedia / Gemeinfrei
Ludwig Wittgenstein, 1930, Bild-Copyright: Moritz Nähr, Österreichische Nationalbibliothek, Wikipedia, Gemeinfrei
https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_S._Kuhn
https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_G%C3%B6del